Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfe zur angemessenen Schulbildung. Besuch eines sozialpädagogischen Horts. Mindestmaß an Lernfähigkeit. Vermögenseinsatz. sozialpädagogischer Förderbedarf. Schulträger in Schleswig-Holstein. Nachrangigkeit der Eingliederungshilfe nach § 2 Abs 1 SGB 12

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung als eine Maßnahme nach § 40 Abs 1 Nr 4 BSHG - bis einschließlich dem 31.12.2004 - und seither als eine Leistung der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 12 umfasst auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern.

2. Da der Begriff der Schulbildung bei geistig behinderten Kindern und Jugendlichen weit zu verstehen ist, kann dazu auch der Besuch eines sozialpädagogischen Horts zählen, sofern dort Maßnahmen erfolgen, die den Schulbesuch erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen.

3. Auch unter Berücksichtigung dessen, dass bei einer Vielzahl behinderter Schulkinder die Lerninhalte, die unter "allgemeiner Schulbildung" zu verstehen sind, nicht verwirklicht werden können, muss bei den die Schule begleitenden Maßnahmen noch ein Mindestmaß an Lernfähigkeit bezogen auf schulische Lerninhalte gegeben sein. Ist das nach den intellektuellen Fähigkeiten des Betroffenen nicht möglich, sind Hilfeleistungen nicht ohne Berücksichtigung vorhandenen Vermögens zu erbringen.

 

Orientierungssatz

1. Die Verpflichtung, sozialpädagogischen Förderbedarf abzudecken, ist eine Verwaltungsaufgabe, die das Schleswig-Holsteinische Schulrecht dem Schulträger zugewiesen hat. Daraus folgt, dass im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 39 Abs 1 BSHG und § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 12 regelmäßig solche Leistungen vom Sozialhilfeträger nicht verlangt werden können, die gesetzlich vom Schulträger zu erfüllen sind (vgl OVG Bremen vom 10.12.1998 - 2 BB 421/98 = NordÖR 1999, 197 und VGH Mannheim vom 3.7.1997 - 6 S 9/97 = FEVS 48, 228).

2. Unter Beachtung des Nachranggrundsatzes gem § 2 Abs 1 BSHG bzw § 2 Abs 1 SGB 12 ist bei Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung in Schleswig-Holstein in erster Linie der Schulträger eintrittspflichtig.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 11. März 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte die Kosten der von der Klägerin in Anspruch genommenen Hortbetreuung als Leistungen der Eingliederungshilfe als Hilfe zur angemessenen Schulbildung ohne Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen zu übernehmen hat.

Die am … 1992 geborene Klägerin ist Epileptikerin und geistig behindert; sie besucht vormittags die F.-Schule, eine Schule für geistig Behinderte in F . Nach dem Schulbesuch wird sie am Nachmittag im sonderpädagogischen Hort der Lebenshilfe in F betreut, die zur Förderung des Personenkreises geistig behinderter Kinder und Jugendlicher mit der F.-Schule eng zusammen arbeitet. Wegen der in Anspruch genommenen Hortbetreuung hatte der Vater der Klägerin bereits am 22. November 2000 bei dem Beklagten einen Antrag gestellt, die Kosten der Betreuung einschließlich der Beförderungskosten aus Mitteln der Sozialhilfe nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes (- BSHG -) zu übernehmen. Das Gesundheitsamt des Beklagten erhob bei der Klägerin am 11. Dezember 2000 den Befund einer geistigen Behinderung, die mit Selbstgefährdungstendenzen und Aggressivität einhergehe; die Klägerin könne auch für kurze Zeit nicht sich selbst überlassen bleiben.

Nach Rücknahme des Hilfeantrags im Hinblick auf einzusetzendes Vermögen wurde ein entsprechender Antrag am 3. Oktober 2001 erneut gestellt und durch den Bescheid des Beklagten vom 14. November 2001 positiv beschieden: Die Leistungsgewährung bis zum 31. Oktober 2002 stützte der Beklagte auf §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 1 BSHG. Mit dem weiteren Bescheid vom 13. Januar 2003 gewährte der Beklagte die aus Anlass der Unterbringung und Betreuung der Klägerin im Hort der Lebenshilfe F entstehenden Kosten für den Folgezeitraum bis zum 31. Oktober 2004 im Rahmen der Eingliederungshilfe gemäß §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG.

Am 4. September 2004 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen Weitergewährungsantrag auf Eingliederungshilfe nach dem BSHG. Der Beklagte wies die Eltern der Klägerin mit Schreiben vom 4. April 2005 darauf hin, dass die beantragte Eingliederungshilfe bis zum 31. Dezember 2004 nach den Bestimmungen des BSHG und ab dem 1. Januar 2005 nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches, Zwölftes Buch (- SGB XII ), gewährt werden könne, allerdings einkommens- und vermögensabhängig sei. Nach Auswertung der von den Eltern gemachten Angaben sei beabsichtigt, die Gewährung der Einglie...

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