Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. freiwillig versicherte Selbständige. vorläufige Beitragsfestsetzung wegen fehlender amtlicher Einkommensnachweise mittels vorläufigem Beitragsbescheid. Bindungswirkung. rückwirkende Beitragsnachforderung zulässig. rückwirkende Beitragsabsenkung verboten. Nachträgliche Beitragsforderung. Selbstständige Apothekerin. Freiwilliges Mitglied. Einkommenssteuerbescheid. Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder. Monatliche Bezugsgröße. Bindungswirkung von Beitragsbescheiden. Vorläufige Beitragsfestsetzung. Tatsächliche Einkommensverhältnisse

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Bindungswirkung bestandskräftiger Beitragsbescheide hindert die rückwirkende Nacherhebung von Beiträgen zur freiwilligen Krankenversicherung nicht, wenn die Bescheide als vorläufige Beitragsbescheide ausgewiesen waren.

2. Die Vorläufigkeit der Regelung muss in den Bescheiden nach Inhalt und Umfang genannt sein, um einer Umgehung der Voraussetzungen für eine Rücknahme, einen Widerruf oder eine Abänderung nach den §§ 44 ff. SGB X vorzubeugen

 

Orientierungssatz

1. Die vorläufige Beitragsfestsetzung ist gerade zu Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft selbständig erwerbstätiger Versicherter in der gesetzlichen Krankenversicherung sachgerecht, um auch diesen Mitgliedern die Möglichkeit zu geben, eine Beitragsfestsetzung in Anlehnung an die tatsächlichen Einkommensverhältnisse zu erwirken (vgl BSG vom 22.3.2006 - B 12 KR 14/05 R = BSGE 96, 119 = SozR 4-2500 § 240 Nr 5).

2. Im Falle einer vorläufigen Beitragsfestsetzung bei einem freiwilligen Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung, das hauptberuflich selbständig tätig ist durch einen einstweiligen Bescheid, ist die rückwirkende Nachforderung von Beiträgen im Rahmen der endgültigen Beitragsfestsetzung nach Vorlage der amtlichen Einkommensnachweise zulässig. Die Bindungswirkung der vorläufigen Beitragsfestsetzung erstreckt sich lediglich auf den Zeitraum bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch Erlass des endgültigen Bescheides.

3. Mit der Regelung der zukunftsbezogenen Beitragsberechnung wollte der Gesetzgeber bewusst einer rückwirkenden Korrektur der Beitragsbemessung entgegenwirken und eine Anpassung der Beiträge nur für die Zukunft zulassen. Eine Nachberechnung der Beiträge hielt der Gesetzgeber allerdings dann für zulässig, wenn der Versicherte entgegen seiner Verpflichtung aus § 206 SGB 5 die Höhe des Einkommens nicht unverzüglich mitgeteilt hatte. Dies bringt es mit sich, dass rückwirkende Beitragsabsenkungen nicht möglich sind. Das Verbot einer rückwirkenden Beitragsabsenkung steht den Gesichtspunkten nicht entgegen, die das BSG für eine vorläufige Beitragsfestsetzung entwickelt hat.

 

Normenkette

SGB V § 240 Abs. 1-2, 4, § 223; SGB X § 44

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 8. November 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten sich auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer nachträglichen Beitragsforderung der Beklagten gegenüber der Klägerin in Höhe von 9.312,83 EUR für die Zeit von Januar 2000 bis Juni 2003.

Die Klägerin war als selbstständige Apothekerin in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 30. Juni 2003 freiwilliges Mitglied der Beklagten. Entsprechend ihren Angaben über ihre Entnahmen aus der Apotheke wurden die Beiträge auf der Grundlage monatlicher Einkünfte in Höhe von 3.000,00 DM bzw. - ab 1. Januar 2002 - in Höhe von 1.500,00 EUR festgesetzt. Ab 2000 (Bescheid vom 11. April 2000) erfolgten die Neufestsetzungen jeweils vorläufig. Die Beklagte forderte von der Klägerin Einkommenssteuerbescheide an. Nachdem deren Steuerberater bereits zuvor einen Gewinn aus Gewerbebetrieb für die Zeit vom 14. Juni bis 31. Dezember 1998 in Höhe von 23.748,40 DM mitgeteilt hatte, übersandte er der Beklagten am 25. Februar 2004 die Steuerbescheide vom 23. Mai 2003 für die Jahre 1998 bis 2000 und vom 27. Januar 2004 für das Jahr 2001. Danach ergaben sich für 1998 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 23.770,00 DM, Bruttoarbeitslohn in Höhe von 18.716,00 DM, Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 29.176,00 DM sowie negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 1.648,00 DM; für 1999 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 48.899,00 DM, Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 20.915,00 DM sowie negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 4.898,00 DM; für 2000 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 91.109,00 DM, Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 22.235,00 DM sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 473,00 DM und für 2001 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 104.395,00 DM, Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 12.924,00 DM und negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 7.936,00 DM. Am 19. Mai 2004 übersandte die Klägerin der Beklagten eine Bescheinigung des Steuerberaters über den Gewinn ...

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