Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückstufung in eine niedrigere Pflegestufe
Orientierungssatz
1. Eine Herabstufung der pflegebedürftigen Person in eine niedrigere Pflegestufe setzt voraus, dass sich die für die Bewilligung von Leistungen nach der bisherigen Pflegestufe maßgeblichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Widerrufs wesentlich i. S. von § 48 Abs. 1 SGB 10 geändert haben. Auf kleinere Unterschiede in der Bewertung des Pflegebedarfs kommt es in diesem Zusammenhang nicht entscheidend an.
2. Als Ausgangspunkt sind die Verhältnisse der letzten Leistungsbewilligung maßgeblich.
3. Bei der Frage, ob eine schriftliche Äußerung des Leistungsträgers des SGB 11 den Rechtscharakter einer schlichten Mitteilung oder den einer Weiterbewilligungsentscheidung mit Verwaltungsaktqualität hat, ist nicht auf dessen interne Erklärungsabsicht, sondern auf den Empfängerhorizont abzustellen. Ist daraus eine Leistungszusage objektiv erkennbar, hat sie auch dann Regelungscharakter, wenn sie mit einer Rechtsmittelbelehrung nicht versehen ist.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 11. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das des Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rückstufung des Klägers von der Pflegestufe II in die Pflegestufe I ab 1. Januar 2006.
Bei dem ...1984 geborenen Kläger besteht ein Down-Syndrom mit schwerer Sprachbehinderung und psychosomatischer Retardierung. Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Schleswig-Holstein (MDK) in dem Gutachten vom 13. Februar 1995 (Dr. H.) einen entsprechenden Pflegebedarf festgestellt hatte, bewilligte die Beklagte - zunächst bis zum 28. Februar 1996 - Pflegegeld nach der Pflegestufe I. In dem Folgegutachten des MDK vom 8. Mai 1996 (Dr. H.) wurde ein Hilfebedarf in der Grundpflege von 65 Minuten nebst einem Hilfeaufwand im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von 45 Minuten beschrieben, woraufhin die Beklagte ihre Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 20. Mai 1996 bis zum 31. Mai 1998 verlängerte. Auf den am 20. Juni 1997 eingegangenen Höherstufungsantrag des Klägers veranlasste die Beklagte eine erneute Begutachtung durch den MDK. In dem Gutachten vom 4. November 1997 bezifferte Dr. H. den Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege mit 141 Minuten bei einem Pflegebedarf im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von ca. 60 Minuten. In dem Gutachten heißt es, dass sich der Zeitaufwand der Grundpflege vor allem bei der Nahrungsaufnahme erhöht habe; hier sei immer Aufsicht und Kontrolle erforderlich. Gleiches gelte für die Begleitung auf Wegen außerhalb der Wohnung; mehrfach müsse die Mutter den Kläger zur Behandlung (KG, Sprachtherapie sowie ca. dreimal monatlich zu Arztbesuchen) fahren. Mit zunehmendem Alter könne vielleicht mit einer weiteren Selbständigkeit und Verringerung des Hilfebedarfs bei der Körperpflege und bei der Mobilität gerechnet werden. Hierauf bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 12. November 1997 ohne Befristung Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Das Folgegutachten des MDK vom 19. November 1999 (Frau M.- T. T.) beschrieb einen Hilfebedarf in der Grundpflege von 121 Minuten. Mit Schreiben vom 6. Dezember 1999 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, dass er weiterhin “vorläufig bis auf weiteres„ Pflegegeld nach der Pflegestufe II erhalte. Wegen der weiteren Voraussetzungen für die Zahlung des Pflegegeldes verwies sie auf das Bewilligungsschreiben vom 12. November 1997.
Mit Schreiben vom 15. November 2002 übersandte die Beklagte dem Kläger einen Fragebogen und wies darauf hin, dass sie zur Feststellung, ob sich die Pflegesituation geändert habe, eine Überprüfung der Pflegesituation vorzunehmen habe. Um die Kapazitätsengpässe des MDK nicht noch weiter auszubauen, werde sie versuchen, eine Entscheidung über die Weitergewährung der jetzigen Pflegestufe nach Aktenlage herbeizuführen. Der Kläger werde zur Unterstützung gebeten, den Fragebogen ausgefüllt zurückzusenden. Der Kläger bzw. seine Mutter entsprachen dieser Aufforderung. Die im Fragebogen vorgedruckte Frage, ob sich am Gesundheitszustand des Klägers etwas geändert habe, wurde mit “nein„ beantwortet. Die Beklagte legte den Fragebogen dem MDK vor und wies darauf hin, dass keine neuen Erkenntnisse zur Pflegebedürftigkeit vorliegen würden. Auch Informationen über eine Besserung seien nicht vorhanden. Der MDK beantwortete daraufhin die im Fragebogen vorformulierte Frage, ob eine Nachuntersuchung aus medizinischen Gründen notwendig sei, mit “nein„ und vermerkte “NU in 5 J„ (Nachuntersuchung in 5 Jahren). Sodann übersandte die Beklagte dem Kläger das nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Schreiben vom 20. Dezember 2002 mit folgendem Wortlaut:
“…, wir freuen uns, F. J. weiterhin ein Pflegegeld gemäß der Pflegestufe 2 zahlen zu können.
Die Leistungszusage in diesem Schreiben gilt vorläufig bis auf...