Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Kostenübernahme für Rücktransport aus einem Mitgliedstaat zwecks stationärer Weiterbehandlung im Inland
Leitsatz (amtlich)
Die gesetzliche Krankenkasse hat für Rücktransporte aus dem Ausland auch dann nicht aufzukommen, wenn der Versicherte von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zur stationären Weiterbehandlung ins Inland verlegt wird.
Normenkette
EWGV 1408/71 Art. 22 Abs. 1; EWGV 1612/68 Art. 7 Abs. 2; SGB V § 13 Abs. 3, § 16 Abs. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1, § 60 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1, § 18 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Ersatzkasse. Wegen einer Schädelfraktur infolge eines Verkehrsunfalls während eines Urlaubs auf der griechischen Insel Samos wurde sie zunächst nach Athen zur stationären Behandlung geflogen. Die dortigen Ärzte hielten eine weitere diagnostische Abklärung von Sprachstörungen für notwendig, die nach ihrer Auffassung nur in Deutschland durchgeführt werden konnte. Für den daraufhin durchgeführten Transport in ein Krankenhaus in Hamburg entstanden der Klägerin Kosten in Höhe von über 30.000 DM, die von der Beklagten nicht übernommen wurden (Bescheid vom 2. Dezember 1993; Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 1993; Teilanerkenntnis vor dem Senat hinsichtlich der Fahrkosten in Hamburg vom Flughafen zum Krankenhaus).
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage unter Berufung auf Art 22 der Verordnung über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (EWGV 1408/71) stattgegeben, das Landessozialgericht (LSG) hat sie mit Urteil vom 26. August 1997 abgewiesen. Dem Anspruch der Klägerin stehe § 60 Abs 4 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) entgegen. Aus § 18 SGB V ergebe sich nichts anderes, denn um eine Behandlung im Ausland gehe es hier nicht; nur im Zusammenhang mit einer solchen sei nach § 60 Abs 4 Satz 2 SGB V auch der Rücktransport aus dem Ausland geschuldet. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden dagegen nicht. Auch Art 22 EWGV 1408/71 stütze den Anspruch nicht. Unabhängig davon, ob der Krankentransport als Sachleistung oder als Geldleistung einzuordnen sei, würden die nationalen Leistungsansprüche durch die Bestimmungen der EWGV 1408/71 nicht ausgedehnt, vielmehr würden die verschiedenen nationalen Ansprüche lediglich koordiniert. Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von Art 22 EWGV 1408/71. Danach und nach den insoweit anwendbaren griechischen Rechtsvorschriften habe sie einen Anspruch auf den Transport nach Deutschland zur hiesigen Behandlung. § 60 Abs 4 SGB V schließe diesen Anspruch nicht aus; andernfalls handle es sich um eine europarechtswidrige Diskriminierung von Versicherten, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machten. Daher habe das SG zutreffend entschieden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG abzuändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Itzehoe vom 18. April 1996 zurückzuweisen, soweit es die Erstattung der Flugkosten von Athen nach Hamburg betrifft.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Den Anspruch auf die Kosten für den Transport vom Flughafen zum Krankenhaus in Hamburg hat die Beklagte anerkannt. Nachdem die Klägerin dieses Teilanerkenntnis angenommen hat, ist der Rechtsstreit insoweit erledigt.
Die Erstattung der Flugkosten von Athen nach Hamburg hat die Beklagte zu Recht abgelehnt. Der Flug gehört zwar als Nebenleistung zu der in Deutschland durchgeführten stationären (Weiter-)Behandlung, so daß die deutschen Vorschriften anzuwenden sind und der griechische Träger nicht zuständig sein kann. Die gesetzliche Krankenversicherung ist für Krankentransporte aus dem Ausland jedoch nicht leistungspflichtig; ob die besonderen Voraussetzungen der Kostenerstattung für den nach dem SGB V grundsätzlich als Sachleistung zu erbringenden Krankentransport vorliegen, kann deshalb offenbleiben. Der Leistungsausschluß verletzt weder ein europarechtliches Diskriminierungsverbot noch beeinträchtigt er das Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit.
