Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. Merkzeichen "Bl"
Leitsatz (amtlich)
Zum Merkzeichen "Bl", Blindheit.
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 4. Oktober 2000 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs (Merkzeichens) "Bl" (Blindheit) erfüllt.
Bei der 1953 geborenen Klägerin hatte das Landesamt für soziale Dienste (LAsD) durch Bescheid vom 5. August 1998 einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 unter Berücksichtigung der Funktionsstörungen
1. Augenleiden, hochgradige Sehbehinderung
2. Systemerkrankung mit Myalgien und Nervenstörungen
sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Merkzeichen "G", "B", "H" und "RF" festgestellt.
Im April 1999 beantragte die Klägerin mit Hinweis auf eine wesentliche Verschlechterung ihrer Sehbehinderung unter Beifügung eines Arztbriefs der Klinik für Ophthalmologie der C.-Universität (C.) K. (Untersuchung 3/99) die Zuerkennung auch des Merkzeichens "Bl".
Das LAsD holte ein augenärztliches Gutachten des Privatdozenten Dr. M. (7/99) und eine versorgungsärztliche Stellungnahme des Arztes für innere Medizin Dr. S. ein und lehnte den Antrag durch Bescheid vom 22. Juli 1999 ab. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" lägen bei der Klägerin nicht vor, weil sie unter Berücksichtigung des augenärztlichen Gutachtens über eine Sehschärfe auf dem besseren Auge mit Gläserkorrektur von mehr als 1/50 verfüge und auch keine anderen Störungen eines entsprechenden Schweregrades bestünden. Mit ihrem Widerspruch trug die Klägerin vor, seit Herbst 1998 sei bei ihr bei regelmäßigen Untersuchungen in ca. vierzehntägigem Abstand durch die Augenklinik der C. K. ein korrigiertes Sehvermögen von links 1/50 und rechts Handbewegungen diagnostiziert worden. Diese Werte seien ihr auch von Dr. M. im Rahmen der augenärztlichen Untersuchung bestätigt worden.
Das LAsD holte ergänzend ein Gutachten der Neurologen Dres. H. und L. (Klinik für Neurologie der C. K.; 12/99) ein und wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 29. März 2000 zurück. Nach den Ergebnissen der Untersuchungen durch Dr. M. und der Klinik für Neurologie der C. K. lasse sich im Vergleich zu den maßgebenden Vorbefunden in den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin eine wesentliche Änderung nicht feststellen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" seien bei ihr nicht erfüllt, da ihr weder das Augenlicht vollständig fehle noch ihre Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht bei beidäugiger Prüfung mehr als 1/50 betrage und auch keine anderen Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorlägen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleich zu achten seien.
Mit ihrer hiergegen am 7. April 2000 beim Sozialgericht Kiel erhobenen Klage hat die Klägerin erneut vorgetragen, mit dem rechten Auge nur Handbewegungen und mit dem linken Auge nur Handbewegungen mit Fingerzählen wahrnehmen zu können, sodass ihre Sehschärfe auf noch weniger als 1/50 herabgesetzt sein dürfte.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 22. Juli 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr das Merkzeichen "Bl" seit 13. April 1999 zuzuerkennen.
Das beklagte Land hat - unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide - beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 4. Oktober 2000 Dr. H., Arzt für Augenheilkunde, als Sachverständigen vernommen und durch Urteil vom selben Tage der Klage stattgegeben. In den Entscheidungsgründen ist im Wesentlichen ausgeführt: Nach dem Gutachten von Dr. H. bestünden bei der Klägerin eine chronische Skleritis anterior und der Zustand nach mehrfachen Unterlidoperationen bei Einwärtsneigung der Unterlidkante. Alle Sachverständigen hätten bei der Klägerin übereinstimmend ein Sehvermögen von Handbewegungen rechts und links 1/50 (Dr. M.) bzw. Fingerzählen (Dr. H.) festgestellt. Mit diesen Werten sei die Klägerin nach der maßgeblichen Definition als blind anzusehen. Allerdings sei Dr. M. im Ergebnis zu einer anderen Auffassung gekommen, weil er darauf hingewiesen habe, dass die subjektiven und die objektiven Befunde nicht übereinstimmten. So habe sich die Klägerin auch bei Abdeckung des besseren Auges relativ sicher bewegen können, und ihre Pupille sei dem Lichtkegel gefolgt. Auch Dr. H. habe angegeben, dass sich die Klägerin auch in einem abgedunkelten Raum relativ gut habe orientieren können und typische Blick- und Suchaugenbewegungen gemacht habe, welche aus augenärztlicher Sicht nicht mit einer so stark reduzierten Sehschärfe im Sinne einer Blindheit verbunden seien. Auch fänden sich keine krankhaften Befunde, die diese deutli...