Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Aufsichtsmaßnahme. Anhörung. Nachholung. Kostenübernahme von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden bzw neuen Heilmitteln. Begründung des Verpflichtungsbescheides
Orientierungssatz
1. Der Wortlaut des § 24 Abs 1 SGB 10 erfordert zwar eine Anhörung nur zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen. Es ist jedoch in jedem Fall angezeigt und kann in Einzelfällen notwendig sein, dem Adressaten des Verwaltungsaktes auch Gelegenheit zur Stellungnahme zu den rechtlichen Hintergründen zu geben. Dies gilt insbesondere, wenn die Auseinandersetzung insgesamt die komplexe rechtliche Frage zum Gegenstand hat, in welchem Umfang eine Krankenkasse eine Leistungserstattung regeln und hierfür werbend auftreten darf.
2. Zur Nachholung einer unterbliebenen Anhörung.
3. Die Gesetzeslage beinhaltet ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und schließt es aus, Leistungen vor einer Anerkennung durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen oder abzurechnen. Vom Bundesausschuss negativ beurteilte Methoden sind erst recht unzulässig (vgl ua BSG vom 28.3.2000 - B 1 KR 11/98 R = SozR 3-2500 § 135 Nr 14). Entsprechendes gilt für die Verordnung von Heilmitteln, für die § 138 SGB 5 Empfehlungen des Bundesausschusses vorsieht (vgl BSG vom 19.3.2002 - B 1 KR 36/00 R = SozR 3-2500 § 138 Nr 2).
4. Im Rahmen eines Verpflichtungsbescheides ist die Aufsichtsbehörde lediglich gehalten, die Rechtslage im Allgemeinen darzulegen.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Aufsichtsmaßnahme. Dabei geht es darum, in welchem Ausmaß die Klägerin Kosten für einzelne Leistungen erstatten und werbend für diese Erstattungen auftreten darf.
Die Klägerin ist am 1. Januar 1997 aus einer Zusammenlegung der Betriebskrankenkassen (BKK) T L und R. hervorgegangen.
1997 überprüfte die Beklagte das Leistungsverhalten der Klägerin im Rahmen einer Sonderprüfung. Mit Schreiben vom 15. Dezember 1997 teilte sie der Klägerin mit, Leistungen der Homöopathie, der Anthroposophie (Heileurythmie, künstlerische Therapien, Sprachgestaltung, Musiktherapie, Maltherapie, plastischtherapeutisches Gestalten, rhythmische Massage) sowie Eigenblutbehandlung, Sauerstofftherapie, Colon-Hydro-Therapie, UVB, hämatogene Oxydationstherapie, ausleitende Verfahren, Symbioselenkung und Neuraltherapie dürften nur gewährt werden, soweit sie Vertragsleistungen seien und der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in den NUB-Richtlinien Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben habe. Darüber hinaus sei die Gewährung außervertraglicher Leistungen nach den vom Bundessozialgericht in den Urteilen vom 16. September 1997 entwickelten Grundsätzen zu den sogenannten Außenseitermethoden möglich. Diese Grundsätze stellte die Beklagte dar. Die von der Klägerin herausgegebenen und verwendeten Publikationen müssten auf die sich daraus ergebenden Einschränkungen hinweisen. Die Klägerin müsse gegen jede fehlerhafte Information über ihr Leistungsverhalten vorgehen, evtl. durch Einleiten zivilrechtlicher Schritte, und den betreffenden Herausgebern die weitere Veröffentlichung untersagen. Mit Schreiben vom 14. Mai 1998 beriet die Beklagte die Klägerin weitergehend. Sie führte aus, die Klägerin unterscheide nicht zwischen anerkannten und nicht anerkannten Behandlungsmethoden, sondern zwischen Außenseitermethoden und Behandlungsmethoden der besonderen Therapierichtungen. Sie gewähre Leistungen der Homöopathie, der anthroposophischen Medizin (u. a. künstlerische Therapien, Heileurythmie und rhythmische Massage), der Phytotherapie, klassische Naturheilverfahren (u. a. Hydrotherapie, Thermotherapie, Bewegungstherapie, Neuraltherapie, Eigenblutbehandlung und Schröpfen), sog. bioenergetische Therapien (Akupunktur, Akupressur, Regulationsmedizin), sog. wissenschaftlich vertretbare Sauerstofftherapien (hämatogene Oxydationstherapie, UVB) sowie weitere besondere Therapien (Symbioselenkung und Colon-Hydro-Therapie). Die Klägerin möge bestätigen, dass sie den Behandlungsumfang, den das Bundessozialgericht für Außenseitermethoden im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung genannt habe, anerkenne. Die Klägerin bat mit Schreiben vom 30. Juni 1999 um eine Konkretisierung des Beratungsinhalts. Mit weiterem Schreiben vom 6. August 1999 nahm die Beklagte eine erneute Beratung vor und führte aus, neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürften zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur erbracht werden, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine positive Empfehlung abgegeben habe. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden seien nur solche Leistungen, die noch nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) enthalten oder die dort aufgeführt seien, deren Indikationen aber wesentliche Änderunge...