Der Anspruch auf die Übernahme von Kosten für Fahrten und Krankentransporte (Fahrkosten) richtet sich nach § 60 Abs 1 SGB V. Sie werden von der Krankenkasse nach Maßgabe von § 60 Abs 2 und 3 SGB V übernommen, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse notwendig sind; das ist nach § 60 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V bei stationärer Behandlung grundsätzlich der Fall. Nach § 60 Abs 4 Satz 1 SGB V werden die Kosten des Rücktransports in das Inland nicht übernommen; nach Satz 2 bleibt § 18 SGB V unberührt, der in seinem Abs 2 die Krankenkasse ermächtigt, neben den Kosten für die Behandlung weitere Kosten zu übernehmen, wenn nach § 18 Abs 1 SGB V eine dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nur im Ausland möglich ist.
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Fahrkosten im Wege der Kostenerstattung. Zwar stellt der Krankentransport grundsätzlich eine Sachleistung dar, wie der 3. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut und den Sachleistungsgrundsatz entschieden hat (BSGE 77, 119, 128 f = SozR 3-2500 § 133 Nr 1 S 11 f); dem hat sich der 3. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) angeschlossen (Urteil vom 26. November 1998 - III ZR 223/97 - NJW 1999, 858 = VersR 1999, 339). Auch der erkennende Senat macht sich diese Rechtsauffassung zu eigen, denn eine andere Auslegung würde dem eindeutigen Gesetzesbefehl des § 13 Abs 1 SGB V nicht gerecht. Daß bei bestimmten in § 60 Abs 3 SGB V genannten Verkehrsmitteln mangels vertraglicher Beziehungen keine unmittelbare Abrechnung der Krankenkasse mit dem Leistungserbringer in Betracht kommt, rechtfertigt nicht den Schluß, der Sachleistungsgrundsatz sei bei Krankenfahrten generell außer Kraft gesetzt. Ein Sachleistungsanspruch kam für die Klägerin jedoch von Anfang an nicht in Frage, denn der Transport war schon durchgeführt, als die Beklagte mit der Angelegenheit befaßt wurde (Antrag vom 18. November 1993).
Grundlage des geltend gemachten Anspruchs kann nach alledem nur § 13 Abs 3 SGB V sein, der die Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Leistung vom Unvermögen der Krankenkasse zur rechtzeitigen Erbringung einer unaufschiebbaren Leistung oder von einer vorherigen rechtswidrigen Ablehnung (dazu Senatsbeschluß vom 15. April 1997 - BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 15) abhängig macht. Ob die näheren Umstände des durchgeführten Krankentransports, insbesondere der Gesundheitszustand der Klägerin, eine vorherige Einschaltung der Beklagten ausschlossen, so daß es auf deren Fehlen nicht ankommt, kann der Senat mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen nicht prüfen. Da der Erstattungsanspruch jedoch aus anderen Gründen scheitert, braucht dieser Frage nicht weiter nachgegangen zu werden. Denn jedenfalls kann eine Kostenerstattung lediglich für Leistungen beansprucht werden, die zumindest ihrer Art nach zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehören. Das ist hier nicht der Fall.
