Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattungstatbestand. nicht rechtzeitige Leistungsmöglichkeit einer Krankenkasse bei medizinischer Unaufschiebbarkeit der Leistung. Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen nicht rechtzeitiger Leistungserbringung und Entstehung der Kostenlast auf Seiten des Versicherten. Begriff der Unaufschiebbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es bleibt offen, ob auch für den Kostenerstattungstatbestand der nicht rechtzeitigen Leistungsmöglichkeit der Krankenkasse bei medizinischer Unaufschiebbarkeit der Leistung (§ 13 Abs 3 S 1 Alt 1 SGB V) zwischen der nicht rechtzeitigen Leistungserbringung und der Entstehung der Kostenlast auf Seiten des Versicherten ein Kausalzusammenhang vorliegen muss, mit der Folge, dass ein entsprechender Kostenerstattungsanspruch bei bereits im Zeitpunkt der Beantragung der Leistung gegebenen Vorfestlegung des Versicherten auf die Inanspruchnahme der begehrten Therapie entfiele.

2. Zum Begriff der Unaufschiebbarkeit der Leistung im Sinne des § 13 Abs 3 S 1 Alt 1 SGB V.

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 18. September 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für alle Rechtszüge nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten für eine Protonentherapie zur Behandlung der metastasierten Krebserkrankung ihres mittlerweile verstorbenen Ehemannes.

Die Klägerin war Ehefrau und ist Sonderrechtsnachfolgerin ihres als Mitglied der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Ehemannes M… K…, der am … 2015 infolge seiner Krebserkrankung verstorben ist. Bei dem Ehemann der Klägerin wurde im Jahr 2003 ein Nierenzellkarzinom diagnostiziert, woraufhin die Niere operativ entfernt wurde. Im Jahr 2005 wurden bei dem Ehemann der Klägerin erneut Tumore festgestellt, woraufhin im Juni jenes Jahres die Resektion einer von Metastasen befallenen Rippe durchgeführt wurde. Im Mai 2008 unterzog sich der Ehemann mehreren Teilresektionen aufgrund von beidseitig aufgetretenen Lungenmetastasen, in deren Folge er sich auch Chemotherapien unterziehen musste. Im Oktober 2009 mussten das Zwerchfell und Teile des Herzbeutels aufgrund der metastasierenden Tumorerkrankung entfernt werden. Seit Juli 2010 zeigten sich bei dem Ehemann der Klägerin erneut Metastasen in dem rechten Lungenflügel, die ein erhebliches aggressives Wachstum aufwiesen, dazu traten Lymphknotenmetastasen. Ein Ansprechen auf chemotherapeutische Pharmazeutika war nicht mehr auszumachen.

Am 10. Januar 2011 fragte der Ehemann der Klägerin daraufhin bei dem Rinecker Proton Therapy Center (RPTC) die Möglichkeit nach, bei ihm eine Protonentherapie durchführen zu können, bei welcher Teilchenbeschleuniger Tumore mit aus Wasserstoff gewonnenen Protonen beschießen. Die Protonentherapie soll Tumore zielgenauer und mit einer höheren Wirkdosis bestrahlen können, dies bei geringerer Schädigung des umliegenden Gewebes als das bei herkömmlicher Röntgenbestrahlung im Rahmen der Photonentherapie der Fall wäre. Am 11. Januar 2011 setzte der Ehemann der Klägerin die Beklagte von seiner Kontaktaufnahme zum RPTC in Kenntnis und teilte mit, nach Behandlungszusage und Mitteilung der entstehenden Kosten werde er einen Antrag auf Kostenübernahme stellen. Am 2. Februar 2011 übersandte er der Beklagten einen Kostenvoranschlag der Chirurgischen Klinik Rinecker GmbH & Co. KG als Trägerin des RPTC (RPTC-Trägerin) über 18.978,45 EUR. Die Beklagte beauftragte daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Bayern, der in seinem nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 8. Februar 2011 ausführte, dass bislang nicht durch klinische Studien belegt sei, dass die Protonentherapie gegenüber der anerkannten Hochpräzisionsbestrahlung mit Photonen einen Behandlungsvorteil biete. Dem Ehemann der Klägerin sei daher zu empfehlen, im Rahmen einer interdisziplinären Tumorkonferenz abklären zu lassen, ob - bei ggf. bestehender Inoperabilität - mit vertretbarer Toxizität eine Photonenbestrahlung durchgeführt werden könne. Daraufhin lehnte die Beklagte die von dem Kläger begehrte Kostenübernahme für die Protonentherapie am RPTC mit Bescheid vom 11. Februar 2011 ab.

Bereits am 4. Februar 2011 hatte der Kläger an die RPTC-Trägerin - wie von dieser gefordert - den Betrag von 18.978,45 EUR vorschussweise gezahlt und am 8. Februar 2011 einen Flug nach M... gebucht, um sich dort im RPTC vorzustellen. Am 14. Februar 2011 legte der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid vom 11. Februar 2011 Widerspruch ein, flog am 16. Februar 2011 nach M... und ließ dort im RPTC am 17. Februar 2011 eine vorbereitende Computertomographie (CT) durchführen. Anschließend reiste der Kläger nach Schleswig-Holstein zurück und wurde vom 18. bis zum 21. Februar 2011 stationär in der Lungenklinik in G... wegen blutigem Auswurf behandelt. Durch eine dort durchgeführte Bronchoskopie konnte eine Tumorinfiltration der Lunge, eine frische Blutungsquelle und endobronch...

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