Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Ausschreibung. Vertragsarztsitz. Verzicht des Arztes bzw Einbringung in ein Medizinisches Versorgungszentrum. Auftrag. Anfechtung der Verzichtserklärung. Rechtsirrtum

 

Orientierungssatz

Verzichtet ein Arzt auf seinen Vertragsarztsitz bzw indem er diesen in ein Medizinisches Versorgungszentrum einbringt, verfügt er über keine Zulassung mehr, die gemäß § 103 Abs 4 SGB 5 ausgeschrieben werden kann.

 

Normenkette

SGB V § 103 Abs. 4, 4a, § 95 Abs. 1, 3, 7; ÄrzteZV § 19a Abs. 1-2, § 24 Abs. 1; BGB §§ 119, 121

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.09.2016; Aktenzeichen B 6 KA 32/15 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 21. August 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Ausschreibung des Vertragsarztsitzes des Klägers.

Der Kläger ist 1942 geboren. Er erlangte 1974 die Facharztbezeichnung für Anästhesiologie und 1978 für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. 1978 erhielt er eine Vertragsarztzulassung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in S…, 1996 zusätzlich eine Zulassung als Arzt für Anästhesiologie. Mit Wirkung vom 3. Januar 2010 verzichtete er auf seine Zulassung als Vertragsarzt für Gynäkologie zugunsten des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) R…-W…-Platz in S…, das seinerseits beantragte, den Kläger als Arzt zunächst ganztägig und ab 1. Januar 2011 für 20 Stunden wöchentlich anzustellen.

Am 28. April 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes für Anästhesiologie als volle Arztstelle. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 30. Juni 2010 mit der Begründung ab, mit seinem Verzicht vom 3. Januar 2010 habe die Zulassung des Klägers geendet. Er sei in der Bedarfsplanung für jedes der beiden Facharztgebiete mit dem Faktor 0,5 geführt worden. Auf seine Zulassung habe er zusammen mit seinem Antrag auf eine ganztägige Anstellung bei dem MVZ verzichtet. Diese habe der Zulassungsausschuss am 1. Dezember 2009 genehmigt. Zwar sei ein Vertragsarztsitz neu auszuschreiben, wenn eine Zulassung durch Verzicht ende; der Kläger habe aber bereits zugunsten des MVZ verzichtet. Vertragsärzte mit zwei Zulassungen müssten sich für die Ausschreibung eines Facharztgebietes entscheiden und könnten nicht zwei volle Ausschreibungen verlangen. Allenfalls sei nach den Bestimmungen des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes (VÄndG) eine jeweils hälftige Ausschreibung beider Fachgebiete möglich.

Mit seinem Widerspruch vom 20. Juli 2010 machte der Kläger geltend, er habe zwei volle Zulassungen als Vertragsarzt bekommen, mit denen er im Arztregister eingetragen gewesen sei. Er habe ausdrücklich nur auf die Zulassung als Gynäkologe verzichtet. Noch im Februar 2010 sei er aufgefordert worden, seinen Vertragsarztsitz für Anästhesiologie auszuschreiben. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte erneut aus, im Rahmen der Bedarfsplanung sei der Kläger gemäß § 17 Abs. 1 Bedarfsplanungsrichtlinien (BedarfsPlRL, jetzt § 21 Abs. 1 BedarfsPlRL) in jedem Fachgebiet mit dem Faktor 0,5 berücksichtigt worden. Ein Arzt könne nicht zwei volle Versorgungsaufträge wahrnehmen. Seit dem VÄndG hätten Ärzte die Möglichkeit, zwei halbe Zulassungen mit jeweils einem halben Versorgungsauftrag zu erhalten. Die Ausschreibung zweier voller Arztstellen sei systemwidrig.

Zur Begründung seiner Klage vom 22. Oktober 2010 beim Sozialgericht Kiel hat der Kläger ausgeführt, er habe 1996 neben seiner Zulassung als Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in S… eine weitere Zulassung als Arzt für Anästhesiologie ohne jede Einschränkung erhalten. Mit Schreiben des Zulassungsausschusses vom 4. Februar 2010 sei er zur Ausschreibung seiner Zulassung als Anästhesiologe aufgefordert worden. Er bestreite, dass er bei der Bedarfsplanung mit dem Faktor 0,5 für jedes Fachgebiet gezählt werde. Seine damaligen Zulassungen hätten das nicht vorgesehen. Der Zulassungsbescheid vom 25. November 1995 habe ausgesagt, dass für das Fachgebiet der Anästhesiologie keine Zulassungssperren beständen. Er habe jetzt nur auf seine Zulassung als Vertragsarzt für Gynäkologie verzichtet. Der Hinweis auf die BedarfsPlRL sei unerheblich, weil für die Anästhesie 1996 noch keine Bedarfsplanung bestanden habe. Eine Zulassung hätte folglich in der Zwischenzeit zeitlich beschränkt werden müssen, um wirksam zu werden. Offensichtlich habe die Beklagte ihren planungsrechtlichen Fehler erkannt, den sie nun durch den Entzug der Zulassung für das Gebiet der Anästhesiologie zu kompensieren versuche. Hierbei hat der Kläger auf das Zulassungsentziehungsverfahren des Zulassungsausschusses Bezug genommen (L 7 KA 37/13).

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 30. Juni 2010 in Form des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2010 die Beklagte zu verurteilen, seinem Antrag auf A...

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