Der Übernahme der Kosten für den Flug von Athen nach Hamburg steht § 60 Abs 4 Satz 1 SGB V entgegen. Diese Vorschrift ist anwendbar, weil der durchgeführte Krankentransport als inländische Leistung zu behandeln ist und in die grundsätzliche Zuständigkeit der Beklagten fällt. Das gilt zunächst aus der Sicht des nationalen Rechts. Die Bestimmungen des § 60 SGB V kennzeichnen Krankenfahrten sinngemäß als akzessorische Nebenleistungen, die ausschließlich dazu dienen, die im konkreten Fall erforderliche Krankenbehandlung als Hauptleistung zu ermöglichen und erfolgreich zum Abschluß zu bringen; in diesem Zusammenhang hat das BSG stets betont, daß Nebenleistungen in bezug auf die Kostentragung grundsätzlich wie die Leistung zu behandeln sind, zu der sie gehören (BSG USK 8312; USK 82118; BSG SozR 2200 § 194 Nr 5 mwN; vgl auch BSG USK 9083). Alleiniger Grund für die Verpflichtung zur Übernahme von Fahrkosten ist der Umstand, daß erfolgversprechende Behandlungsmaßnahmen an einen bestimmten Ort gebunden sein können; insofern prägen Grund und Art der Hauptleistung gleichzeitig Umfang und weitere Bedingungen der Nebenleistung (vgl BSGE 55, 37 = SozR 2200 § 194 Nr 10). Dieser Zusammenhang hat beispielsweise auch in § 60 Abs 2 Nr 1 SGB V seinen Niederschlag gefunden, denn darin wird der Anspruch auf die Übernahme von Fahrkosten lediglich davon abhängig gemacht, daß die Behandlungsleistung in einer bestimmten Form - nämlich stationär - erbracht wird.
Die (Weiter-)Behandlung der Klägerin im Allgemeinen Krankenhaus Heidberg in Hamburg ist die im vorliegenden Fall maßgebende Hauptleistung, der die fragliche Krankentransportleistung zuzuordnen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Anspruch auf den Transport weitere Ausschlußgründe - etwa die fehlende medizinische Notwendigkeit - entgegengehalten werden könnten. Nachdem der Ruhensgrund des § 16 Abs 1 Nr 1 SGB V durch die Einreise der Klägerin in die Bundesrepublik entfallen war, steht die Verantwortung der Beklagten für die weitere Behandlung in einem der nächstgelegenen geeigneten Krankenhäuser (vgl § 39 Abs 2, § 73 Abs 4 Satz 3 SGB V) fest. Die Beklagte hat sich diese Hauptleistung auch tatsächlich zu eigen gemacht, wobei es unerheblich ist, ob dies in Form der Kostenübernahmeerklärung bzw der schlichten Zahlung an das Krankenhaus oder der ausdrücklichen Bewilligung gegenüber der Versicherten geschehen ist. Die Zuständigkeit der Beklagten für die Krankenhauspflege zieht deren Zuständigkeit für die Krankenfahrt und die Anwendbarkeit der deutschen Rechtsvorschriften nach sich; nur dieses Ergebnis wird dem Vorrang gerecht, der die Behandlung gegenüber den akzessorischen Leistungen des Krankenversicherungsschutzes auszeichnet.
Auf die Behandlung in Athen kann der Transport der Klägerin demgegenüber nicht bezogen werden. Auch bei einer Verlegung zwischen zwei inländischen Krankenhäusern wird die damit verbundene Fahrt durch die Notwendigkeit der Weiterbehandlung im aufnehmenden Krankenhaus verursacht und steht infolgedessen mit dieser iS von § 60 Abs 1 Satz 1 SGB V "im Zusammenhang" (vgl BSGE 55, 37 = SozR 2200 § 194 Nr 10; BSGE 48, 139 = SozR 2200 § 194 Nr 4). Lediglich ein Transport nach Hause, wenn die Behandlung abgeschlossen ist, kann auf die vorhergehende Hauptleistung bezogen werden (BSGE 54, 279 = SozR 2200 § 194 Nr 9). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Die dargestellte Zuordnung gilt auch bei Verlegungen vom Ausland ins Inland. Das hat das BSG bereits früher entschieden, indem es den Transport als "grenzüberschreitende Leistung" der Zuständigkeit des deutschen Krankenversicherungsträgers zugeordnet und nicht den Regeln des im damaligen Falle in Betracht kommenden deutsch-spanischen Sozialversicherungsabkommens unterstellt hat (BSGE 47, 79, 80 = SozR 2200 § 194 Nr 3 S 4).
