Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugunstenverfahren. Rücknahme eines Sperrzeitbescheides. arbeitsvertragswidriges Verhalten. Beweislast. Nichterweislichkeit der Unrichtigkeit
Orientierungssatz
1. Anders als bei der zu Grunde liegenden Sperrzeitentscheidung nach § 119 Abs 1 S 1 Nr 1 AFG, bei der die BA im Falle eines Rechtsstreits den Nachweis arbeitsvertragswidrigen Verhaltens des Arbeitslosen mit Kausalität für den Eintritt der Arbeitslosigkeit hätte führen müssen, ist es im Verfahren nach § 44 SGB 10 letztlich dem Arbeitslosen anzulasten, wenn sich die Frage, ob er sich tatsächlich arbeitsvertragswidrig verhalten hat, in Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten letztlich nicht (mehr) abschließend beurteilen lässt.
2. Ist jedoch bei Berücksichtigung aller Umstände die Unrichtigkeit iS von § 44 Abs 1 S 1 SGB 10 nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben, scheidet die Rücknahme der bestandskräftig gewordenen behördlichen Entscheidung aus.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 8. Dezember 1999 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich im Wege des Verfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegen Sperrzeitentscheidungen der Beklagten.
Der ... 1941 geborene Kläger war vom 1. Juni 1986 bis 25. September 1997 als Krankenpfleger in der Betreuungseinrichtung "Haus S" in W/F beschäftigt. In der in Trägerschaft des Landes Berlin, vertr. durch das A ..., stehenden Einrichtung sind Behinderte untergebracht. Der Kläger war in einer Wohngruppe von acht Schwerst- und Mehrfachbehinderten tätig. Das Betreuer-Team dieser Wohngruppe umfasste sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zeitweise arbeitete der Kläger, der stellvertr. Leiter des Teams war, mit den Zeugen Nicole U, Judith H Thorsten H, Margot S und Rosemarie H zusammen. Der Zeuge Dr. M. N war seinerzeit Heimleiter des "Haus S".
Gegen den Kläger wurde seitens weiterer Mitglieder des Betreuer-Teams wiederholt der Vorwurf einer verbalen und körperlichen Misshandlung von Angehörigen der Wohngruppe erhoben. So machte die Zeugin H in einem Schreiben an die Heimleitung des Hauses S vom 6. Mai 1997 Mitteilung von einem Vorfall am 5. Mai 1997. Der Zeuge H beschwerte sich in einem Schreiben an die Heimleitung vom 2. Juli 1997 über Vorfälle aus der vorangegangenen Woche. In einem weiteren Schreiben vom 17. September 1997 berichtete er der Heimleitung von weiteren Vorfällen am 15. und 16. September 1997. Die Zeugin S berichtete ausweislich eines Gesprächsvermerks von Zwischenfällen in der Zeit vom 8. bis 11. September 1997. Der Zeuge L -- Betreuer eines der Behinderten -- wies den damaligen Heimleiter Dr. N in einem Schreiben vom 16. Mai 1997 auf einen Vorfall am 5. Mai 1997 hin. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgenannten Schreiben Bezug genommen.
Nach einer Abmahnung vom 18. August 1997 wurde dem Kläger mit Schreiben des A-Krankenhauses ... vom 25. September 1997 arbeitgeberseitig wegen der ihm zur Last gelegten körperlichen und verbalen Misshandlungen ihm anvertrauter Heimbewohner fristlos gekündigt. Eine vom Kläger bei dem Arbeitsgericht Flensburg erhobene Kündigungsschutzklage (Az.: ...) endete mit einem Vergleich vom 26. März 1998, wonach die Parteien des Arbeitsverhältnisses sich darüber einig wurden, dass die fristlose Kündigung seitens des Arbeitgebers vom 25. September 1997 unwirksam sei und das Arbeitsverhältnis stattdessen im gegenseitigen Einvernehmen aus betrieblichen Gründen am 30. September 1997 geendet habe. Die Parteien seien sich darüber einig, dass gegenseitige geldwerte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung -- gleich welcher Art -- nicht mehr bestünden. Zuvor waren in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren Frau Margot S und Herr Thorsten H als Zeugen vernommen worden. Wegen der dabei gemachten Angaben wird auf die Verhandlungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 26. März 1998 Bezug genommen.
Am 25. September 1997 meldete der Kläger sich bei der Beklagten arbeitslos und stellte einen Antrag auf Arbeitslosengeld (Alg). In einer dazu vorgelegten Arbeitsbescheinigung wurde auf die fristlose Kündigung vom 25. September 1997 wegen körperlicher und verbaler Misshandlung von Heimbewohnern hingewiesen. Der Kläger verwies hierzu auf die von ihm bereits seinerzeit beabsichtigte arbeitsgerichtliche Klärung.
Mit Bescheid vom 5. Februar 1998, den der Kläger trotz ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung nicht angefochten hat, teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass in seinem Fall für die Zeit vom 26. September bis 18. Dezember 1997 eine zwölfwöchige Sperrzeit gemäß §§ 119, 119 a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) eingetreten sei, während derer der Anspruch auf Alg ruhe. Der Kläger habe seine Beschäftigung im "Haus S" verloren, weil er Heimbewohner (Schutzbefohlene) in der Ei...