nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrtkosten. Rettungsfahrt. unaufschiebbare Leistung. Sachleistung. Notwendigkeit. ärztliche Verordnung. Laiensphäre
Leitsatz (redaktionell)
Ob eine Rettungsfahrt zum Krankenhaus notwendig ist, ist nicht nach objektiven Kriterien zu beurteilen; abzustellen ist vielmehr auf eine Betrachtung aus der Laiensphäre.
Normenkette
SGB V § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 3, § 60 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 60 Ab S. 3, § 133; Krankentransport-Richtlinien § 2 Abs. 2 S. 2, § 3
Verfahrensgang
SG Lübeck (Entscheidung vom 17.12.2002; Aktenzeichen S 8 KR 263/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 17. Dezember 2002 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Kosten bezüglich des Ein- satzes des Rettungstransportwagens in Höhe von 445,01 DM (227,53 EUR) nebst der gesetzlichen Zinsen zu erstatten. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine Rettungstransportfahrt in Höhe von 240,31 EUR.
Im März 2001 erhielt die Beklagte zwei Bescheide des Kreis Herzogtum Lauenburg über Rettungsdienstgebühren für einen Einsatz bei dem 1999 geborenen und bei ihr versicherten Kläger am 27. Februar 2001. Ein Bescheid war über 632,14 DM ausgestellt (Notarzteinsatzfahrzeug), der andere über 470,01 DM (RTW). Auf letzterem Bescheid war vermerkt: "Kein Transport erforderlich". Die Beklagte sandte die Bescheide zurück und lehnte unter Hinweis auf ihr Merkblatt zu den Gebühren für Notfallrettung und Krankentransport eine Kostenübernahme ab. Hintergrund, so die Beklagte, sei die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Februar 2000, wonach ein Krankenbeförderungseinsatz ohne Beförderungsleistung einen gebührenfähigen Tatbestand darstelle und vom jeweiligen Rettungsdienst somit entsprechende Gebühren erhoben werden könnten. Daraufhin stellte der Kreis dem Kläger 470,01 DM in Rechnung, die von diesem bezahlt wurden. Der Kläger beantragte bei der Beklagten die Übernahme der Kosten. Seine Mutter habe am 27. Februar 2001 gegen 4.25 Uhr über die Rufnummer 112 lediglich den Notarzt gerufen. Er habe unter heftigen Bauchkrämpfen gelitten und ununterbrochen geschrien. Mit Bescheid vom 9. April 2001 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für den Rettungswagen ab. Nach § 60 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) habe eine Krankenkasse Fahr- und Transportkosten als Nebenleistung zur erbrachten Hauptleistung grundsätzlich zu übernehmen. Fehle es jedoch an der Erhebung der Hauptleistung, könne die Krankenkasse auch nicht die Kosten des "Fehltransportes" übernehmen. Die Kosten des Notarztwagens seien überwiesen worden. Hiergegen legte der Kläger Einspruch (gemeint Widerspruch) ein. Der Notarzt sei absolut erforderlich gewesen. Selbstverständlich sei auch ein Krankenwagen mitgekommen. Es sei von einer Mutter nicht zu verlangen, dass sie abschätzen könne, ob ein Krankenwagen neben dem Notarztwagen erforderlich sei. Der Rettungsassistent am Notruftelefon werde durch die Verhaltensweise der Beklagten gezwungen nachzufragen, ob ein Krankenwagen zugeschickt werden solle oder der Notarzt ausreiche. Nach einem Telefongespräch hat die Beklagte einen Vermerk unter dem 15. Mai 2001 angefertigt, wonach von der Leitstelle bei Anruf über 112 RTW und NES (Notarzteinsatzwagen) zum Einsatzort geschickt werden, damit keine Verzögerungen einträten, falls ein Arzt schnell benötigt werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es fehle an der Voraussetzung gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V, dass die Rettungsfahrt ein Krankenhaus zum Ziel habe.
Der Kläger hat am 14. November 2001 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben. Spitzfindig könne man argumentieren, so der Kläger, dass jedenfalls bereits die Hälfte der angefallenen Kosten, nämlich die der Hinfahrt, zwanglos über § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V gefordert werden dürften, denn es gebe jedenfalls für die Hinfahrt zu diesem Zeitpunkt überhaupt kein taugliches Unterscheidungskriterium zur Differenzierung, ob später eine stationäre Behandlung erfolge. Die Fokussierung ausschließlich auf das Fahrziel sei eine gekünstelte und widersinnige Aufspaltung natürlicher Lebenssachverhalte und stelle einen nicht hinnehmbaren Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgrundrecht dar. Zudem würden so lebensbedrohliche Situationen heraufbeschworen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 9. April 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die beantragten Kosten für einen Rettungseinsatz des DRK Rettungsdienstes vom 27. Februar 2001 nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz der Bundesbank seit Rechtshängigkeit zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ziel der Re...