Der rechtlichen Zuordnung des Ambulanzflugs nach Hamburg zu den dort erbrachten stationären Leistungen und der daraus folgenden Anwendbarkeit des deutschen Rechts steht das europäische Gemeinschaftsrecht nicht entgegen. Zwar beruht der Krankentransport der Klägerin auf einem Versicherungsfall im EG-Ausland, der seinerseits die Notwendigkeit unverzüglicher Behandlung und infolgedessen einen Sachleistungsanspruch gegen den griechischen Krankenversicherungsträger ausgelöst hat. Denn nach Art 22 Abs 1 Buchst a Ziffer i EWGV 1408/71 erhalten Arbeitnehmer und ihre Angehörigen während eines vorübergehenden Aufenthalts in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU) Sachleistungen vom Träger des Aufenthaltsorts. Der hier insoweit verantwortliche griechische Träger hat diese Leistungen durch die Erstbehandlung in Griechenland - entsprechend der ihm gemeinschaftsrechtlich zugewiesenen Zuständigkeit als aushelfender Träger für Rechnung der Beklagten - auch erbracht. Seine weitergehende Leistungspflicht für den Krankentransport nach Hamburg ließe sich jedoch nur begründen, wenn eine von zwei Voraussetzungen erfüllt wäre: wenn entweder der Akzessorietätsgrundsatz im Gemeinschaftsrecht nicht gelten würde und der Krankentransport gemeinschaftsrechtlich nicht der Behandlung in Deutschland, sondern dem Ort des Leistungsbedarfs zuzuordnen wäre, oder wenn die gemeinschaftsrechtlich angeordnete Leistungsaushilfe und das dabei anzuwendende griechische Recht nicht nur die Erstbehandlung, sondern auch die Weiterbehandlung in einem (aus griechischer Sicht) ausländischen Krankenhaus umfassen würde, um dem Erkrankten eine in Griechenland nicht erreichbare medizinische Versorgung zu verschaffen. Weder das eine noch das andere ist jedoch der Fall.
Dazu bedarf es letztlich keiner Entscheidung, in welchem Umfang der Grundsatz der Akzessorietät auch im Gemeinschaftsrecht zur Abgrenzung von Zuständigkeiten heranzuziehen ist. Der Zusammenhang zwischen Transportkosten und Behandlung in der dem LSG vorgelegten "Stationären Behandlungsordnung" des griechischen Rechts (Art 3a Abs 2 Buchst a) mag dafür sprechen, daß es sich um einen internationalen Grundsatz handelt. Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) weist in diese Richtung, indem Sachleistungen von Geldleistungen danach unterschieden werden, ob sie einem konkreten Krankheitsbedarf zugeordnet oder unabhängig von bestimmten Auslagen periodisch in einem festen Betrag zur weitgehend freien Verwendung des Begünstigten erbracht werden müssen (EuGH SozR Nr 1 zu Art 2 EWGV 3 Bl Aa4; EuGHE 1998 I-880 = NZS 1998, 240 = Breith 1998, 407 jeweils RdNrn 31 bis 34). Denn diese Abgrenzung legt es nahe, auch die jeweilige Krankenbehandlung und die erforderlichen Nebenleistungen als rechtliche Einheit zu behandeln. Da es jedoch auf diese Überlegung letztlich nicht ankommt, kann diese Frage offenbleiben.
Jedenfalls scheitert das klägerische Begehren unter den beiden weiter oben aufgezeigten gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten daran, daß die Leistungsaushilfe des örtlichen (hier: griechischen) Trägers lediglich den begrenzten Zweck hat, die kostenfreie Krankenbehandlung für den Zeitraum sicherzustellen, in dem der eigentlich zuständige Träger die Sachleistung wegen des Territorialitätsprinzips nicht zur Verfügung stellen kann. Ob daneben eine Leistungspflicht des griechischen Trägers nach griechischem Recht für die Weiterbehandlung in Deutschland auch daran scheitern würde, daß die griechische "Stationäre Behandlungsordnung" ebenso wie Art 22 Abs 1 Buchst c EWGV 1408/71 und § 18 SGB V eine - hier fehlende - vorherige Zustimmung des zuständigen Versicherungsträgers voraussetzen, und daß mangelnde Sprachkenntnisse der einheimischen Ärzte eine Auslandsbehandlung nicht ohne weiteres rechtfertigen, bedarf infolgedessen keiner Entscheidung.
