Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. ehrenamtlich tätiger Kreishandwerksmeister. Abgrenzung zur selbständigen Tätigkeit. Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben. Überwachung der Geschäftsführung. Repräsentativfunktion

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Versicherungspflicht eines ehrenamtlich tätigen Kreishandwerksmeisters.

 

Normenkette

SGB IV § 7 Abs. 1, § 28p Abs. 1 S. 5; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1; SGB XI § 20 Abs. 1 S. 2; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB III § 25 Abs. 1; HwO § 87

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 29. Oktober 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 2.877,43 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob für den Beigeladenen zu 1) für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009 Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung in Höhe von 2.877,43 EUR nachzuentrichten sind.

Der Beigeladene zu 1) ist Inhaber eines Handwerksbetriebes. Im streitbefangenen Zeitraum war er zugleich Kreishandwerksmeister der Klägerin. Seine Aufgaben ergaben sich zunächst aus der Satzung der Kreishandwerkerschaft des Landkreises Segeberg vom 1. Juni 1999 und später aus der Satzung der Klägerin vom 2. Januar 2007, nachdem sich die Handwerksinnungen des Landkreises Segeberg und des Stadtkreises Neumünster zur Kreishandwerkerschaft Mittelholstein zusammengeschlossen hatten.

In der Zeit vom 17. Juni 2010 bis 20. Januar 2011 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009 durch. Die Beklagte ermittelte, dass dem Beigeladenen zu 1) für seine Tätigkeit als Kreishandwerksmeister folgende Aufwandsentschädigungen gewährt worden waren:

2006   

3.690,00 EUR,

2007   

4.500,00 EUR,

2008   

7.200,00 EUR,

2009   

7.200,00 EUR.

Nach vorheriger Anhörung der Klägerin forderte die Beklagte mit Bescheid vom 24. Januar 2011 (Widerspruchsbescheid vom 12. September 2011) Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 2.877,43 EUR nach. Zur Begründung führte sie aus, der Beigeladene zu 1) sei aufgrund der satzungsmäßigen Verwaltungsaufgaben, die von ihm durchgeführt worden seien, versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Bei der gewährten Aufwandsentschädigung handele es sich nach Abzug des Freibetrages nach § 3 Nr. 12 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerlich und beitragsrechtlich um Arbeitsentgelt. Für die nach Abzug des jeweiligen Freibetrags (2006 = 1.848,00 EUR, 2007 = 1.848,00 EUR, 2008 = 2.100,00 EUR, 2009 = 2.100,00 EUR) verbleibenden Entgelte seien bei vorliegender Mitgliedschaft in einer privaten Krankenversicherung in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2007 pauschale Rentenversicherungsbeiträge für eine geringfügig entlohnte Beschäftigung nachberechnet worden. Für geringfügig Dauerbeschäftigte müsse der Arbeitgeber für Entgeltabrechnungszeiträume ab 1. April 2003 pauschale Sozialversicherungsbeiträge ausschließlich an die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (Minijob-Zentrale) abführen, und zwar 12 %, ab 1. Juli 2006 15 %. Für die Zeit ab 1. Januar 2008 überschreite der um den Freibetrag geminderte Entgeltbetrag in Höhe von 425,00 EUR im Monat die monatliche Entgeltgrenze von 400,00 EUR für eine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. Es trete Versicherungspflicht nach den allgemeinen Vorschriften in der Sozialversicherung ein. Aufgrund der hauptberuflichen Selbständigkeit des Kreishandwerksmeisters als Inhaber eines Handwerksbetriebes bestehe in der Krankenversicherung keine Versicherungspflicht. Versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung seien Personen, die als Arbeitnehmer gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt seien, soweit sie nicht nach §§ 27 Abs. 1 bis 4 sowie 28 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) versicherungsfrei seien. Die Nachberechnung der fehlenden Beiträge erfolge unter Berücksichtigung der Gleitzonenregelung. Für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 sei die Insolvenzgeldumlage von den Unfallversicherungsträgern erhoben worden. Für Entgeltabrechnungszeiträume ab dem 1. Januar 2009 werde die Insolvenzgeldumlage von den Einzugsstellen zusammen mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag eingezogen und arbeitstäglich an die Bundesagentur für Arbeit weitergeleitet. Die Insolvenzgeldumlage sei für das Jahr 2009 bisher nicht entrichtet worden und werde deshalb ebenfalls nacherhoben.

Die Klägerin hat am 10. Oktober 2011 Klage beim Sozialgericht Lübeck erhoben. Sie hat geltend gemacht, das Ehrenamt des Beigeladenen zu 1) sei durch Repräsentationsaufgaben geprägt. Neben den aus seiner Organstellung als Vorstandsvorsitzender der Klägerin resultierenden Verwaltungsaufgaben übe er keine weiteren Verwaltungsfunktionen aus. Sie würden von der Geschäftsführung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Geschäftsstell...

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