Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufsichtsbehörde. Erlass. Verpflichtungsbescheid. Anhörung. Versicherungsträger
Orientierungssatz
1. Vor dem Erlass eines Verpflichtungsbescheides der Aufsichtsbehörde ist dem Versicherungsträger nach § 24 SGB 10 Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Anhörung).
2. Die Ankündigung lediglich der Prüfung des Erlasses einer Aufsichtsanordnung vermag eine Anhörung vor Erlass eines Verpflichtungsbescheides nicht darzustellen.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte als Aufsichtsbehörde über die Klägerin berechtigt gewesen ist, einen Verpflichtungsbescheid nach §§ 89 Abs. 1 S. 2, 90 Abs. 1 S. 1 SGB IV zu erlassen.
Die Klägerin ist eine 1997 aus einer Zusammenlegung der hervorgegangene Betriebskrankenkasse, die mit dem Zusatz "Ihre Kasse für Ganzheitlichkeit" insbesondere mit Kostenerstattungen für neue Therapien wirbt.
Am 23. Und 24. September 1997 untersuchte die Beklagte im Rahmen einer Sonderprüfung gem. § 88 SGB IV die Leistungsgewährung hinsichtlich der besonderen Therapieeinrichtungen. In dem Gespräch am 23. Oktober 1997 wurde die Klägerin auf die Rechtswidrigkeit ihres Handelns hingewiesen. Diese hielt jedoch ihre Praxis unter Hinweis auf die sog. "Binnenanerkennung" für rechtmäßig.
Im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Beratung gem. § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verfügte die Beklagte daraufhin am 15. Dezember 1997:
"1. Die (...) Leistungen
-- der Homöopathie,
-- der Anthroposophie, Heileurythmie, künstlerische Therapien, Sprachgestaltung, Musiktherapie, Maltherapie, plastisch-therapeutisches Gestalten, rhythmische Massage sowie
-- Eigenblutbehandlung
-- Sauerstofftherapie
-- Colon-Hydrotherapie
-- UVB
-- hämatogene Oxydationstherapie
-- ausleitende Verfahren
-- Symbioselenkung
-- Neuraltherapie
dürfen ebenso wie die übrigen Therapieeinrichtungen nur gewährt werden, soweit sie Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung (sog. "Vertragsleistungen") sind bzw. der kraft Gesetzes berufene Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in den NUB-Richtlinien Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat.
Die genannten Richtlinien haben die Qualität von Rechtsnormen; sie regeln im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung den Umfang und die Modalitäten der Krankenbehandlung mit bindender Wirkung sowohl für die behandelnden Vertragsärzte als auch für die Versicherten.
Darüber hinaus ist die Gewährung außervertraglicher Leistungen nur im Rahmen der vom Bundessozialgericht entwickelten Grundsätze zu den sog. "Außenseitermethoden" möglich (vgl. BSGE 75, 194-102 sowie die Entscheidungen vom 16. September 1997, Az.: 1 RK 28/95, 1 RK 17/95, 1 RK 14/96, 1 RK 30/95 sowie 1 RK 32/95).
Hinsichtlich der rechtlichen Konsequenzen, die sich aus dem Inhalt der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen ergeben, unterscheidet das Bundessozialgericht zwei Sachverhaltsvarianten:
-- Hat der Bundesausschuss bereits eine (positive oder negative) Empfehlung über die Anerkennung der neuen Behandlungsmethode abgegeben, so ist seine Entscheidung von der Verwaltung und den Gerichten zu beachten. Der Versicherte, der sich eine in den Richtlinien ausgeschlossene Behandlung auf eigene Rechnung beschafft, kann im Kostenerstattungsverfahren nicht einwenden, die Methode sei gleichwohl zweckmäßig und in seinem konkreten Fall wirksam gewesen.
-- Anders ist es, wenn der Bundesausschuss zu der fraglichen Methode bisher noch keine Empfehlung abgegeben hat, sei es, weil kein dahin gehender Antrag gestellt wurde oder weil die Entscheidung über den Antrag noch aussteht. In diesen Fällen bedarf es der Prüfung, ob die fehlende Anerkennung des Therapieverfahrens auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruht, der (auch) darin bestehen kann, dass das im Gesetz für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden vorgesehene Anerkennungsverfahren trotz Anhaltspunkten für eine therapeutische Zweckmäßigkeit der in Rede stehenden Behandlung nicht oder nicht rechtzeitig durchgeführt wird. Ergibt sich ein solcher Mangel, so kann in diesen Fällen ein Anspruch auf § 13 Abs. 3 SGB V auf Erstattung der Kosten für die selbst beschaffte Leistung in Betracht kommt.
Zur Frage der Zweckmäßigkeit einer neuen Methode hatte das Bundessozialgericht in mehreren Urteilen vom 5. Juli 1995, die die Drogensubstitution mit Remedacen betrafen, entschieden, dass die Krankenkasse die Behandlungskosten nur übernehmen muss, wenn die Wirksamkeit der Therapie wissenschaftlich nachgewiesen ist. Dies ist der Fall, wenn sich die Wirksamkeit aufgrund wissenschaftlich geführter Statistiken in einem für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen nachweisen lässt und gegen die Qualität der Therapie -- auch unter Berücksichtigung evtl. Nebenwirkungen -- keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Daran ist grundsätzlich festzuhalten. Handelt es sic...