Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung -Leistungsminderung auf nicht absehbare Zeit. retrospektive Betrachtungsweise
Leitsatz (amtlich)
Nach § 43 Abs 2 S 2 SGB 6 muss die gesundheitliche Beeinträchtigung auf nicht absehbare Zeit vorliegen. Dabei ist von einem Zeitraum von mindestens sechs Monaten auszugehen. Dies ist bei der Entscheidung des Gerichts rückschauend für die Zeit seit Beginn der Leistungseinschränkung zu prüfen. Wird hierbei festgestellt, dass die Leistungsunfähigkeit länger als sechs Monate angedauert hat, so ist der Leistungsfall der Erwerbsminderung ab dem Beginn der Leistungsunfähigkeit eingetreten. Dies gilt unabhängig davon, ob seinerzeit Aussicht auf Behebung der Leistungsminderung bestanden hat (vgl BSG vom 23.3.1977 - 4 RJ 49/76 = SozR 2200 § 1247 Nr 16).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 7. November 2017 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Rente wegen Erwerbsminderung und dabei im Hinblick auf die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine solche Rente insbesondere um die Frage, wann der Leistungsfall der Erwerbsminderung bei der Klägerin eingetreten ist.
Die 1960 geborene Klägerin hat von 1979 bis 1981 den Beruf der Einzelhandelskauffrau erfolgreich erlernt und war anschließend bis Juli 1988 als Fachberaterin für Einbauküchen und von 1990 bis März 2007 als Auftragsdisponentin bei der D tätig. Anschließend war sie arbeitslos gemeldet und bezog versicherungspflichtiges Arbeitslosengeld bis Februar 2008. Danach weist ihr Versicherungsverlauf bis einschließlich August 2008 eine Lücke auf. Von September 2008 bis Oktober 2010 arbeitete die Klägerin geringfügig nicht versicherungspflichtig und ab November 2010 bis zum Eintritt ihrer Arbeitsunfähigkeit am 23. Mai 2013 (wegen rezidivierender depressiver Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, Läsionen der Lumbosakralwurzeln) erneut versicherungspflichtig als Zeitungszustellerin. Die Klägerin bezog vom 5. August 2013 bis zum 25. August 2014 Krankengeld und nachfolgend bis zum 28. Februar 2015 Arbeitslosengeld. Seitdem ist sie ohne Leistungsbezug und lebt vom Einkommen ihres Ehemannes.
Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) zunächst Zweifel an der Dauer der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin äußerte, empfahl er nach Vorlage eines Befund - und Behandlungsberichts des die Klägerin behandelnden P vom 7. Januar 2014 eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme und bestätigte eine weitere Arbeitsunfähigkeit (Gutachten des S vom 5. März 2014).
Die Beklagte gewährte der Klägerin daraufhin vom 26. August 2014 bis zum 30. September 2014 eine medizinische Rehabilitationsbehandlung in der Klinik für psychosomatische Medizin S wegen einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, einer mittelgradigen depressiven Episode, einer Lumbagoischialgie und eines Zervicobrachial - Syndroms. Ausweislich des Abschlussberichtes vom 1. Oktober 2014 erfolgte die Entlassung als arbeitsunfähig und aufgrund der depressiven Symptomatik im funktionellen Zusammenhang mit einer chronischen Schmerzerkrankung mit körperlichen und psychischen Faktoren mit einem Leistungsvermögen für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit und für den allgemeinen Arbeitsmarkt von unter 3 Stunden arbeitstäglich.
Der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten schloss sich dieser Leistungsbeurteilung in seiner Stellungnahme vom 20. Oktober 2014 an und wies die Klägerin mit Schreiben vom 31. Oktober 2014 darauf hin, dass in den Fällen, in denen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht erfolgreich seien, der Rehaantrag als Rentenantrag gelte.
Daraufhin beantragte die Klägerin am 27. November 2014 formlos (Eingang des Formantrages am 24. Februar 2015) Rente wegen Erwerbsminderung und begründete den Rentenantrag mit chronischen Schmerzen der Hände und der Lendenwirbelsäule und einem Leistungsvermögen, das aus ihrer Sicht nur noch für leichte Hausarbeiten 1 bis 2 Stunden täglich je nach Verfassung ausreichend sei.
Nach Klärung der rentenrelevanten Zeiten im Versicherungskonto der Klägerin und der bei der zuständigen Krankenkasse gemeldeten Arbeitsunfähigkeitszeiten (zuletzt vorliegend vom 23. Mai 2013 bis 23. Juni 2013 und direkt anschließend vom 24. Juni 2013 bis 2. Dezember 2013 jeweils wegen rezidivierender depressiver Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode und orthopädischen Leiden) lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 13. Oktober 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2016 ab mit der Begründung, dass nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen der Leistungsfall der vollen befristeten Erwerbsminderung zwar seit dem 24. Juni 2013 vorliege, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente aber nicht gegeben seien. Die Klägerin habe im Fünfjahreszeitr...