Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Einkommensteuererstattung aus Pflege- und Behindertenpauschbetrag sowie Ausgaben nach § 33 EStG. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Einkommensteuererstattung ist auch dann als Einkommen zu berücksichtigen, wenn der aus der Einkommensteuererstattung generierte Erstattungsbetrag ganz oder teilweise aus der steuerrechtlichen Berücksichtigung des Pflegepauschbetrags nach § 33b Abs 6 EStG, des übertragenen Behindertenpauschbetrags aus § 33b Abs 3 und 5 EStG sowie aufgrund von Ausgaben nach § 33 Abs 1 - 3 EStG resultiert.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.02.2020; Aktenzeichen B 4 AS 12/20 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 7. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anrechnung einer Einkommensteuererstattung für das Jahr 2012 auf die der Klägerin zustehenden Leistungen im Leistungszeitraum Oktober 2013 bis März 2014 nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die geschiedene alleinerziehende Klägerin ist Mutter von vier Kindern (S... H... [geb. am ... 1982], C... H… [geb. am ... 1990] und J...-M... H... [geb. am ... 1999] und K... H... [geb. ... 2001]). Sie lebte mit ihren Kindern im streitgegenständlichen Zeitraum in einem Haushalt in dem Eigenheim T... Weg … in L... zusammen. S... H... ist mit einem Grad der Behinderung von 100 schwerbehindert. Ihm sind die Merkzeichen B, G, aG, H und RF zuerkannt. Die Klägerin hatte von August 2012 bis März 2013 eine befristete 20h Teilzeitstelle als tarifangestellte Lehrerin nach Entgeltgruppe E9 Stufe 1 beim Land S... -H.... Die Klägerin beantragte am 11. September 2013 die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts über den Monat September 2013 hinaus und legte dabei ihren Einkommensteuerbescheid des Finanzamts L... für das Jahr 2012 vor. Nach diesem hatte die Klägerin Einkommensteuer in Höhe von 1.457,00 EUR und Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,39 EUR zu viel entrichtet. Sie erhielt im September 2013 eine Steuererstattung in Höhe von 1.462,39 EUR ausgezahlt. Der Beklagte berücksichtigte im Rahmen seines Bewilligungsbescheides vom 16. September 2013 eine Einkommensteuererstattung in Höhe von 1.457,00 EUR als Einkommen der Klägerin und verteilte dieses Einkommen auf die sechs Monate des Bewilligungszeitraumes (durch Berücksichtigung von jeweils 242,84 EUR in den Monaten Oktober 2013 bis Februar 2014 und von 242,80 EUR im März 2014).

Hiergegen erhob die Klägerin am 20. September 2013 und 25. September 2013 Widerspruch, mit dem sie ausführte, der Behindertenfreibetrag für ihren Sohn S... H... habe berücksichtigt werden müssen und die Erstattung nicht als reguläres Einkommen angerechnet werden dürfen, da sie Mehraufwendungen für S... H... habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Einkommensteuererstattung sei ungeachtet des steuerrechtlichen Freibetrags als einmalige Einnahme zu berücksichtigen und nach § 11 Abs. 3 SGB II in monatlichen Teilbeträgen als Einkommen anzurechnen, was rechtmäßigerweise erfolgt sei. Mit Änderungsbescheid vom 14. November 2013 änderte der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 16. September 2013 ab 1. Dezember 2013 bis 31. März 2014 ab und berücksichtigte ab dem 1. Dezember 2013 erfolgende Wohngeldzahlungen.

Gegen die Anrechnung der Steuererstattung in den Bescheiden hat die Klägerin am 6. November 2013 Klage zum Sozialgericht Lübeck erhoben, mit der sie ihr Anliegen aus dem Verwaltungsverfahren weiterverfolgt hat. Sie hat ergänzend vorgetragen, die steuerrechtliche Rückerstattung, die voll berücksichtigt worden sei, resultiere aus dem erhöhten Steuerfreibetrag für die Pflege des behinderten Sohnes. Der Steuerfreibetrag wirke zumindest saldierend auf die Einnahmen der Pflegeperson. Die Einnahme werde gerade für die Pflege des schwerstbehinderten Sohnes gewährt und sei nicht zu berücksichtigen. Diese Wertung sei auch unter dem Gesichtspunkt des § 11b SGB II möglich; es liege eine Zweckbestimmung im Sinne von § 1 Nr. 4 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (ALG II-V) vor. Die Steuerfreibeträge seien der spiegelbildliche Ausgleich für den Mehrbedarf, der auch im SGB II zu berücksichtigen sei. Hilfsweise werde die Klage darauf gestützt, dass ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II bestehe.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 16. September 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2013 abzuändern und

den Beklagten zu verurteilen, den auf die Steuererstattung entfallenden Anteil des Schwerbehindertenpauschbetrags nicht als Einkommen anspruchsmindernd zu berücksichtigen.

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

E...

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