Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Schleswig vom 15.9.1998 - L 6 KA 11/98, das vollständig dokumentiert ist.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die ihrer Ansicht nach zu niedrige Vergütung psychotherapeutischer Leistungen.
Die Klägerin war zunächst als Internistin tätig. Sie bildete sich dann in Psychotherapie und Psychoanalyse fort und arbeitete ab 1982 ausschließlich in diesem Bereich. In Widersprüchen wandte sie sich zusammen mit einer größeren Anzahl psychotherapeutisch tätiger Ärzte und am Delegationsverfahren teilnehmender Psychologen gegen die Honorarabrechnungen für die Quartale III/93 bis III/94. Ihr Honorarvolumen lag u. a. für das Quartal III/94 bei einer Honorarsumme von 21.228,91 DM bei 61 Behandlungsfällen. Zur Begründung ihrer Widersprüche führte die Klägerin aus: Der Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten (HVM) verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Gebot der Verteilungsgerechtigkeit. Er benachteilige die Gruppe von Vertrags-Psychotherapeuten systematisch, indem er strukturelle Unterschiede der von den Psychotherapeuten erbrachten und der übrigen ärztlichen Leistungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM) nicht ausreichend berücksichtige und insoweit keine Sonderregelung treffe. Der Unterschied liege insbesondere darin, daß es sich bei den psychotherapeutischen Leistungen fast ausschließlich um zuwendungsintensive, nicht vermehrbare und vom behandelnden Psychotherapeuten persönlich zu erbringende Leistungen handele. Hier gehe es im wesentlichen um die Ziffern 865, 875 und 877 EBM. Diese Ziffern seien - völlig atypisch für das System der Vergütung ärztlicher Leistungen - mit festen Zeitvorgaben von jeweils 50 Minuten versehen. Alle anderen Ärztegruppen hätten diese Zeitvorgaben nicht, was ihnen die Möglichkeit eröffne, durch vermehrte Schnelligkeit die Zahl ihrer abrechenbaren Leistungen zu steigern. Diese Möglichkeit werde auch von den übrigen Ärztegruppen in großem Umfang in Anspruch genommen. Sie sei den Psychotherapeuten genommen. Weil ihre Leistungen an den Zeitfaktor gebunden und nicht vermehrbar seien, erhielten die Psychotherapeuten praktisch ein Stundenhonorar; ihr Einkommen werde damit in Abhängigkeit von dem nicht zu beeinflussenden Punktwert fremdbestimmt. Ein weiterer gravierender struktureller Nachteil liege darin, daß die Leistungen durch die persönlich intensive Zuwendung der vollausgebildeten Psychotherapeuten zum Patienten geprägt sei. Eine Delegation sei fast ausnahmslos nicht möglich. Ebenso komme eine Urlaubs- oder Krankheitsvertretung nicht in Betracht. Der Eigenart der psychotherapeutischen Behandlung entspreche auch, daß bei kurzfristigen Absagen der Patienten eine Kompensation durch die Einbestellung anderer Patienten nicht möglich sei. Zudem bestehe ein deutliches Ungleichgewicht zwischen Diagnose und Therapie, da letztere rund 90 % der aufgewendeten Zeit in Anspruch nehme. Im Rahmen der Psychotherapie finde eine ständige, der Behandlung vorausgehende Wirtschaftlichkeitsprüfung der Behandlungsmaßnahmen durch das Antrags- bzw. Gutachterverfahren statt. Folge dieser aufgezeigten Unterschiede sei, daß die Psychotherapeuten mit weitem Abstand am Ende der Einkommensskala der niedergelassenen Vertragsärzte stünden. Sie seien aber nicht weniger qualifiziert oder weniger arbeitsam als andere Arztgruppen. Neben dem Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot liege ein solcher gegen das gesetzliche Gebot einer angemessenen Vergütung ärztlicher Leistungen vor. Sie, die Klägerin, verkenne nicht, daß der EBM grundsätzlich die Vermutung der angemessenen Vergütung für sich habe. Die Beklagte könne jedoch im Rahmen ihrer Satzungsautonomie andere Gesichtspunkte und Umstände berücksichtigen, auch wenn dadurch im Ergebnis von den Bewertungen des EBM abgewichen werde. Das gelte um so mehr, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Vergütung einer Minderheit in der Ärzteschaft in Frage stünde. Hier gerate der Minderheitenschutz in Gefahr. Die fehlende Angemessenheit der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen werde daran deutlich, daß ca. 50 % der Leistungen von sogenannten "Erstattungspsychologen" außerhalb des Systems der vertragsärztlichen Versorgung erbracht werde. Dort erfolge eine höhere Vergütung. Letztlich sei ein fester Punktwert von 15 Pfennigen erforderlich, um den Vertrags-Psychotherapeuten ein Einkommen im mittleren Bereich aller Ärztegruppen zu gewährleisten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 1995 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Honorarabrechnungen mit der Begründung zurück, der Vorstand sehe die Probleme, die sich aus zeitgebundenen Leistungspositionen ergäben. Aus diesem Grund seien Vorschläge für eine Neubewertung an die zuständigen Stellen weitergeleitet worden. Woher bei bislang budgetierter Gesamtvergütung und auch nach Ablauf des Budgetzeitraums zu erwartender Begrenzung der Gesamtvergütung die für den Ausgleich erforderlichen Mittel kommen sollten, vermöge die Beklagte indes nicht zu...