Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorarverteilungsmaßstab. Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelung. starre Grenzziehung. vorhersehbarer Vergütungsanspruch
Orientierungssatz
1. Fallzahlzuwachsbegrenzungen können nicht grundsätzlich als rechtswidrig angesehen werden. Unzulässig ist lediglich die starre Grenzziehung für eine Praxiserweiterung mit einer Nichtabrechnung der weiteren Behandlungsfälle ohne Berücksichtigung der Umstände für die Fallzahlausweitung und der Gesamthonoraranforderung des abrechnenden Arztes.
2. Fallzahlzuwachsbegrenzungen sind zudem lediglich dann ein angemessenes Verteilungskriterium, wenn dem Vertragsarzt im Zeitpunkt der Leistungserbringung vorhersehbar ist, in welchem Umfang er diese Leistung vergütet erhält.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 23. Oktober 2002 insoweit aufgehoben, als damit der Klagantrag zu 1. abgewiesen wurde. Der Honorarabrechnungsbescheid der Beklagten vom 1. März 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2000 für das Quartal III/99 wird insoweit aufgehoben, als darin das Honorar des Klägers in Anwendung des § 12 Abs. 4 a HVM gekürzt worden ist.
Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Für die 1. Instanz haben sich die Beteiligten jeweils die Hälfte ihrer Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten ein höheres Honorar für das Quartal III/99; streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Fallzahlbegrenzung.
Die Abgeordnetenversammlung der Beklagten beschloss am 25. Juni 1997 für den Zeitraum ab 1. Juli 1997 bis 1999 in § 12 des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) eine Fallzahlzuwachsbegrenzung mit folgendem Wortlaut:
4a: Überschreitet der prozentuale Zuwachs der Budget relevanten Behandlungsfälle einer Arztgruppe 5 v.H., unterliegen die Ärzte dieser Arztgruppe einer Fallzahlzuwachsbegrenzung.
Hierzu werden die 5 v.H. der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe im Vorjahresquartal als absolute Zahl ermittelt. Überschreitet die Fallzahlzunahme einer Praxis diese Zahl, wird die anzuerkennende Honorarforderung im Maße dieser Überschreitung quotiert.
4b: Ärzte, deren individuelle Gesamtbudgets nach Abs. 4a abgesenkt wurden, haben Anspruch auf anteilige Aufhebung der Quotierung, wenn sie im Verlauf der folgenden drei Quartale die Grenzwerte ihrer Arztgruppe entsprechend unterschreiten.
4c: Bei Überschreitungen der zulässigen Fallzahltoleranz, die durch länger andauernde Praxisabwesenheit begründet sind, kann der Vorstand eine den Umständen angemessene Korrektur der Fallzahlzuwachsbegrenzung vornehmen. Der Vorstand erlässt hierzu Durchführungsbestimmungen.
4d: Die Fallzahlzuwachsbegrenzung gilt nicht für Ärzte, die weniger als 16 Quartale abgerechnet haben, solange ihre Fallzahl im Vergleich zu ihrer Gruppe unterdurchschnittlich ist.
Ab 1999 lautete 4d: Die Fallzahlzuwachsbegrenzung gilt nicht für Ärzte, die im aktuellen Quartal nicht die durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe erreichen.
4e: Beim Statuswechsel einer Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft oder mehrere Einzelpraxen oder Gemeinschaftspraxen in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander gilt für die ehemaligen Praxispartner die gemeinsame Fallzahl im Vorjahresquartal als Vergleichsbasis. Wird diese überschritten, wird ihr Honoraranspruch entsprechend quotiert. Absätze 4b und 4c finden Anwendung.
4f: Vergleichswerte für die Fallzuwachsbegrenzung sind die budgetrelevanten Behandlungsfälle der Arztgruppe.
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7. Honorarausgleichsmaßnahmen sind zulässig.
8. Über unbillige Härtefälle infolge der Anwendung dieses HVM entscheidet auf Antrag der Vorstand. EBM-bedingte Umsatzeinbußen gelten nicht als Härtefälle im Sinne dieses HVM.
Der Kläger ist seit I/96 in K-M als niedergelassener Chirurg und Unfallchirurg zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Von Mai 1998 bis Oktober 1999 beschäftigte er mit Genehmigung der Beklagten einen Weiterbildungsassistenten. In der Honorarabrechnung für das Quartal IV/98 kürzte die Beklagte seine Honoraranforderung unter Anwendung der Fallzahlzuwachsbegrenzungsregelung des § 12 Abs. 4a HVM in Höhe von 6.510,58 DM. Zu Grunde legte sie dabei eine Budget relevante Fallzahl des Klägers für das Quartal IV/98 von 974 bei einer Budget relevanten Fallzahl im Vorjahresquartal von 863. Damit sei die Toleranzgrenze (5 % = 33 Fälle) um 78 Fälle überschritten worden. Daraus ergebe sich die Kürzung des Honorars von 6.510,58 DM auf die Honorarsumme (vor Abzug des Verwaltungskostenbeitrages) von 104.045,23 DM. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Der erkennende Senat gab mit Urteil vom 18. Oktober 2001 der Klage statt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Im Quartal III/99 nahm die Beklagte (wie in den Quartalen I und II/99 zunächst davor) eine erneute Fallzahlzuwachsbegrenzung vor und kürzte die Honorarabrechnung in Höhe von 5.013,36 DM. Zu Grunde legte sie dabei eine Budget...