Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsgebühr für Tätigkeit im Widerspruchsverfahren. Vertragsärzte. mehrere Auftraggeber
Leitsatz (amtlich)
1. Der Gebührenansatz eines Rechtsanwaltes für seine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren kann nur beanstandet werden, wenn er unbillig ist.
2. Setzt ein Rechtsanwalt für die Vertretung von zwei Vertragsärzten einer Gemeinschaftspraxis in einem Widerspruchsverfahren, in dem es um die Erhöhung der Leistungsobergrenze nach § 101 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB 5 geht, er an zwei Sitzungen des Berufungsausschusses teilgenommen und zwei Schriftsätze gefertigt hatte, eine 10/10-Gebühr an, so ist das unter Berücksichtigung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Mandanten, der Schwierigkeit der Materie sowie des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit nicht unbillig.
3. In einem solchen Verfahren ist ferner nach § 6 Abs 1 BRAGebO eine Erhöhung der Gebühren um 3/10 gerechtfertigt, weil bei einem Tätigwerden des Rechtsanwaltes für mehr als einen Mandanten ein Mehr an Arbeit und Aufwand zu unterstellen ist, unabhängig davon, ob tatsächlich eine arbeitsmäßige Mehrbelastung entstanden war.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 7. November 2000 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger für das so genannte isolierte Verfahren. Es geht um die Höhe der Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO und um die Berechtigung zur Geltendmachung einer Gebührenerhöhung nach § 6 Abs. 1 BRAGO.
Die Kläger sind als Kinderärzte vertragsärztlich tätig. Sie betreiben eine Gemeinschaftspraxis im so genannten Jobsharing-Modell. Nach Aufnahme einer neuen Ziffer 151 in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab beantragten sie bei dem Zulassungsausschuss die Erhöhung der Leistungsobergrenze gemäß § 101 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Teil V (SGB V). Gegen den ablehnenden Bescheid des Zulassungsausschusses legten sie selbst Widerspruch ein und beauftragten anschließend ihre Prozessbevollmächtigten mit ihrer Vertretung. Letztere zeigten die Prozessbevollmächtigten dem Beklagten durch eine nur von dem Kläger Dr. K. unterzeichneten Vollmacht an, die zusätzlich noch den Stempel der Gemeinschaftspraxis mit dem Namen beider Kläger trug. Die Prozessbevollmächtigten fertigten zwei Schriftsätze. Sie nahmen für die Kläger an der Sitzung des Beklagten am 27. Mai 1999 sowie, da in dieser Sitzung keine Entscheidung des Beklagten getroffen wurde, an einer weiteren Sitzung am 8. Juli 1999 teil. In dieser Sitzung beschloss der Beklagte dem Widerspruch der Kläger stattzugeben und die Leistungsgrenze pro Quartal um 15.600 Punkte zu erhöhen. Außerdem entschied der Beklagte, dass den Widerspruchsführern die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten seien.
Die Prozessbevollmächtigten der Kläger machten daraufhin bei dem Beklagten 10/10 Geschäftsgebühr, 10/10 Besprechungsgebühr sowie 3/10 Erhöhungsgebühr, jeweils berechnet nach einem Wert von 27.600,00 DM geltend. Mit formlosem Schreiben vom 11. Oktober 1999 beanstandete der Beklagte den Ansatz der 10/10 Gebühr sowie der Erhöhungsgebühr und stellte den Klägern anheim, gerichtliche Kostenfestsetzung zu beantragen. Außerdem fasste der Beklagte in der Sitzung am 12. Juli 2000, als Beschluss ausgefertigt am 30. August 2000, folgende Entscheidung: "In dem durch Beschluss vom 8. Juli 1999 entschiedenen Widerspruchsverfahren werden die Gebühren gemäß § 111 (gemeint offenbar § 116) Abs. 2, 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO auf 7,5/10 festgesetzt. Eine Erhöhung der Gebühr gemäß § 6 Abs. 1 BRAGO ist ausgeschlossen."
Bereits am 15. Oktober 1999 hatten die Kläger beim Sozialgericht Kiel Klage erhoben mit dem Ziel, die von ihren Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Beklagten geltend gemachten Gebühren in voller Höhe festsetzen zu lassen.
Mit Gerichtsbescheid vom 7. November 2000 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und wie folgt entschieden: "Der Bescheid des Beklagten vom 11. Oktober 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. August 1999 wird dahingehend geändert, dass der Beklagte verpflichtet wird, die Gebühren für das Widerspruchsverfahren statt auf 7,5/10 auf 10/10 festzusetzen und die Gebühr gemäß § 6 Abs. 1 BRAGO zu erhöhen".
Mit der vom Senat zugelassenen Berufung vertieft der Beklagte die Auffassung, eine Erhöhung der Gebühr auf 10/10 sei nicht sachgerecht, es bestehe kein Anlass von dem Grundsatz abzuweichen, dass in der Regel eine Mittelgebühr anzusetzen sei. Es handele sich um eine "durchschnittliche Kassenarztsache". Dass die Bevollmächtigten der Kläger an zwei Sitzungen des Berufungsausschusses teilgenommen hätten, reiche nicht aus, um die Sache als besonders schwierig oder umfangreich anzusehen. Auch eine Gebührenerhöhung komme nicht in Betracht. Die Partner einer Gemeinschaftspraxis träten nach...