Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzgeldanspruch. Versäumung der Antrags- bzw Ausschlussfrist. keine Einräumung einer Nachfrist. Beratungsverschulden des Rechtsanwalts. Mandatsverhältnis. Verschuldenszurechnung
Orientierungssatz
1. Die dem Rechtsanwalt erteilte Bevollmächtigung zur Stellung eines Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, umfasst auch die Verpflichtung, den Arbeitnehmer über die Frist zur Stellung eines Antrages auf Insolvenzgeld zu informieren.
2. Die Falschauskunft des Rechtsanwalts zur Ausschlussfrist des § 324 Abs 3 SGB 3, begründet ein Beratungsverschulden, das sich der Antragsteller wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss, weil die Beratungspflicht aus dem konkreten Mandatsverhältnis herrührt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 6. November 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Insolvenzgeld.
Der am ... . ... 1986 geborene Kläger war vom 1. Juli 2010 bis zu seiner Eigenkündigung zum 15. Januar 2011 als Werbekaufmann bei der C. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH in Q. vollzeitbeschäftigt. Nachdem der Kläger für den Monat Dezember 2010 erstmalig keine Arbeitsvergütung von seiner vormaligen Arbeitgeberin erhalten hatte (mit Ausnahme einer Abschlagszahlung in Höhe von 500,00 EUR netto), strengte er vor dem Arbeitsgericht Neumünster gegen diese eine Klage auf Zahlung der - restlichen - Vergütung für Dezember 2010 sowie auf Zahlung des für den Zeitraum vom 1. bis zum 15. Januar 2011 geschuldeten Arbeitslohns an. Das Klagverfahren endete durch Erlass eines antragsgemäßen Versäumnisurteils gegen die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers.
Mit Schreiben vom 28. Februar 2011 stellte der Kläger, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. R. J. , gegenüber dem Amtsgericht Neumünster den Antrag, über das Vermögen seiner vormaligen Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren zu eröffnen, da diese zahlungsunfähig sei. Mit Beschluss vom 20. Juli 2011 wies das Amtsgericht Pinneberg - an welches der klägerische Insolvenzantrag verwiesen worden war - den Insolvenzantrag des Klägers (sowie auch den weiteren von der AOK NordWest gestellten Insolvenzantrag) mangels Vorhandensein einer verwertbaren Insolvenzmasse ab. Der Beschluss ging dem Bevollmächtigten des Klägers, dem Rechtsanwalt Dr. J. , am 13. August 2011 zu.
Am 5. Oktober 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 1. Dezember 2010 bis zum 15. Januar 2011, wobei er das ihm von der C. Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH geschuldete Bruttoarbeitsentgelt mit 2.760,54 EUR für den Monat Dezember 2010 und mit 1.380,27 EUR für die erste Hälfte des Januar 2011 angab. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2011 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er die für die Anbringung eines Insolvenzgeldantrages geltende zweimonatige gesetzliche Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis versäumt habe; diese erstrecke sich vorliegend auf den Zeitraum vom 21. Juli bis zum 20. September 2011. Um prüfen zu können, ob dem Kläger eine Nachfrist zur Antragstellung gewährt werden könne - was nach § 324 Abs. 3 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) geschehe, falls die Frist von dem Kläger aus Gründen, die er nicht zu vertreten habe, versäumt worden sei -, bitte man um Darlegung dazu, weshalb der Antrag außerhalb der Antragsfrist gestellt worden sei. Der Kläger führte dazu mit Schreiben vom 28. Oktober 2011 aus, dass ihm die zweimonatige Antragsfrist faktisch nicht zur Verfügung gestanden habe, da sein Rechtsanwalt ihn erst nach dem 6. September 2011 - zu diesem Datum habe sein Urlaub geendet - von der Ablehnung des Insolvenzantrages durch das Amtsgericht Pinneberg habe in Kenntnis setzen können.
Mit Bescheid vom 24. bzw. 25. November 2011 (unterschiedliche Datenangaben auf Akten- und Ausfertigungsexemplar) lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Insolvenzgeld ab. Der Kläger habe die gesetzliche Antragsfrist von zwei Monaten versäumt. Eine Nachfrist könne ihm nicht eingeräumt werden, da dem Kläger von dem Zeitpunkt des Zugangs des Beschlusses des Amtsgerichts Pinneberg über die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei seinem Rechtsanwalt an bis zum Ablauf der gesetzlichen Antragsfrist noch fünfeinhalb Wochen zur Verfügung gestanden hätten, um den Antrag auf Insolvenzgeld zu stellen. In diesem Zeitraum wäre die Anbringung des Antrags möglich gewesen. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Kläger durch Stellung des Insolvenzantrages das Insolvenzereignis selbst herbeigeführt habe, sei er zudem gehalten gewesen, sich in angemessenen Zeitabständen über den Verfahrensstand zu informieren.
Am 22. Dezember 2011 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid...