Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkende Festsetzung höherer Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung

 

Orientierungssatz

1. Ist in einem Beitragsbescheid die Beitragshöhe in der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung als vorläufig ausgewiesen worden, so ist die Kasse trotz eingetretener Bindungswirkung berechtigt, rückwirkend höhere Beiträge nachzuerheben. Ein Vertrauensschutz besteht insoweit nicht.

2. Nach der Regelung des § 240 Abs. 4 SGB 5 wirken sich höhere und niedrigere Einkommen regelmäßig nur zukunftsbezogen in einer Anpassung der Beitragshöhe aus. Rückwirkende Änderungen in der Beitragsbemessung sind nur im Fall einer unterbliebenen Mitteilung höherer Einkommen und im Fall der ersten Beitragsfestsetzung nach einer vorausgegangenen vorläufigen Festsetzung möglich.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 19. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Beitragshöhe zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Die Klägerin war vom 5. August 2002 bis zum 29. Februar 2004 bei der Beklagten freiwillig gegen Krankheit versichert und Mitglied der Pflegeversicherung. Seit dem 5. August 2002 ist sie als EDV-Beraterin selbstständig tätig. Ihr monatliches Einkommen bezifferte sie im Oktober 2002 gegenüber der Beklagten auf 1.700,00 EUR entsprechend 20.400,00 EUR jährlich. Die Beklagte setzte die monatlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin zunächst vorläufig fest, und zwar mit Bescheid vom 30. Oktober 2002 ab 5. August 2002 in Höhe von 194,70 EUR zuzüglich 26,90 EUR und ab 1. September 2002 in Höhe von 233,92 EUR zuzüglich 29,90 EUR. Mit Bescheid vom 9. April 2003 setzte sie die Beiträge vorläufig ab 1. Januar 2003 in Höhe von 237,40 EUR zuzüglich 30,34 EUR fest. Die Klägerin wurde in beiden Bescheiden aufgefordert, für die endgültige Festlegung Einkommenssteuerbescheide bzw. Einkommenssteuervorauszahlungsbescheide vorzulegen. Am 10. Januar 2005 übersandte die Klägerin der Beklagten den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2002, nach dem sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 18.564,00 EUR und Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit in Höhe von 21.848,00 EUR erzielt hatte. Mit Bescheid vom 4. Februar 2005 setzte die Beklagte die Beiträge auf der Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze für die Zeit ab 5. August 2002 in Höhe von monatlich 448,88 EUR für die Krankenversicherung und 57,38 EUR für die Pflegeversicherung fest, für das erste Quartal 2003 in Höhe von 458,86 EUR zuzüglich 58,66 EUR, für das zweite bis vierte Quartal 2003 in Höhe von 489,90 EUR und 58,66 EUR und für Januar/Februar 2004 in Höhe von 495,22 EUR und 59,28 EUR. Insgesamt forderte sie von der Klägerin eine Beitragsnachzahlung in Höhe von 4.838,40 EUR. Dagegen legte die Klägerin am 2. März 2005 Widerspruch ein, mit dem sie geltend machte, ihr Einkommen habe sich nachträglich verringert. Sie legte den Einkommenssteuerbescheid vom 17. März 2005 für das Jahr 2003 vor, demzufolge sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von insgesamt 16.604,00 EUR erzielt hatte, die sich aus Verlusten in Höhe von 625,00 EUR und gesondert festgestellter Einkünfte in Höhe von 17.229,00 EUR zusammensetzten. Sie führte aus, eine Beitragsnachzahlung komme lediglich für die Zeit von August bis Dezember 2002 in Betracht, ab Januar 2003 müsse eine Neubemessung vorgenommen werden. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2005 zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die im Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2002 ausgewiesenen Einkünfte in Höhe von 18.564,00 EUR habe die Klägerin in fünf Monaten der selbstständigen Tätigkeit erzielt. Das durchschnittliche Einkommen in Höhe von 3.712,80 EUR liege über der Beitragsbemessungsgrenze, die daher als Grundlage für die Beitragsbemessung heranzuziehen sei. Freiwillige Mitglieder unterlägen Mitwirkungspflichten und hätten Änderungen in den Einkommensverhältnissen auf Verlangen unverzüglich mitzuteilen. Die Beiträge müssten anhand aussagekräftiger amtlicher Unterlagen ermittelt werden. Vor allem Einkommenssteuerbescheide und Vorauszahlungsbescheide der Finanzämter seien hierfür heranzuziehen. Änderungen könnten mit Bekanntgabe eines neuen Steuerbescheides berücksichtigt werden. Zum Zeitpunkt der Steuerfestsetzung für das Jahr 2002 sei die Mitgliedschaft bereits beendet gewesen, so dass sich die Beiträge für das gesamte Mitgliedschaftsverhältnis an ihr hätten ausrichten müssen. Auch bei einer aktuellen Beitragsfestsetzung aufgrund der tatsächlichen Steuerverhältnisse im Jahre 2002 wäre keine andere Entscheidung getroffen worden.

Gegen die Entscheidung hat die Klägerin am 26. Mai 2005 beim Sozialgericht Itzehoe Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, die Tatsache, dass Einkommensveränderungen sich nur zukunftsbezogen auf die Beitragshöhe...

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