rechtskräftig: ja
Entscheidungsstichwort (Thema)
Dritter. Entreichungseinwand. Erstattungsanspruch. Geldinstitut. Konto. Rechtsschutzbedürfnis. Rentenzahlungen. Tod des Rentenberechtigten. Verfügungen. Verjährung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Rentenversicherungsträger kann Rentenzahlungen, die über den Tode des Rentenberechtigten hinaus fortlaufend auf das Konto eines Dritten überwiesen worden sind, von dem Dritten in der Höhe zurückfordern, in der sie sich auf Grund von Verfügungen des Dritten nicht mehr auf dem Konto vorhanden sind.
2. Hinsichtlich dieses Betrages bedarf es keines vorherigen Versuchs der Inanspruchnahme des Geldinstituts durch den Rentenversicherungsträger, so dass dessen Klage gegen den Dritten insoweit nicht das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
3. Der Dritte ist mit dem Entreicherungseinwand ausgeschlossen.
4. Die Vorschriften über Rücknahme und Widerruf vor Verwaltungsakten finden keine Anwendung.
5. Die sozialrechtlichen Vorschriften über die vierjährige Verjährung, beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Rentenleistungen zugeflossen sind, finden auf den Rückzahlungsanspruch des Rentenversicherungsträgers gegen den Dritten keine entsprechende Anwendung, insbesondere nicht § 45 Abs. 1 SGB I (Abweichung vom LSG Sachsen, Urteil vom 12.10.1999 – L 5 J 89/99, HVGB – Info 2000 S. 2105 ff.)
Normenkette
SGB I § 45 Abs. 1; SGB VI § 118 Abs. 3 (in derzum 29.06.2002 gültigen Fassung), Abs. 4 (in derzum 29.06.2002 gültigen Fassung); SGB X § 50
Verfahrensgang
SG Itzehoe (Urteil vom 17.07.2002; Aktenzeichen S 2 RA 1/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 17. Juli 2002 abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 193.143,57 Euro zu zahlen.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben sich die Beteiligten für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der klagenden Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) einen Betrag von 193.143,57 Euro zu erstatten hat, den die Klägerin nach dem Tode der Rentenberechtigten O. F. im März des Jahres 1981 als Renten auf das Girokonto der Beklagten bis einschließlich Juni 1999 weitergezahlt hatte.
Die Klägerin gewährte der am 7. März 1902 geborenen Mutter der Beklagten, Frau O. F., seit dem 1. August 1980 Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des am … 1899 geborenen und am … 1980 verstorbenen H. F.. Die Beklagte vertrat seinerzeit ihre Mutter, die Rentenberechtigte, gegenüber der Klägerin. Sie legte der Klägerin eine Generalvollmacht vor, nach der sie bevollmächtigt worden war, ihre Mutter in allen Angelegenheiten vor Gerichten und Behörden, zu vertreten. Die Vertretungsvollmacht erstreckte sich auf alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen, soweit eine Vertretung gesetzlich zulässig ist. Mit Datum vom 2. Oktober 1980 beantragte die Beklagte für ihre Mutter bei der Klägerin auf einem von dieser der Rentenberechtigten übersandten Formular – „Antrag auf unbare Zahlung” – die Zahlung der Rente auf ihr eigenes Konto bei der H. S.. Dabei unterschrieb sie folgende, auf dem Formular vorgedruckte Erklärung:
„Ich verpflichte mich, der Rentenrechnungsstelle nach Bewilligung der Leistung unverzüglich jede Veränderung der Verhältnisse, die Zahlung oder den Anspruch selbst beeinflusst, schriftlich mitzuteilen und überzahlte Beträge der Deutschen Bundespost zurückzuzahlen. Dazu beauftrage ich das jeweils kontoführende Geldinstitut mit Wirkung auch meinen Erben gegenüber, überzahlte Beträge der Deutschen Bundespost für Rechnung des Leistungsträgers zurückzuzahlen. Dieser Antrag mit dem vorstehenden Auftrag kann nur von mir – aber nicht von meinen Erben- bis zum 5. eines Monats für die darauffolgende Zahlung widerrufen oder geändert werden.”
In der mit – „Nur wichtig für die Überweisung auf das Konto eines Familienangehörigen” – überschriebenen Rubrik dieses Formulars gab sie im eigenen Namen als Kontoinhaberin folgende gleichfalls vorgedruckte weitere Erklärung ab:
„Ich verpflichte mich, auf Grund obigen Antrags überzahlte Beträge der Deutschen Bundespost zurückzuzahlen, und beauftrage dazu das jeweils kontoführende Geldinstitut mit Wirkung auch meinen Erben gegenüber, überzahlte Beträge der Deutschen Bundespost für Rechnung des Leistungsträgers zurückzuzahlen.”
Dieses Formular übersandt sie versehen mit einer Beglaubigung ihrer Unterschrift durch die Sparkasse mit einem Begleitschreiben vom 3. Oktober 1980 an die Klägerin und führte in letzterem dazu aus, dass sie die Übertragung des Kontos, auf das die Rentenzahlungen erfolgten, auf ihren Namen beantragt habe, weil ihre Mutter als ständig bettlägeriger Pflegefall in einer Altenpension lebe und aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, Unterschriften selbst vorzunehmen.
Die Rentenberechtigte verstarb am … 1981. Die Klägerin erhielt darüber ausweislich der vorliegenden Verwaltungsakten keine Mitteilung. Die Rentenzahlungen wurden in den...