Entscheidungsstichwort (Thema)
Landwirtschaftliche Unfallversicherung. Beitrags- und Versicherungspflicht. forstwirtschaftliches Unternehmen. Nutzungsrecht an Forstgrundstück. forstwirtschaftliche Betätigung. widerlegte Vermutung: Naturschutzgebiet. Waldgrundstück
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Unternehmen der Forstwirtschaft liegt vor bei einem Nutzungsrecht an einem Forstgrundstück, also einem Waldgrundstück, das die Gewinnung von Forsterzeugnissen ermöglicht.
2. Es ist weder eine bestimmte Mindestgröße noch ein bestimmtes Mindestmaß an Arbeitsaufwand erforderlich.
3. Wegen der die Forstwirtschaft prägenden langen Bewirtschaftungszeiträume besteht die - widerlegbare - Vermutung, dass bei bestehenden Nutzungsrechten an forstwirtschaftlichen Flächen auch bei im Einzelfall fehlenden konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen eine forstwirtschaftliche Tätigkeit und damit die Eigenschaft des Nutzungsberechtigten als forstwirtschaftlicher Unternehmer gegeben ist.
4. Die Vermutung der forstwirtschaftlichen Betätigung ist widerlegt, wenn das Grundstück in einem Naturschutzgebiet liegt und dort eine forstwirtschaftliche Nutzung des Waldgebietes ausgeschlossen ist.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 27. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Unfallversicherung als forstwirtschaftlicher Unternehmer und über die Rechtmäßigkeit erhobener Beiträge für die Jahre 2008 und 2009.
Der Kläger ist Eigentümer einer 0,1285 ha großen Fläche der Gemarkung K___ N___, Flur 004, Flurstück 273/171. Die mit Bäumen bewachsene Fläche liegt im Naturschutzgebiet “L___ Ka___„. Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger unter dem 30. November 2009 mit, dass diese Fläche im Naturschutzgebiet liege und eine Nutzung daher nicht möglich sei.
Am 1. Juli 2010 erließ die Beklagte (seinerzeit: Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Schleswig-Holstein und Hamburg) einen Aufnahmebescheid zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Sie teilte mit, dass für die Veranlagung des Klägers zur gesetzlichen Unfallversicherung eine Fläche von 0,12 ha zu berücksichtigen sei. Aus der Anlage zu diesem Bescheid ergab sich für das Jahr 2008 ein Beitrag von 57,76 EUR und für das Jahr 2009 von 57,44 EUR.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 14. am 16. Juli 2010 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 13. September 2010 mit der Begründung zurückgewiesen wurde, der Kläger sei nutzungsberechtigter Eigentümer einer mit Bäumen bestandenen Waldparzelle. Daher bestehe die Vermutung, dass er auf dieser Fläche forstwirtschaftlich tätig sei. Die Absicht, auf einer bestimmten forstwirtschaftlichen Fläche keine forstwirtschaftliche Tätigkeit zu entfalten, ändere an dieser Eigenschaft nichts. Unerheblich sei auch, ob zeitweise über mehrere Jahre keine forstlichen Arbeiten anfielen bzw. jahrzehntelang kein Nutzen aus der Fläche gezogen werde.
Der Kläger hat am 8. Oktober 2010 Klage erhoben und darauf hingewiesen, dass an seinem Waldgrundstück tatsächlich keine Nutzung zulässig sei, weil dieses im Naturschutzgebiet “L___ Ka___„ liege. In diesem Gebiet sei eine forstwirtschaftliche Nutzung und die Entnahme von Pflanzenteilen verboten. Dies habe ihm die Naturschutzbehörde des Kreises P___ auch bestätigt.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 1. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2010 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Vermutung, dass der Kläger forstwirtschaftlicher Unternehmer sei, sei nicht hinreichend widerlegt. Die Verordnung über das Naturschutzgebiet L___ Ka___ verlange lediglich, Störeinflüsse auszuschließen bzw. zu minimieren. Vor- und nachsorgende Maßnahmen seien erlaubt. Außerdem seien nach § 6 dieser Verordnung Ausnahmen und Befreiungen möglich.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 27. Juni 2012 den Bescheid der Beklagten vom 1. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2010 aufgehoben und ausgeführt, der Kläger habe glaubhaft vorgetragen, dass keinerlei Bewirtschaftung der Waldfläche zur Gewinnung von Forsterzeugnissen erfolge. Die Kammer verkenne nicht, dass wegen der die Forstwirtschaft prägenden langen Bewirtschaftungszeiträume die widerlegbare Vermutung bestehe, dass bei im Einzelfall fehlenden konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen eine forstwirtschaftliche Tätigkeit und damit die Eigenschaft des Nutzungsberechtigten als forstwirtschaftlicher Unternehmer gegeben sei. Während bei den so genannten Nachhaltsunternehmen jedes Jahr schlagreifes Holz geerntet werde, geschehe dies bei den so genannten aussetzenden Unternehmen nur in mehrjährigen Zwischenräumen, wobei sich die Zeiten ohne Anbau und Einschlag von Holz über Jahrzehnte hinziehen könnten. Die Vermutung der Eigenschaft eines Nutzungsberechtigten als forstwirtschaftl...