Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. sachliche Berichtigung von Honorarforderungen. Verpflichtung zur Neubescheidung durch Gericht. lebensbedrohliche Erkrankung oder nachhaltig lebensverändernde Erkrankung iS von Nr 17 EBM-Ä. Begründung der Voraussetzungen über Diagnosenangabe hinaus
Leitsatz (amtlich)
1. Das Gericht kann in Verfahren betr die sachliche Berichtigung von Honorarforderungen von Vertragsärzten unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten von der beantragten Verurteilung zur Leistung absehen und die Kassenärztliche Vereinigung zur Neubescheidung verpflichten.
2. Zum Inhalt der Begriffe "bei nachhaltig lebensverändernder oder lebensbedrohender Erkrankung" iS von Nr 17 EBM.
3. Der Vertragsarzt kann im Einzelfall gehalten sein, das Vorliegen dieser Voraussetzungen über die Angabe der Diagnose hinaus näher zu begründen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 15. Juni 1999 geändert.
Unter Abänderung des Honorarbescheides der Beklagten für das Quartal I/96 und des Bescheides vom 7. Juni 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. September 1997 wird die Beklagte verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats über die Honorierung der Nr. 17 EBM neu zu entscheiden.
Die Beklagte hat dem Kläger 1/5 seiner außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten, der Kläger der Beklagten 4/5 ihrer Kosten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, in welchem Umfang die Beklagte dem Kläger die von diesem angesetzte Nummer 17 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) zu honorieren hat.
Der Kläger ist als Urologe in F... niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Zur Honorarabrechnung des Quartals I/96 teilte die Beklagte ihm unter dem 7. Juni 1996 mit, der Ansatz der Nummern 17 und 18 EBM 1996 könne nicht nachvollzogen werden. Der Kläger habe diese Gebührenordnungspositionen 264mal abgerechnet, was nachhaltige Zweifel daran entstehen lasse, ob der Leistungsinhalt tatsächlich in jedem einzelnen Fall vollinhaltlich erbracht worden sei. Dies sei der Grund für die Rücksendung der Behandlungsausweise an ihn und Rückstellung der Abrechnung der Nummern 17 und 18 EBM mit der Bitte um Überprüfung der Rechnungslegung und ggf. Neuvorlage der Abrechnungsscheine mit entsprechender Begründung, daß der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden sei. Der Kläger sandte die Behandlungsscheine an die Beklagte zurück mit zum Teil handschriftlichen Anmerkungen darauf, im wesentlichen "lebensverändernde Erkrankung, lebensbedrohende übertragbare Virusinfektion, nachhaltig lebensmindernd". Die Beklagte holte eine Stellungnahme von Dr. R... ein, erkannte in 3 Fällen den Widerspruch als begründet an und wies ihn im übrigen zurück (Widerspruchsbescheid vom 19. September 1997). Zur Begründung führte sie aus, "nachhaltig lebensverändernd" als Bestandteil der Legende der Nummer 17 sei mit "lebensbedrohlich" vergleichbar. Erfaßt würden solche Erkrankungen, die durch ihren chronischen Verlauf oder eine ungünstige oder unabänderliche Prognose dazu zwängen, über schwerwiegende Konsequenzen im familiären, beruflichen oder gesellschaftlichen Leben nachzudenken und ggf. tiefgreifende Änderungen in der Lebensplanung und -gestaltung vorzunehmen. Es genüge nicht, wenn eine Krankheit eine starke Veränderung in der Lebensführung des Patienten mit sich bringe. Die in den Behandlungsscheinen angegebenen Diagnosen "unklare Störung, Phimose (OP im gleichen Quartal), Reizblase, rezidivierende Hämaturie, Proteinurie und Nachsorge, Potenzstörung und Fertilisationsstörung" reichten ohne weitere Erläuterungen nicht aus. Die handschriftlichen Zusatzvermerke "lebensbedrohend" bzw. "lebensverändernd" änderten daran nichts. Der Ansatz der Nummer 17 EBM sei auch bei Angabe einer Diagnose, die auf eine lebensbedrohliche Erkrankung schließen lasse, dann nicht plausibel, wenn gleichzeitig die Nummer 19 EBM in Ansatz gebracht werde, da der Ansatz dieser Gebührenposition darauf schließen lasse, daß es sich bei dem Patienten um einen erheblich kommunikationsgestörten Kranken handele. Aufgefallen sei zudem, daß die Nummer 17 EBM nahezu durchgängig im engen zeitlichen Zusammenhang mit Vorsorgeabrechnungsnummern in Ansatz gebracht worden sei. Zur vollständigen Leistungserbringung der Vorsorge gehörten die Anamneseerhebung, die Untersuchung und das abschließende Gespräch mit dem Patienten über die erhobenen Befunde und die daraus notwendigen Konsequenzen. Nur im Ausnahmefall und aufgrund einer besonderen Begründung könne der Ansatz der Nummer 17 EBM neben Vorsorgeleistungen plausibel sein. Der Ansatz der Nummer 17 EBM im nahen Umfeld von Operations- und technischen Untersuchungsleistungen sei unzulässig, da fester Bestandteil der entsprechenden Abrechnungsnummern dieser Leistungen. Der Ansatz der Nummer 17 im zeitlichen Zusammenhang mit der Nummer 180 EBM sei ebenfal...