Die Bestimmungen der EWGV 1408/71 sollen erreichen, daß der Versicherungsschutz erhalten bleibt, wenn die Bürger der Mitgliedsstaaten innerhalb der EU von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen: Sobald und soweit der zuständige Träger den Krankenversicherungsschutz wegen des Auslandsaufenthalts seines Versicherten nicht mehr gewährleisten kann, muß der ausländische Träger mit seinen Leistungen, aber für Rechnung des zuständigen Trägers, eintreten. Dieser Zweck kann eine Inanspruchnahme des ausländischen Versicherungsträgers nicht rechtfertigen, wenn der Versicherte in das Inland zurückkehrt und der zuständige Träger nur (noch) deshalb an Versicherungsleistungen gehindert ist, weil er inländische Beschränkungen des Versicherungsschutzes zu beachten hat (vgl auch EuGH SozR 6050 Art 3 Nr 3). In Übereinstimmung damit unterscheiden die europarechtlichen Vorschriften zwischen Geldleistungen, für deren Erbringung im Ausland keine Hindernisse bestehen, und Sachleistungen, die an das Territorium des zuständigen Staates gebunden sind.
Das Territorialitätsprinzip hindert die deutsche Krankenkasse weder am Rücktransport ihrer Versicherten mit einem Ambulanzflugzeug nach Deutschland (auch im Falle der Klägerin wurde ein deutsches Flugzeug mit Standort in München eingesetzt) noch an der medizinischen Versorgung in einem Krankenhaus mit deutschen Ärzten. Infolgedessen wäre es mit dem Grundsatz der Leistungsaushilfe nicht zu vereinbaren, wenn der griechische Träger diese Leistungen "für Rechnung" des deutschen Trägers zu erbringen hätte und sich von der Beklagten erstatten ließe. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Übergang der Zuständigkeit ist der Beginn der Verlegung nach Hamburg (Entlassung aus dem Krankenhaus in Athen). Zu diesem Zeitpunkt ist die Erbringung von Sachleistungen durch den griechischen Träger tatsächlich beendet worden; gleichzeitig war die Beklagte nicht mehr tatsächlich gehindert, den nächsten Schritt bei der Betreuung der Klägerin, nämlich die Verlegung nach Deutschland, in eigener Verantwortung zu veranlassen.
Die demnach auch gemeinschaftsrechtlich begründete Zuständigkeit der Beklagten für den Krankentransport hat die Anwendbarkeit der deutschen Vorschriften und damit den Leistungsausschluß nach § 60 Abs 4 Satz 1 SGB V zur Folge. Der Transport von Athen nach Hamburg wird von dem Begriff des "Rücktransports" erfaßt. Rein begrifflich kann damit allerdings entweder jede Rückreise von einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt in das Inland oder nur die Rückreise nach Hause nach dem Abschluß einer - vor allem stationären - Behandlung gemeint sein. Unter dem im deutschen Recht maßgeblichen Aspekt der Akzessorietät besteht für den zuletzt angesprochenen Sachverhalt kein Regelungsbedarf, denn mangels inländischer Hauptleistung kommt eine Einstandspflicht der Krankenkasse sowieso nicht in Betracht. Wenn § 60 Abs 4 Satz 1 SGB V dennoch nicht ganz auf die Fälle des Krankentransports zur Weiterbehandlung im Inland beschränkt sein sollte, so stehen diese zumindest im Vordergrund. Auch die bisherige Rechtsprechung hat den Begriff im umfassenden Sinne verstanden (BSGE 47, 79, 81 = SozR 2200 § 194 Nr 3 S 5: zur stationären Weiterbehandlung in Deutschland; BSGE 48, 139, 141 = SozR 2200 § 194 Nr 4 S 10: zur stationären Weiterbehandlung am Wohnort; vgl auch BSGE 54, 279, 280 = SozR 2200 § 194 Nr 9 S 21: zur Wohnung nach Behandlungsabschluß). Da der Gesetzgeber bei Schaffung des § 60 Abs 4 Satz 1 SGB V ausdrücklich an die bisherige Rechtsprechung angeknüpft hat und deren Praxis für alle Versicherungsfälle außerhalb des Geltungsbereichs des SGB V verallgemeinern wollte (Begründung zu § 68 Abs 4 des Entwurfs, BT-Drucks 11/2237 S 187), wäre eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auch mit der Entstehungsgeschichte nicht zu vereinbaren. Zudem sind sachliche Gründe für eine Unterscheidung nach dem Zweck des Rücktransports nicht erkennbar. Das Kostenrisiko ist in beiden Fällen gleich hoch und der zur Abdeckung dieses Risikos relativ preiswert angebotene private Versicherungsschutz erfaßt beide Anlässe.
Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch mit der Wertung, die § 18 Abs 2 SGB V zugrunde liegt. Danach kann die Krankenkasse neben den Kosten für eine Behandlung im Ausland weitere Kosten für den Versicherten und für eine erforderliche Begleitperson ganz oder teilweise übernehmen, wenn nach § 18 Abs 1 SGB V eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist. Obwohl das LSG sich hierzu nicht abschließend geäußert hat, unterstellt der Senat dabei zugunsten des geltend gemachten Anspruchs, daß eine Weiterbehandlung der Klägerin in Griechenland aufgrund des dort nicht abzuklärenden Verdachts von Sprachstörungen nicht sinnvoll und die Übernahme in ein deutsches Krankenhaus medizinisch geboten war. Ob die mit unterschiedlichen Sprachräumen zusammenhängende Unmöglichkeit der medizinischen Abklärung und Behandlung dem Fall gleichzustellen ist, daß eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nur im Ausland möglich ist, wie § 18 Abs 1 Satz 1 SGB V es verlangt, kann hier dahinstehen (vgl BSG SozR 3-2500 § 28 Nr 1: Gebärdendolmetscher). Während die im Rahmen von § 18 SGB V entstehenden Reisekosten ausschließlich behandlungsbezogen sind, werden die in § 60 Abs 4 SGB V angesprochenen Fahrkosten durch die medizinisch nicht veranlaßte Auslandsreise des Versicherten zumindest mitverursacht. Wenn der Gesetzgeber das Krankenversicherungsrisiko auf die ausschließlich krankheitsbedingten Auslandsreisekosten beschränkt und dem Versicherten, der sich aus privaten Gründen ins Ausland begibt, das Risiko jeglicher Rückreisekosten aufbürdet, auch soweit sie medizinisch veranlaßt sind, so liegt darin kein Wertungswiderspruch. Aus dem gleichen Grund scheidet eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Grundgesetzes aus.
Entgegen der Auffassung der Klägerin stößt dieses Ergebnis schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Freizügigkeit in der EU auf Bedenken. Die unterschiedliche soziale Absicherung in den Mitgliedsstaaten der EU ist bisher nicht als Verstoß gegen das Gebot aufgefaßt worden, die Freizügigkeit der Sozialversicherten (Arbeitnehmer) zu gewährleisten (Huster, NZS 1999, 11; ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl etwa SozR 6050 Art 3 Nr 3). Bei den Sachleistungen der Krankenversicherung ist das besonders deutlich: Wechselt der Versicherte in ein anderes Land, ist er auf den dort geltenden Leistungskatalog beschränkt, auch wenn er sich dadurch in seiner Freizügigkeit gehemmt sieht. Das gilt aber auch für andere Sozialversicherungsleistungen, soweit die EWGV 1408/71 einschlägige Vorschriften enthält. Leistungen bei Arbeitslosigkeit und damit zusammenhängend bei Krankheit können nach Art 69, 25 EWGV 1408/71 beschränkt sein oder ganz verloren gehen, wenn der Versicherte sich außer Landes begibt. Das wird vom EuGH in ständiger Rechtsprechung hingenommen (zuletzt: EuGH SozR 3-6050 Art 67 Nr 3). Auch Familienbeihilfen können im Ausland entfallen, ohne daß ein Verstoß gegen das Freizügigkeitsprinzip vorliegt (EuGH SozR 6050 Art 77 Nr 6).
