Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungspflicht als Ehegatte eines Landwirts. Gewinnerzielungsabsicht. Landwirtschaft als Liebhaberei. Alterssicherung der Landwirte
Leitsatz (amtlich)
1. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Ausnahmeregelung des § 1 Abs 7 ALG das Ziel, solche Personen nicht in die Versicherung in der Alterssicherung der Landwirte einzubeziehen, die die Landwirtschaft als Liebhaberei betreiben. Diese Ausnahmeregelung ist restriktiv auszulegen.
2. Beim Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht handelt es sich um ein rechtshinderndes negatives Tatbestandsmerkmal, dessen Nichterweislichkeit zu Lasten desjenigen geht, der sich darauf beruft. Immer dann also, wenn der Nachweis des Fehlens der Gewinnerzielungsabsicht nicht erbracht werden kann, muss es bei der gesetzlichen Vermutung verbleiben, dass derjenige, der landwirtschaftliche Flächen bewirtschaftet, die die Mindestgröße überschreiten, auch Landwirt iS des § 1 Abs 2 ALG ist.
Normenkette
ALG § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 3 S. 1, Abs. 5, 7, § 3
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 16. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Beitrags- und Versicherungspflicht der Klägerin in der Alterssicherung der Landwirte in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis 31. März 2009.
Die ...1952 geborene Klägerin ist die Ehefrau des als Techniker bei einer Wohnungsbaugesellschaft in Vollzeit abhängig beschäftigten G... F..., der seit Mai 2006 über gepachtete Bodenflächen von mindestens 15 ha Grünland und sonstige Flächen verfügte und seitdem auf dem Grünland bis 2009 durchschnittlich 20 bis 23 Rinder inklusive Kälber hielt und jährlich Tiere verkaufte. In den Pachtverträgen verpflichtete er sich, die Pachtfläche in landwirtschaftlicher Nutzung zu halten. In den Jahren 2006 bis 2009 nahm er staatliche Fördergelder für Landwirte in Höhe von 2.063,58 EUR, 2.063,57 EUR und 818,01 EUR und die Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Zugmaschinen für seinen Trecker - daneben verfügte er über ein Mähwerk und einen Wender - in Anspruch. Seine sozialversicherungspflichtigen Einkünfte aus dem Beschäftigungsverhältnis beliefen sich auf über 36.000,00 EUR jährlich. Aufgrund dieser Einkünfte aus abhängiger (Haupt-)Beschäftigung war der Ehemann der Klägerin von der Beitragspflicht zur Beklagten befreit. Die Gewinne aus Landwirtschaft wurden in den Einkommenssteuerbescheiden 2007 und 2008 zunächst im Wege einer pauschalen Gewinnermittlung durch Durchschnittssätze gemäß § 13a Einkommenssteuergesetz (EStG) ermittelt. Auf seinen Einspruch vom 30. Oktober 2009 hin wurden Einkünfte aus Landwirtschaft in den geänderten Bescheiden für 2007 und 2008 nicht mehr berücksichtigt. Grundlage dafür waren die vom Landwirtschaftlichen Buchführungsverband nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelten Ergebnisse anhand der erstellten Einnahmen-Überschuss-Rechnungen der Jahre 2006/2007 und 2008/2009. Ab dem 1. April 2009 reduzierte der Ehemann der Klägerin seine Pachtflächen auf 5,95 ha.
Die Klägerin arbeitete in dem hier streitigen Zeitraum als geringfügig beschäftigte Busfahrerin und bezog ein jährliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 4.800,00 EUR. Aufgrund dieser geringen Einkünfte war die Klägerin nicht aus dieser Tätigkeit sozialversichert (u. a. zur gesetzlichen Rentenversicherung). Ihr Rentenversicherungsverlauf wies aus anderen Zeiten zum 14. Juli 2007 insgesamt 69 Kalendermonate anrechenbare Beitragszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung aus.
Mit Schriftsatz vom 20. März 2008 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. März 2009 ab mit der Begründung, dass eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Ehegatte eines landwirtschaftlichen Unternehmers gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) aufgrund des Erzielens von außerlandwirtschaftlichen Einkünften nur möglich sei, wenn Arbeitsentgelt von mehr als 4.800,00 EUR im Jahr bezogen werde. Dies sei bei ihr nicht der Fall. Im Übrigen komme eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht in Betracht, da die von ihr geltend gemachten Voraussetzungen nach § 3 Abs. 3 ALG nicht erfüllt seien. Ihr Versicherungsverlauf weise 69 Kalendermonate anrechenbare Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung auf. Beiträge in der landwirtschaftlichen Alterskasse könnten von ihr in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis 30. September 2018 (Erreichen der Regelaltersgrenze am 8. September 2018) für insgesamt 149 Kalendermonate erworben werden, so dass die Wartezeit von 15 Jahren (180 Kalendermonate) noch erfüllt werden könne. Damit eine Aufnahme ab dem 1. Mai 2006 erfolgen könne, werde um Rücksendung des beigefügten Antrages auf Beitragszuschuss mit den entsprechenden Einkommensunterlagen gebeten.
Hiergegen legte die Klägerin am 27. März 2009 Widerspruc...