Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung. Rücktransport. Auslandsaufenthalt. Nichtgewährleistung. sachgerechte Behandlung. EU-Bereich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Erstattung von Transportkosten ist auch dann gemäß § 60 Abs 4 S 1 SGB 5 ausgeschlossen, wenn die ursächliche Erkrankung im Bereich der EU eingetreten ist. Dies gilt nicht allein für die Flugkosten ins Inland, sondern auch für den anschließenden Transport vom Flughafen ins Krankenhaus.

2. Die Koordinierungsnorm des Art 22 EWGV 1408/71 steht dem nicht entgegen.

3. Art 3 Abs 1 GG gebietet es nicht, § 18 SGB 5 analog anzuwenden, falls eine sachgerechte Behandlung im Ausland nicht gewährleistet ist.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.02.1999; Aktenzeichen B 1 KR 1/98 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch gegenüber der Beklagten auf die Erstattung der Kosten für einen Rücktransport aus dem Ausland hat.

Die Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Am 27. September 1993 erlitt sie auf S /Griechenland bei einem Verkehrsunfall eine Schädelfraktur mit Blutungen. Am 28. September wurde sie mit einem Flugzeug von S nach A in die Neurochirurgische Station des Krankenhauses A V transportiert. Die dortigen Ärzte sahen eine weitere diagnostische Abklärung von Sprachstörungen als erforderlich an, die in der Klinik nicht durchgeführt werden konnte. Daraufhin wurde die Klägerin mit einem Ambulanzflugzeug in das Allgemeine Krankenhaus H in H transportiert. Für den Flug von S nach A entstanden der Klägerin ausweislich der Bescheinigungen des Deutschen Roten Kreuzes umgerechnet Kosten in Höhe von 897,82 DM, für den Flug von A nach H Kosten in Höhe von 30.454,50 DM, für den Abtransport vom Flughafen H in das AK H Kosten in Höhe von 382,32 DM und für ein Computertomogramm in Griechenland Kosten in Höhe von 192,50 DM.

Am 23. November 1993 beantragte die Klägerin die Erstattung der ihr entstandenen Kosten. Mit Bescheid vom 2. Dezember 1993 erklärte sich die Beklagte bereit, die Kosten für die Anfertigung des Computertomogramms bei Vorlage der Rechnung zu übernehmen. Die Übernahme der Transportkosten aus dem Ausland lehnte sie mit der Begründung ab, sie stellten keine Kassenleistungen dar.

Hiergegen legte die Klägerin am 7. Dezember 1993 mündlich und am 9. Dezember schriftlich Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 1993 zurückwies. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, § 60 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) schließe die Übernahme der Transportkosten aus dem Ausland in das Inland aus. Die wesentliche Ursache für den Rücktransport liege nicht in der Erkrankung am Urlaubsort, sondern in der freiwilligen Entfernung aus dem Inland. Auch die Transportkosten vom Flughafen H zum Allgemeinen Krankenhaus H könnten nicht übernommen werden, denn bei natürlicher Betrachtungsweise stelle sich diese Wegetappe als Teil der Rückreise aus Griechenland und damit als Teil des Rücktransports aus dem Ausland dar. Auch der gesetzliche Ausnahmefall, daß die Transportkosten zu erstatten sind, die im Zusammenhang mit einer nur im Ausland möglichen Krankenbehandlung entstehen, lägen hier nicht vor. Im übrigen handele es sich bei der Gesetzeslage um zwingendes Recht, welches Kulanzregelungen nicht zulasse.

Gegen die ihr am 14. April 1994 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 16. Mai 1994, einem Montag, beim Sozialgericht Itzehoe Klage erhoben.

Im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Transportkosten für den Flug von S nach A anerkannt, die Klägerin hat das Anerkenntnis angenommen.

Zur Begründung der Klage hat die Klägerin vorgetragen, der Wortlaut des § 60 Abs. 4 SGB V erfasse die Kosten für den Abtransport vom Flughafen zum Allgemeinen Krankenhaus H nicht, denn hierbei handele es sich nicht um Transportkosten aus dem Ausland, sondern im Inland. Das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung gewähre grundsätzlich Leistungen innerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes, unabhängig davon, wo der Krankheitsfall eingetreten sei. Im Hinblick auf Europäisches Gemeinschaftsrecht sei § 60 Abs. 4 SGB V nicht anwendbar. Der Transport innerhalb der Europäischen Gemeinschaft müsse so behandelt werden, als handele es sich um einen Transport innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Die Transportkosten von A nach H seien im übrigen zwar vom Wortlaut des § 60 Abs. 4 SGB V erfaßt, jedoch müsse diese Regelung im Zusammenhang mit § 18 SGB V verfassungskonform ausgelegt werden. Dies gebiete der Gleichheitsgrundsatz. Im Zusammenhang mit § 18 regele § 60 Abs. 4 SGB V, daß die Reisekosten in das Ausland und vom Ausland übernommen werden könnten, wenn eine notwendige Behandlung nur im Ausland durchgeführt werden könne. Nichts anderes dürfe gelten, wenn ein Versicherter in das Inland verbracht werden müsse, weil nur hier die erforderliche Krankenhausbehandlung gewährt werden könne. Dies sei der Fall gewesen. Der Sinn des § 60 Ab...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge