Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung bei Großeltern. gemeinsamer Haushalt mit minderjähriger Kindesmutter
Orientierungssatz
1. Eine Zuordnung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zu einem Großelternteil scheidet nicht schon deshalb aus, weil die entsprechende Zeit schon bestandskräftig bei der Kindesmutter als rentenrechtliche Zeit festgestellt wurde.
2. Ein Pflegekindschaftsverhältnis nach § 56 Abs 3 Nr 3 SGB 1 ist auch unter Verwandten grundsätzlich möglich. Ein solches ist ausnahmsweise auch bei Fortführung eines gemeinsamen Haushaltes mit der Kindesmutter anzunehmen, wenn nach der maßgeblichen gesetzlichen Regelung (hier: nach dem Recht der ehemaligen DDR) ein Erziehungsrecht der minderjährigen Kindesmutter nicht besteht und die überwiegende Erziehung durch den Pflegeelternteil erfolgt ist.
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 1. August 2019 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung ihres Rentenbescheides vom 25. Mai 2018 verurteilt, ihr ab 1. Mai 2018 eine höhere Altersrente für besonders langjährig Versicherte unter Berücksichtigung der Zeit vom 14. August 1988 bis 16. Juli 1991 als Zeit der Kindererziehung bzw. als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für das 1988 geborene Kind G neu zu gewähren.
2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für den Zeitraum 14. August 1988 bis zum 16. Juli 1991 für ihr 1988 in J (Beitrittsgebiet) geborenes Enkelkind G.
Die 1953 in W (Beitrittsgebiet) geborene Klägerin ist Mutter der in J geborenen Beigeladenen P. Letztere wohnte am 14. August 1988, als sie ihr Kind G zur Welt brachte, bis zum 9. September 1993 bei der Klägerin. Vater des Kindes ist M. Die Beigeladene begann am 3. Oktober 1988 eine dreijährige Ausbildung in Vollzeit, die sie im Februar 1991 beendete.
Im „Ausweis der Klägerin für Arbeit und Sozialversicherung“ wurden vom 26. April 1988 bis 31. Dezember 1988 42 Arbeitsausfalltage eingetragen, für den Zeitraum 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 1990 jeweils die Buchstaben „Mü“. Die Eintragungen erfolgten durch den FDGB-Feriendienst K, dem Arbeitgeber der Klägerin.
Mit Bescheid vom 12. Januar 2011 wurden die Zeiten 1. September 1988 bis 31. August 1989 als Kindererziehungszeiten auf die Beigeladene übertragen. Die Zeit vom 1. September 1989 bis 31. August 1990 wurde mit Hinweis auf § 307d Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) EGPT (Beitrittsgebiet) abgelehnt. Als Berücksichtigungszeit wurde der Zeitraum 14. August 1988 bis 13. August 1998 anerkannt.
Am 23. Mai 2016 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Feststellung von Kindererziehungs- und -berücksichtigungszeiten für ihr Enkelkind, konkret für den Zeitraum 14. August 1988 bis 16. Juli 1991. Hierzu legte sie den Sozialversicherungs- und Impfausweis ihres Enkels vor, in dem sie als Erziehungsberechtigte benannt war. Fünf Tage nach der Geburt des Enkels wurde dieser von der Universitäts-Frauenklinik J ausgestellt.
Die von der Beklagten vorgenommen Ermittlungen ergaben, dass die Beigeladene bereits eine Versichertenrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) bezieht.
Mit Bescheid vom 21. Juli 2016 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie aus, eine Anerkennung der geltend gemachten rentenrechtlichen Zeiten sei nicht möglich, weil diese bereits im Versicherungskonto der Beigeladenen berücksichtigt wurden.
Hiergegen erhob die Klägerin am 10. August 2016 Widerspruch. Sie sei vom Staat als Erziehungsberechtigte eingesetzt worden, da ihre Tochter zum Zeitpunkt der Niederkunft erst 15 Jahre alt war. In der Zeit vom 14. August 1988 bis 16. Juli 1991 sei ihr Enkelkind als ihr sechstes Kind geführt worden, weshalb sie auch Kindergeld bezogen habe. Die Mütterzeit habe auch sie zum größten Teil übertragen erhalten. Wie sich aus dem Sozialversicherungsausweis ergebe, sei sie in den vorgesehenen Wochen von der Arbeit ohne Bezahlung freigestellt worden. Ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zwischen den leiblichen Eltern und dem Kind G habe es nicht gegeben, da beide Elternteile minderjährig gewesen wären. Zudem verwies die Klägerin auf den Sozialversicherungs- und Impfausweis, in dem sie als Erziehungsberechtigte unterschrieben habe. Die Eintragungen im Sozialversicherungsausweis seien Beweis dafür, dass sie das Erziehungsrecht gehabt habe. Sonst hätte sie keine unbezahlte Freistellung erhalten können. Die Anzahl der 42 Ausfalltage im Sozialversicherungsausweis 1988 passe mit dem Beginn der Ausbildung der Beigeladenen im Oktober 1988 zusammen. Die Beigeladene habe um 6 Uhr das H...