§ 60 Abs 4 SGB V führt für den in Deutschland Versicherten zu keiner anderen Sicherungslücke als sie durch die Leistungsbeschränkungen der EWGV 1408/71 und durch den dort festgelegten Grundsatz der Leistungsaushilfe des örtlichen Trägers bei Sachleistungen ebenfalls eintritt, ohne daß bisher dagegen Bedenken erhoben werden. Solange der deutsche Urlauber in Griechenland im Rahmen der Leistungsaushilfe angemessen versorgt werden kann, wird ihm durch § 60 Abs 4 SGB V nichts vorenthalten, auf was er europarechtlich zum Schutz vor Krankheitskosten Anspruch hat. Durch das Risiko der medizinischen Unterversorgung bei Erkrankungen im Ausland wird der Freizügigkeitsgrundsatz nicht verletzt. Europarechtlich handelt es sich zunächst nicht um ein Problem des deutschen, sondern des jeweiligen ausländischen Leistungsrechts; das wird daran deutlich, daß in Griechenland ebenso wie in Deutschland ein weitgehender Schutz vor Unterversorgung im (jeweiligen) Inland dadurch gewährleistet ist, daß der Versicherte zur Behandlung ins Ausland gebracht werden kann. Daß vorher die medizinische Notwendigkeit besonders gründlich zu prüfen ist und der Anspruch von einer Genehmigung abhängt, ist nicht zu beanstanden und stimmt mit der europarechtlichen Wertung überein (Art 22 Abs 1 Buchst c EWGV 1408/71).
Auch Art 7 Abs 2 EWGV 1612/68 ist nicht verletzt. Danach genießt ein Arbeitnehmer aus einem anderen Mitgliedsstaat der EU im Beschäftigungsstaat die gleichen sozialen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer. Inwiefern diese Vorschrift neben der EWGV 1408/71 bei den von dieser erfaßten Sozialversicherungsleistungen überhaupt anwendbar ist, kann der Rechtsprechung des EuGH nicht mit letzter Klarheit entnommen werden (Huster, NZS 1999, 12 ff mwN). Nationale Regelungen sind insoweit vor allem dann problematisch, wenn sie an die Staatsangehörigkeit des für eine Leistung in Betracht kommenden Versicherten anknüpfen.
Wanderarbeitnehmer sind allerdings durch die genannte Vorschrift auch dann geschützt, wenn sie nur mittelbar diskriminiert werden - etwa wenn sie die geltenden Leistungsvoraussetzungen seltener erfüllen können als Inländer, oder wenn sie von Leistungsausschlüssen eher betroffen sind als Inländer. Der Leistungsausschluß des § 60 Abs 4 SGB V trifft Wanderarbeitnehmer jedoch nicht nachhaltiger als deutsche Versicherte. Zwar kann unterstellt werden, daß Wanderarbeitnehmer öfters zu Urlaubszwecken in ihren Heimatstaat reisen als Deutsche, so daß bei ihnen auch das Risiko höher ist, im Ausland zu erkranken. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß bei ihnen der Fall eines notwendigen Rücktransports in den Beschäftigungsstaat gehäuft auftreten kann - insbesondere wenn man dabei berücksichtigt, daß die Notwendigkeit des Rücktransports der Klägerin auf den mangelnden Deutschkenntnissen der griechischen Ärzte beruht. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist demnach eine Verletzung europarechtlicher Vorschriften nicht zu begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei war das Teilanerkenntnis der Beklagten nicht zu berücksichtigen, denn es betrifft nur einen verschwindend geringen Teil des geltend gemachten Anspruchs.
Fundstellen
BSGE, 285 |
SGb 1999, 293 |
VersR 2000, 740 |
KVuSR 2001, 17 |
SozSi 2000, 98 |