Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung. Regelleistungsvolumen. Zuschlagskürzung für Berufsausübungsgemeinschaften um 10 Prozent. Bevorteilung sogenannter Wachstumsärzte gegenüber etablierten Ärzten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Kassenärztliche Vereinigung darf den 10%igen Zuschlag, den sie Berufsausübungsgemeinschaften im Honorarabrechnungsjahr 2012 gewährt hat, nicht deshalb kürzen, weil einige Ärzte der Berufsausübungsgemeinschaft im jeweiligen Vorjahresquartal noch nicht Mitglied derselben waren.

2. Sog Wachstumsärzte, dh Ärzte die noch keine 5 Jahre zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind, dürfen bei Vergütung ihrer vertragsärztlichen Leistungen gegenüber etablierten Ärzten zwar bevorteilt werden, das Vergütungssystem darf aber nicht so unterschiedlich ausgestaltet sein, dass im Einzelfall auch eine Schlechterstellung von Wachstumsärzten gegenüber etablierten Ärzten möglich ist.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 9. Februar 2016 aufgehoben.

Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 26. Juni 2012 und des Bescheides vom 13. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2014 verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 8.239,26 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Honorarabrechnung für das Quartal II/12. Strittig ist zwischen den Beteiligten dabei insbesondere die Ermittlung der Regelleistungsvolumina (RLV) für die Wachstumsärzte der Klägerin anhand gesonderter Regelungen (sog. Obergrenzen) und die Ermittlung des Zuschlags für die ärztliche Leistungserbringung in Berufsausübungsgemeinschaften (BAG-Zuschlag).

Die Klägerin ist eine überörtliche BAG für Orthopädie, Unfallchirurgie und Chirurgie. Ihre Mitglieder F, R, B, S, K, G, Ka und Herr Ra sind Fachärzte für Orthopädie. H und L sind Fachärzte für Chirurgie und D ist Facharzt für Neurochirurgie. Im streitgegenständlichen Quartal II/12 waren H, D, K, L, G, Ka und Herr Ra noch Wachstumsärzte.

Mit Bescheid vom 29. Februar 2012 wies die Beklagte der Klägerin eine Obergrenze ihres Gesamtvolumens für das Quartal II/12 in Höhe von 391.533,22 € zu. Dies korrigierte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Juni 2012 auf 360.073,22 €. Grund für die Korrektur war das Ausscheiden des vormals bei der Klägerin beschäftigten Dr. Schröder zum 1. März 2012. Der Unterschied in der Höhe der Obergrenze ergab sich allein aus dem Abzug des ursprünglich für Dr. Schröder errechneten Betrages.

Die Beklagte ermittelte für die (etablierten) Ärzte F, R, B und S ein in RLV und qualifikationsgebundene Zusatzvolumina (QZV) aufgeteiltes Gesamtvolumen. Für die Wachstumsärzte H, D, K, L, G, Ka und Ra ermittelte sie eine Obergrenze. Diese errechnete sie aus der Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe und dem arztgruppenspezifischen Fallwert (RLV und QZV). Dabei sah sie für alle Ärzte, außer für D, der im Vorjahresquartal noch nicht in der Praxis tätig war, einen BAG Aufschlag in Höhe von 10 % des ermittelten Volumens vor.

Mit Honorarbescheid vom 13. Oktober 2012 gewährte die Beklagte der Klägerin für das Quartal II/12 ein Honorar in Höhe von 663.730,16 €. Die Forderung der Klägerin für RLV/QZV-relevante Leistungen betrug 367.937,87 €. Die Beklagte legte der Abrechnung aber nur ein bereitgestelltes Gesamtvolumen in Höhe von 354.120,81 € zu Grunde. Die Differenz zur vorhergegangenen RLV-Mitteilung ergab sich allein aus der Zugrundelegung eines niedrigeren Volumens für H gegenüber dem Mitteilungsbescheid. Für H war im Mitteilungsbescheid ein Volumen in Höhe von 25.883,75 € erhöht um einen BAG-Zuschlag in Höhe von 2.588,38 € zu Grunde gelegt worden. In der Honorarabrechnung fand sich eine individuelle Obergrenze in Höhe von 20.472,47 €, erhöht um einen BAG Aufschlag in Höhe von 2.047,25 €.

Gegen die genannten Bescheide richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 14. November 2012, der mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2014 zusammen mit Widersprüchen gegen die Honorarabrechnungen für die Quartale III/12-I/13 zurückgewiesen wurde.

Mit der am 28. Februar 2014 beim Sozialgericht Kiel erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt.

Das Sozialgericht hat das Klageverfahren insoweit abgetrennt und in anderen Klagen weitergeführt, als es sich gegen die Honorierung für die Quartale III/12, IV/12 und I/13 gerichtet hat. Im Einverständnis mit den Beteiligten hat das Sozialgericht die gegen die Honorargewährung in den genannten Quartalen gerichteten Klagen in Hinblick auf das vorliegende Verfahren zum Ruhen gebracht.

Die Klägerin hat beantragt,

die Honorarabrechnungen für das Quartal II/12 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden,

hilfsweise,

die Mitteilung der Obergrenze ...

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