Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. sozialpädagogischer Familienhelfer bei einem gemeinnützigen Verein der Jugendhilfe. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum sozialversicherungsrechtlichen Status einer sozialpädagogischen Familienhelferin.

2. Ist eine sozialpädagogische Fachkraft im Bericht der Jugend- und Familienhilfe vertraglich verpflichtet, an regelmäßigen Teambesprechungen und hausinternen Supervisionen und Fortbildungen teilzunehmen und wird ihr ein monatlich festes Honorar unabhängig von einer individuellen Stundenabrechnung ausgezahlt, sind dies schwerwiegende Indizien, die für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung beim Auftraggeber - hier ein gemeinnütziger Verein der Jugendhilfe - sprechen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 13.10.2020; Aktenzeichen B 12 KR 8/20 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 22. Januar 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen,

soweit Feststellungen und Beitragsforderungen die Beigeladene zu 1. betreffend streitgegenständlich sind.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.351,56 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Gegenstand des Verfahrens ist der sozialversicherungsrechtliche Status der Beigeladenen zu 1), die als sozialpädagogische Familienhelferin für den Kläger tätig war. Betroffen ist der Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. August 2009.

Der Senat hat das Verfahren die Beigeladene zu 1) betreffend abgetrennt. Weiterhin anhängig ist unter dem Az.: L 5 BA .../18 ein Verfahren, das 60 weitere für den Kläger tätige Honorarkräfte betrifft.

Der Kläger ist als gemeinnütziger Verein im Bereich der Jugendhilfe tätig. Er hat mit dem örtlichen Träger der Jugendhilfe, dem Kreis H... L..., eine Vereinbarung über die Höhe der Kosten der Inanspruchnahme nach § 77 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) getroffen. Leistungen im Bereich der sozialpädagogischen Familienhilfe erbrachte der Kläger im streitigen Zeitraum im Wesentlichen durch Honorarkräfte. Ab dem Jahr 2010 wurden einige Familienhelfer fest angestellt. Diese wurden nach Ende ihrer Probezeit nach der Entgeltgruppe 9 TVöD, Stufe 2 vergütet. Dies entsprach einem Entgelt von ca. 15 € brutto pro Stunde.

Die Beigeladene zu 1) ist studierte Diplom Sozialpädagogin. Seit dem Jahr 2000 war sie selbständig tätig und unterhielt hierfür ein eigenes Büro, in dem sie Klienten betreute. Parallel dazu wurde sie seit 2001 für den Kläger tätig. Im streitigen Zeitraum betreute sie jeweils fünf bis sechs Familien, phasenweise auch nur drei Familien mit höherem Stundenvolumen, im Auftrag des Klägers. Der Umfang der Betreuungstätigkeit für den Kläger betrug ca. 20 bis 25 Wochenstunden.

Mit Datum vom 30. März 2006 schloss der Kläger mit der Beigeladenen zu 1) einen Honorarvertrag, der die ambulante Betreuung einer konkreten Familie zum Inhalt hatte. Als Honorar wurde ein Betrag von 18 € pro Stunde vereinbart (Ziffer 1 des Vertrages). Die Aufgaben der Beigeladenen zu 1) umfassten: die Teilnahme an Hilfekonferenzen nach § 36 SGB VIII, die persönliche, lebenswelt- und problembezogene Unterstützung der betroffenen Familie laut des im Hilfeplan formulierten erzieherischen Bedarfs, die Dokumentation der Betreuungszeit und Arbeitsinhalte und die Kontaktaufnahme mit der ASD-Kraft zur Berichterstattung und Terminierung der Hilfeplankonferenz rechtzeitig einen Monat vor Ablauf der Hilfe (Ziffer 3 des Vertrages). Die Beigeladene zu 1) entscheide selbst über Umfang, Ort, Zeit und Art der Unterstützung. Sie übernehme keine Gesamtverantwortung für die betroffene Familie, sondern eine pädagogische Begleitung zur Förderung des eigenverantwortlichen Handelns gemäß der Leistungsbeschreibung des Klägers (Ziffer 4 des Vertrages). Im Rahmen dieser Tätigkeit biete der Kläger Unterstützung in Form von Fortbildung, regelmäßigen Gesprächstreffen und Supervisionen. Die Teilnahme an allen Veranstaltungen sei verbindlich (Ziffer 5 des Vertrages). Aufwendungen für Fahrtkosten würden entsprechend dem Bundesreisekostengesetz ersetzt. Die Kilometer-Pauschale betrage 0,30 € pro gefahrenem Kilometer (Ziffer 6 des Vertrages). Bei Tätigkeitsausfall, der länger als eine Woche andauere, müsse die Beigeladene zu 1) eine Vertretung stellen und dieses dem Verein anzeigen (Ziffer 7 des Vertrages). Die Tätigkeit unterliege nach übereinstimmender Auffassung nicht der Versicherungspflicht. Die Beigeladene zu 1) versichere, dass sie für einen ausreichenden persönlichen Schutz selbst sorge und die Versteuerung des Honorars selbst vornehme (Ziffer 10 des Vertrages). Die Beigeladene zu 1) erhalte durch ihre Tätigkeit für den Kläger Kontakt zu Jugendämtern, Gerichten, Schulen und anderen Auftraggebern. Diese Institutionen stünden ausschließlich mit dem Kläger in Vertragsbeziehungen. Die Beigeladene zu 1) verpflichte sich, für die Dauer des Vertrages und 12 Monate seit der letzten Hono...

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