Entscheidungsstichwort (Thema)
Landwirtschaftliche Unfallversicherung. forstwirtschaftliches Unternehmen. Forstgrundstück. Nutzungsrecht. fehlende Bewirtschaftung. forstwirtschaftliche Tätigkeit. widerlegte Vermutung: Flora-Fauna-Habitat-Gebiet. Feucht- und Sumpfwald. Biotop. denkmalgeschütztes Wassermühlengrundstück
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Unternehmen der Forstwirtschaft liegt vor bei einem Nutzungsrecht an einem Forstgrundstück, also einem Waldgrundstück, das die Gewinnung von Forsterzeugnissen ermöglicht.
2. Wegen der die Forstwirtschaft prägenden langen Bewirtschaftungszeiträume besteht die - widerlegbare - Vermutung, dass bei bestehenden Nutzungsrechten an forstwirtschaftlichen Flächen auch bei im Einzelfall fehlenden konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen eine forstwirtschaftliche Tätigkeit und damit die Eigenschaft des Nutzungsberechtigten als forstwirtschaftlicher Unternehmer gegeben ist.
3. Die Vermutung der forstwirtschaftlichen Betätigung auf der Fläche der Klägerin ist widerlegt; denn die Flächen mit Baumbestand sind Teil des Managementplans eines Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Gebietes. Als Feucht- und Sumpfwald ist die Fläche als Biotop nach § 30 BNatSchG iVm § 21 NatSchG SH gesetzlich geschützt; dort kann keine forstwirtschaftliche Nutzung erfolgen.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 7. Dezember 2012 und der Bescheid der Beklagten vom 24. November 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2010 sowie der Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2013 aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufnahme in die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft (seinerzeit: Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Schleswig-Holstein und Hamburg) sowie die Beitragserhebung.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines 5.471 m² großen Grundstücks in der Gemarkung S___, Flur 007, Flurstück 72/51. Bei dem Gebäude auf dem Grundstück handelt es sich um die Wassermühle in S___. Sie ist seit dem 17. Dezember 2004 als Kulturdenkmal in das Denkmalbuch für Kulturdenkmale aus geschichtlicher Zeit eingetragen. Der Denkmalschutz erstreckt sich auf das Äußere des gesamten Mühlengebäudes mit angefügtem Müllerwohnhaus, das Stauwehr und den Mühlendamm, die zugehörigen Nebengebäude sowie den gesamten Hofplatz. Nach Mitteilung des Kreises Schleswig-Flensburg als Untere Denkmalschutzbehörde vom 17. Dezember 2004 ist eine forstwirtschaftliche Nutzung denkmalpflegerisch nicht denkbar. Veränderungen auch in der Umgebung, die geeignet seien, den Eindruck wesentlich zu beeinträchtigten, bedürften der Genehmigung.
Das Grundstück besteht aus ca. 788 m² des S___er Mühlenstroms, einer bewaldeten Fläche nördlich des S___er Mühlenstroms mit ca. 920 m², einer mit Gebäuden bebauten und mit Feldsteinen gepflasterten Hoffläche von ca. 1680 m², eines Baumbestandes südlich des Mühlenbaches - an diesen unmittelbar angrenzend - von ca. 620 m² und einer Gartenfläche, bestehend aus Rasen, zwei Terrassen, Wegflächen und Ziergehölzen im südwestlichen Teil des Grundstücks von ca. 1450 m². Bezüglich der Einzelheiten der Zuordnungen wird auf die in der Gerichtsakte befindlichen Lagepläne, Katasterauszüge und Luftbildaufnahmen Bezug genommen.
Die Flächen mit Baumbestand im nördlichen Teil des Grundstücks, die nördlich und südlich unmittelbar an den S___er Mühlenstrom angrenzen, sind Teil des Managementplans des F___ Fa___ H___ (FFH)-Gebiets 1219-391 “Gewässer des B___ Kanalsystems Teil 1„. Als Feucht- und Sumpfwald ist die Fläche als Biotop nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) i.V.m. § 21 Landesnaturschutzgesetz (LNatSchG) gesetzlich geschützt.
Ursprünglich bestanden nach einem Auszug aus dem Liegenschaftskataster vom 30. November 2012 folgende grundstücksbezogene Zuweisungen: 768 m² Graben, 2.861 m² Laubholz, 56 m² Weg und 1.786 Wohnbaufläche. Nach einem Überprüfungsantrag der Klägerin beim Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume erfolgte eine Korrektur des Liegenschaftskatasters. Nach einem am 4. April 2013 erstellten Auszug untergliedert sich das Grundstück der Klägerin in 768 m² Graben, 2.235 m² Grünanlage, 626 m² Laubholz, 56 m² Weg und 1.786 m² Wohnbaufläche.
Nach Anhörung der Klägerin nahm die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 24. November 2009 als Versicherte auf. Mit einem Grundwert von 15 Berechnungseinheiten und 0,28 flächenbezogenen Berechnungseinheiten (Forst) setzte die Beklagte einen Jahresbeitrag für das Umlagejahr 2008 in Höhe von 57,76 EUR fest.
Die Klägerin legte am 4. Dezember 2009 Widerspruch ein. Sie trug vor, dass das Grundstück direkt am Wasser im Wasserschutzgebiet liege, der Boden schlickig, feucht und nicht begehbar sei. Zudem handele es sich um ein Gartengrundstück.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2010 zurück. Die Klägerin sei Eigentümerin eines 0,286 ha großen Grundstücks und es sei festgestellt worde...