Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Eröffnung einer Nachfrist bei der Beantragung von Insolvenzgeld
Orientierungssatz
1. Bei versäumter Antragsfrist zur Gewährung von Insolvenzgeld nach § 183 SGB 3 kommt die Eröffnung einer Nachfrist gemäß § 324 Abs. 3 S. 3 SGB 3 nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer die Versäumung der Antragsfrist nicht zu vertreten hat. Das Verschulden seines Bevollmächtigten ist dem Arbeitnehmer zuzurechnen.
2. Auch bei einem eingeschränkten Mandat bestehen Warnpflichten, wenn der Anwalt während der Bearbeitung eines Mandats Kenntnis von einer Ausschlussfrist unterliegenden Ansprüchen erlangt (BGH Urteil vom 09. Juli 1998, IX ZR 324/97). Das Mandat "Insolvenz" ist nicht ausschließlich auf die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle begrenzt.
3. Im Übrigen hat sich der Antragsteller selbst im Rahmen des Mandatsverhältnisses um umfassenden Rechtsrat zur Durchsetzung seiner Ansprüche zu bemühen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Itzehoe vom 5. Februar 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Insolvenzgeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).
Die 1978 geborene Klägerin stand vom 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2010 in einem Beschäftigungsverhältnis als Raumpflegerin bei der Firma K... in A... Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Elmshorn, Az. .../10, verpflichtete sich der Arbeitgeber am 7. Januar 2011 in einem Vergleich zur Zahlung von Insolvenzgeldesamt 1.600,00 EUR netto. Am 21. Februar 2011 wurde über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet.
Am 14. Juli 2011 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei der Beklagten für die Monate September bis Dezember 2010 die Gewährung von Insolvenzgeld in Höhe von jeweils netto 400,00 EUR. Auf Nachfrage der Beklagten erklärte der Prozessbevollmächtigte, dass seine Zwangsvollstreckungsabteilung mit der Beitreibung der Forderung beauftragt war, im Rahmen des Beitreibungsverfahrens Kenntnis von der Insolvenz erhalten und die Forderung am 11. März 2011 bei dem Amtsgericht Meldorf, Az. …/11) angemeldet habe. Mit Bescheid vom 1. August 2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, die Klägerin bzw. ihr Anwalt habe ausweislich der Anmeldung zur Insolvenztabelle bereits am 11. März 2011 Kenntnis von der Insolvenz gehabt. Nach § 324 Abs. 3 SGB III sei der Insolvenzgeldantrag jedoch innerhalb von 2 Monaten nach dem Insolvenztag zu stellen. Der Antrag vom 14. Juli 2011 sei mithin verspätet.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erhob Widerspruch und führte aus, dass ein Mandatsverhältnis lediglich in Bezug auf die Beitreibung der streitgegenständlichen Forderung, nicht aber in Bezug auf die Stellung eines Antrages auf Insolvenzgeld bestanden habe. Mit Schreiben vom 2. März 2011 habe der Insolvenzverwalter Rechtsanwalt H... mitgeteilt, dass über das Vermögen des K... das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Die Klägerin habe bis zur Mitteilung durch einen Kollegen des Büros der Zwangsvollstreckungsabteilung keine Kenntnis vom entsprechenden Insolvenzverfahren gehabt. Die Kenntnisse der Zwangsvollstreckungsabteilung des Rechtsanwaltes von der Insolvenz seien ihr - der Klägerin - aufgrund des begrenzten Mandatsverhältnisses nicht zuzurechnen.
Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 4. August 2011 zurück. Bei der Beurteilung, ob der Arbeitnehmer die Fristversäumnis zu vertreten habe, sei ihm das Verschulden bzw. die Kenntnis seines Bevollmächtigten zuzurechnen. Gerade in Fällen, in denen der Bevollmächtigte mit der Durchsetzung von Arbeitsentgeltansprüchen beauftragt sei, sei es dem Arbeitnehmer - hier der Klägerin - zuzurechnen, wenn der Prozessbevollmächtigte sie nicht darauf hinweise, dass ein Antrag auf Insolvenzgeld zu stellen sei.
Die Klägerin hat am 11. August 2011 Klage bei dem Sozialgericht Itzehoe erhoben und zur Begründung vorgetragen: Sie habe im arbeitsgerichtlichen Verfahren einen Titel gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber erstritten und ihren Bevollmächtigten im Weiteren beauftragt, die Zwangsvollstreckung hinsichtlich ihrer rückständigen Lohnforderungen zu betreiben. Die Geltendmachung von Insolvenzgeldansprüchen gegenüber der Beklagten sei nicht Gegenstand des Auftrages gewesen. Erst am 8. Juli 2011 habe sie ihrem Prozessbevollmächtigten eine Vollmacht zur Geltendmachung des Insolvenzgeldes (“wegen Insolvenzgeld„) erteilt.
Die Klägerin hat beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 1. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2011 aufzuheben
2. die Beklagten zu verurteilen, ihr Insolvenzgeld nach dem Insolvenzfall K..., A..., auf ihren Antrag vom 14. Juli 2011 hin zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sich die Beklagte auf die Ausführungen in den angefochtene...