Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehinderter. Nachteilsausgleich H. Hilflosigkeit. zeitlicher Mindestumfang des Hilfebedarfs

 

Orientierungssatz

1. Kein Anspruch auf Zuerkennung des Nachteilsausgleichs H bei einem zeitlichen Umfang des täglichen Hilfebedarfs von 1 Stunde 10 bzw 1 Stunde 25 Minuten.

2. Der Senat geht davon aus, dass die Frage des Verhältnisses zwischen den Pflegestufen nach dem Pflegeversicherungsgesetz und der Hilflosigkeit iS des § 33b EStG durch die Vorschrift des § 65 Abs 2 S 2 EStDV 1955 idF vom 20.12.1996 nicht geklärt ist. Die EStDV beruht auf der gesetzlichen Ermächtigung in § 33b Abs 7 EStG. Danach wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, wie "nachzuweisen" ist, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Pauschbeträge vorliegen. Demgegenüber beinhaltet die Vorschrift keine Rechtsgrundlage für die Einschränkung des Kreises der materiell Anspruchsberechtigten. Vor diesem Hintergrund kann der Wortlaut des § 65 Abs 2 EStDV 1955 idF vom 20.10.1996 aus Sicht des Senats nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Verordnungsgeber den Begriff der Hilflosigkeit iS von § 33b Abs 6 S 2 EStG einzuschränken beabsichtigte.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.02.2003; Aktenzeichen B 9 SB 4/01 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 4. Mai 1999 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht  zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten -- noch -- darüber, ob bei dem Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs (Merkzeichens) "H" vorliegen.

Bei dem 1926 geborenen Kläger sind folgende Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannt und zuletzt durch Bescheid vom 28. Juli 1981 bestandskräftig neu festgestellt worden:

1.    Verlust des linken Beines im Oberschenkel mit Stumpfneuralgien,

2.    rechtwinklige Versteifung des rechten Fußgelenkes und Bewegungseinschränkung seiner Zehen, trophische Störungen im unteren Drittel des rechten Unterschenkels und am rechten Fuß sowie starke Hautempfindungsstörungen im Bereich der rechten Fußsohle (Teilschädigung des rechten Schienbeinnerven),

3.    Narben am Rücken, Gesäß, rechten Bein und linken Oberschenkel sowie Stecksplitter in den Weichteilen des Nackens, des linken Gesäßes, der rechten unteren Gliedmaße und des Oberschenkelstumpfes links,

4.    Abflussstörungen am rechten Unterschenkel mit Schwellungsneigung,

5.    Splitter im linken Ellenbogen.

Der Kläger erhält deshalb Versorgung nach § 30 Abs. 1 BVG aufgrund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H.

Auf der Grundlage dieses Bescheides wurde dem Kläger ein Schwerbehindertenausweis mit den Nachteilsausgleichen "G", "B", "aG" und "1. Klasse" ausgestellt.

Sein im Mai 1989 gestellter Antrag auf Gewährung einer Pflegezulage nach § 35 BVG wurde durch Bescheid vom 14. Februar 1990 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. November 1991 abgelehnt und blieb auch im anschließenden Klageverfahren S 12 V 235/91 und dem Berufungsverfahren L 2 V 24/94 erfolglos (Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 20. November 1995).

Im März 1996 beantragte der Kläger nach dem Schwerbehindertengesetz die Zuerkennung der Nachteilausgleiche "H" und "RF". Er trug dazu vor, er leide unter sehr starken Beschwerden im Nacken, in der Brust, im Rücken, im Kreuz und im rechten Bein. Im rechten und linken Handgelenk bestünden starke Beschwerden besonders bei Belastung. Außerdem leide er unter mangelnder Tränenflüssigkeit in beiden Augen und bleibender Behinderung im Sehvermögen nach der Operation eines grauen Stars. Seine Behinderungen bedingten starke Schmerzen und eine erhebliche Beeinträchtigung in den körperlichen Bewegungsabläufen des täglichen Lebens, weil er diese zu einem wesentlichen Teil nicht mehr durchführen könne (wegen Schwindels, Verkrampfung der Muskulatur und Beeinträchtigung des Sehvermögens bei grellem Licht und bei Dunkelheit).

Das Versorgungsamt zog einen Befundbericht der Augenärzte Dres. O und Kollegen, R, nebst beigefügtem Protokoll über Gesichtsfelduntersuchungen und Arztbrief der Klinik für Ophthalmologie der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu K über eine Untersuchung am 17. Januar 1995, den vorläufigen Entlassungsbericht dieser Klinik über eine Behandlung des Klägers am 26./27. Januar 1995 sowie den Bescheid der Barmer Ersatzkasse (BEK) -- Pflegekasse -- vom 18. Juli 1995 über die Gewährung einer Geldleistung nach der Pflegestufe I ab 1. April 1995 sowie das zugrundeliegende Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Schleswig-Holstein (Dr. E, Untersuchung am 9. Juni 1995) bei und holte hierzu eine Stellungnahme der Versorgungsärztin Dr. L ein.

Durch Bescheid vom 9. Oktober 1996 lehnte es den Antrag ab, hinsichtlich des Merkzeichens "H" mit der Begründung, der Kläger bedürfe nicht f...

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