Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. fingierte Genehmigung. Sachleistungs- und Kostenerstattungsansprüche. Nichtanwendung des § 45 Abs 1 SGB 10
Orientierungssatz
1. Die Regelung des § 13 Abs 3a SGB 5 (fingierte Genehmigung) erfasst Sachleistungs- und Kostenerstattungsansprüche.
2. Auf die fingierte Genehmigung findet § 45 Abs 1 SGB 10 keine Anwendung.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 12. Dezember 2016 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Versorgung mit einem AIK-Gerät mit 12-Kammer-System und Hosenmanschette zu erfolgen hat.
Auf die Klage der Klägerin wird der Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2017 aufgehoben.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für die zweite Instanz.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Versorgung mit einem Gerät für eine apparative intermittierende Kompressionstherapie (AIK) mit 12-Kammer-System und Hosenmanschette.
Die 1952 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet unter einem Lymph- und Lipödem. Am 15. Oktober 2013 beantragte sie die Versorgung mit dem Kompressionstherapiegerät „Puls Press Multi 12“ und legte der Beklagten die Verordnung des Facharztes für Chirurgie Dr. W… vom 22. August 2013 über ein AIK-Gerät mit Hosenmanschette nach Maß vor. Dem Antrag war zudem ein Kostenvoranschlag der K… GmbH K… vom 15. Oktober 2013 über 2.589,44 EUR beigefügt. Die Beklagte erhielt von Dr. B… auf Anfrage eine ergänzende Auskunft und leitete die Antragsunterlagen an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nord (MDK) zur Begutachtung weiter. Die beratende Ärztin Dr. U… führte in ihrer Stellungnahme vom 27. Februar 2014 aus, dass eine Kostenübernahme nicht empfohlen werden könne. Der behandelnde Arzt habe mitgeteilt, dass es sich um ein sogenanntes Lipödem handele, dessen Therapie in Bewegungstherapie, Kompressionstherapie und manueller Lymphdrainage bestehe. Der positive Nutzen einer apparativen Wechseldruckbehandlung bei Lipödemen sei wissenschaftlich nicht auf hohem Evidenzniveau belegt.
Mit Bescheid vom 5. März 2014 lehnte die Beklagte das beantragte Hilfsmittel ab. Die Klägerin erhob am 20. März 2014 Widerspruch. Sie machte geltend, nicht nur unter einem Lipödem, sondern auch unter einem Lymphödem zu leiden. Die Stellungnahme des MDK beziehe sich jedoch lediglich auf ein Lipödem und sei deshalb fehlerhaft. Das beantragte Hilfsmittel sei unter der Position 17.99.01.1016 im gesetzlichen Hilfsmittelverzeichnis gelistet. Damit handele es sich grundsätzlich um ein erstattungsfähiges Produkt. Die im Hilfsmittelverzeichnis geforderte Indikationslage sei das Vorliegen eines Lymphödems. Sie habe die apparative Kompressionstherapie erprobt und dadurch eine deutliche Beschwerdebesserung erfahren.
Die Beklagte holte das Gutachten des MDK nach Aktenlage vom 18. Juni 2014 (Dr. T…) sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 16. September 2014 ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2014 wies sie den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, auch der Zweitgutachter des MDK sei zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Kostenübernahme nicht befürwortet werden könne. Therapiestandard in der Behandlung der vorliegenden Problematik sei neben einer Gewichtsreduktion die Durchführung einer regelmäßigen manuellen Lymphdrainage und das konsequente Tragen von passgerechten Kompressionsstrümpfen. Der medizinische Nutzen einer externen Kompressionstherapie mit einem Lymphomat im häuslichen Bereich sei nicht auf höherem evidenzbasiertem Niveau belegt. Gemäß aktueller Leitlinie solle darüber hinaus die apparative Therapie nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen, was bei einer Anwendung im häuslichen Bereich nicht in erforderlichem Maße möglich erscheine. Das Auftreten von zum Teil lebensbedrohlichen Problemen, wie beispielsweise Genitallymphödemen, sei ebenfalls nicht auszuschließen. In seiner weiteren Stellungnahme vom 16. September 2014 habe der Zweitgutachter des MDK ausgeführt, dass in der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie ausdrücklich ausgeführt werde, dass eine Daueranwendung einer intermittierenden pneumatischen Kompression keine signifikanten Unterschiede in der Volumenreduktion der betroffenen Körperregion zur Folge habe.
Die Klägerin hat am 25. November 2014 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben. Sie hat ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und den geltend gemachten Leistungsanspruch darüber hinaus auch auf § 13 Absatz 3 a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) gestützt. Hierzu hat sie ausgeführt, dass zwischen Antragstellung am 15. Oktober 2013 und ablehnender Entscheidung am 5. März 2014 mehr als fünf Wochen vergangen seien, ohne dass sie auf Gründe für die Nichteinhaltung der gesetzlichen Entscheidungsfristen hingewiesen worden wäre. Da ...