Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütungsanspruch. Leistungen nach Nr. 19 EBM-Ä (Erhebung der Fremdanamnese) durch Arzt für Anästhesie im Zusammenhang mit der Durchführung von Narkosen. Auslegung der Leistungslegende. Vertragsärztliches Honorar. Zahl der Arzt-Patienten-Kontakte. Kontinuierliche Betreuung. Erhebliche Kommunikationsstörung. Begründung der Abrechnung im Einzelfall

 

Leitsatz (amtlich)

Ärzte für Anästhesie sind nicht allgemein von der Abrechenbarkeit von Leistungen nach Nr. 19 EBM-Ä (Erhebung der Fremdanamnese) ausgeschlossen.

 

Normenkette

SGB V § 85 Abs. 4; EBM-Ä Nrn. 19, § 19

 

Verfahrensgang

SG Kiel (Urteil vom 01.12.2004; Aktenzeichen S 15 KA 3/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden dasUrteil des Sozialgerichts Kiel vom 1. Dezember 2004 aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2002 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für das Quartal III/01 die nach der Nr. 19 EBM-Ä abgerechneten Leistungen nachzuvergüten.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte bei der Honorarabrechnung des Klägers für das Quartal III/01 zu Recht eine sachlich-rechnerische Berichtigung der Abrechnung der Nr. 19 (Erhebung der Fremdanamnese) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) vorgenommen und das Honorar entsprechend reduziert hat.

Der Kläger ist als Facharzt für Anästhesiologie mit Praxissitz in G. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Schreiben vom 15. März 2001 wies die Beklagte ihn darauf hin, dass der prozentuale Anteil der Abrechnung der Nr. 19 EBM-Ä bei ihm bei 44,4 %, bei der Vergleichsgruppe bei 2 % liege; möglicherweise werde die Leistungslegende von dem Kläger fehl interpretiert. Es folgte eine Beschreibung der Voraussetzungen der Leistungslegende. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2001 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass sich an seinem Abrechnungsverhalten hinsichtlich der Nr. 19 EBM-Ä nichts geändert habe und dass deshalb im Quartal II/01 für diese Ziffer, ebenso wie für die Nrn. 63 ff. EBM-Ä eine nachträgliche sachlich-rechnerische Berichtigung vorgenommen werde.

Mit Schreiben (Bescheid) vom 9. Januar 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass nach Prüfung der von ihm eingereichten Abrechnungsunterlagen für das Quartal III/01 die Nr. 19 EBM-Ä 61mal unberücksichtigt gelassen werden müsse, außerdem würden die Leistungen nach den Nrn. 63 ff. EBM-Ä (in dem Schreiben im Einzelnen dargelegt; diese Kürzung hat sich inzwischen erledigt) teilweise unberücksichtigt gelassen. Insoweit werde auf das Schreiben vom 5. Oktober 2001 hingewiesen.

Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch trug der Kläger hinsichtlich der Nr. 19 EBM-Ä im Wesentlichen vor: Eine Begründung für die Kürzung dieser Ziffer werde nicht gegeben. Soweit in dem Schreiben vom 5. Oktober 2001, auf das verwiesen werde, bemerkt werde, er habe die Nr. 19 EBM-Ä „weit über Fachgruppendurchschnitt abgerechnet”, könne dies keine Begründung für eine sachlich-rechnerische Berichtigung sein. Das Schreiben enthalte keinerlei Begründung, weshalb die Leistungslegende nicht erfüllt sein solle.

Die Beklagte leitete daraufhin im Widerspruchsverfahren eine Einzelfallprüfung ein. Sie wies den Kläger darauf hin, dass er die Abrechnungsscheine jeweils mit einer Vielzahl von Diagnosen versehen habe, die immer sehr stereotyp gehalten seien. Beispielsweise würden „phobische Störungen, Intelligenzminderung, Störung des Sozialverhaltens” und daneben meist zahnärztliche Diagnosen aufgelistet. Im Abrechnungsfeld werde die Nr. 19 EBM-Ä zumeist noch mit „geistige Behinderung” begründet. Ihr Prüfarzt habe in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen, ob die Patienten möglicherweise aus einem Heim für geistig Behinderte stammten. Auch dies unterstellt, habe er dargelegt, dass sich aus den Angaben auf den Behandlungsscheinen dennoch nicht klar erkennen lasse, ob es sich tatsächlich um erheblich kommunikationsgestörte Patienten im Sinne der Leistungslegende der Nr. 19 EBM-Ä handele, insbesondere, weil nicht jeder geistig Behinderte automatisch kommunikationsgestört im Sinne der Nr. 19 EBM-Ä sei. In diesem Zusammenhang bat sie den Kläger um nähere Begründung, insbesondere auch durch entsprechende handschriftliche Anmerkungen jeweils direkt auf den ihm in Kopie vorgelegten Scheinen. Der Kläger nahm daraufhin handschriftlich Ergänzungen auf den Abrechnungsbögen vor; insoweit wird auf die Beiakte „SKT” verwiesen.

Die Beklagte ließ die ergänzten Abrechnungsbögen durch ihren Prüfarzt auswerten und wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2002 zurück. Eine Einzelfallprüfung unter Beteiligung des zuständigen beratenden Arztes habe ergeben, dass die Nr. 19 EBM-Ä in den beanstandeten Behandlungsfällen nicht habe in Ansatz gebracht werden dürfen. Die genannte Leistungsziffer könne nach Auffassung ihres Vorstandes grundsätzl...

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