Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorarverteilungsgerechtigkeit. Differenzierungsgebot. psychotherapeutische Leistung. Punktwertstützung
Orientierungssatz
1. Das dem Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit innewohnende Differenzierungsgebot kann verletzt sein, wenn die Honorierung aller ärztlichen Leistungen nach einem einheitlichen Punktwert infolge eines starken Anstiegs der Menge der abgerechneten Punkte zu einem massiven Absinken des Punktwertes und als dessen Konsequenz zu einer schwerwiegenden Benachteiligung einer Gruppe von Leistungserbringern führt, die wegen der strikten Zeitgebundenheit der von ihr erbrachten Leistungen die Leistungsmenge - im Unterschied zu anderen Gruppen - nicht ausweiten kann (vgl zuletzt BSG vom 25.8.1999 - B 6 KA 17/98 R = SozR 3-1500 § 12 Nr 13).
2. Eine Handlungs- und Korrekturpflicht der Kassenärztlichen Vereinigung hinsichtlich einer Punktwertstützung besteht auf jeden Fall dann, wenn der vertragsärztliche Umsatz vollausgelasteter psychotherapeutisch tätiger Ärzte oder Psychologen, soweit sie überwiegend oder ausschließlich zeitabhängige und seitens der Krankenkasse genehmigungsbedürftige Leistungen erbringen, erheblich hinter dem durchschnittlichen Praxisüberschuß vergleichbarer Arztgruppen zurückbleibt (vgl BSG vom 25.8.1999 - B 6 KA 17/98 R = aaO).
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Honorierung der von der Klägerin erbrachten psychotherapeutischen Leistungen.
Die Klägerin ist Diplom-Psychologin und war im Rahmen der Erbringung von Leistungen im Delegationsverfahren berechtigt, tiefenpsychologisch fundierte und analytische Psychotherapie durchzuführen. Aufgrund der entsprechenden Abtretungserklärungen der delegierenden Ärzte rechnete die Klägerin direkt mit der Beklagten ab.
Die Klägerin legte Widerspruch gegen ihre Honorarabrechnungen für die Quartale I + II/96 ein. Zur Begründung führte sie aus, die Abgeordnetenversammlung der Beklagten habe am 22. Mai 1996 für antragspflichtige psychotherapeutische Leistungen beschlossen, daß diese mit 1 Pfennig oberhalb des allgemein ausgezahlten Punktwertes vergütet werden. Dies habe die Beklagte bei den Honorarabrechnungen für die Quartale I und II/96 nicht berücksichtigt. Ärztlichen Psychotherapeuten hingegen sei der Stützpfennig gewährt worden. Für diese Unterscheidung gebe es keine rechtliche Grundlage.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 1997 wies die Beklagte die Widersprüche mit der Begründung zurück, die damals beschlossene Stützung sei erkennbar auf Vertragsärzte beschränkt gewesen und nicht auf die nichtärztlichen Psychotherapeuten anzuwenden. Der Widerspruchsbescheid ist der Klägerin am 27. Juni 1997 zugestellt worden.
Die Klägerin hat am 28. Juli 1997, einem Montag, Klage erhoben und zur Begründung ergänzend vorgetragen, warum die Stützungsregelung erkennbar auf Vertragsärzte beschränkt sein solle, sei nicht nachvollziehbar.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die ihr für das I. und II. Quartal 1996 zustehende Vergütung aus vertragsärztlicher Tätigkeit (Primär- und Ersatzkassen) unter Abänderung der Honorarbescheide vom 2. September bzw. 17. Oktober 1996 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 1997 dahingehend neu zu berechnen, daß der in der Abgeordnetenversammlung vom 22. Mai 1996 für psychotherapeutische Leistungen nach dem Genehmigungsverfahren (Gebührenordnungspositionen 871 bis 884) beschlossene Stützpfennig auch den von ihr erbrachten Leistungen zugrunde gelegt wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 12. Mai 1997 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Abgeordnetenversammlung habe beschlossen, bestimmte Leistungen, die auch die Klägerin im Delegationsverfahren abrechnen könne, nämlich tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, analytische Psychotherapie und Verhaltenstherapie (Nummern 871 bis 884), mit je einem Pfennig über dem normalen Punktwert zu stützen. Das habe aber nur für die Ärzteschaft gegolten. Zwar könne die Formulierung "psychotherapeutische Punktleistungen nach dem Genehmigungsverfahren" dahin ausgelegt werden, daß diese Leistungen auch für die Delegationspsychologen gestützt werden sollten. Dem stehe jedoch der weitere Satz entgegen, die Stützung dürfe nicht dazu führen, daß mit dem Gesamtnettohonorar des Arztes das durchschnittliche Nettohonorar aller Ärzte überschritten werde. Diese Formulierung sei eindeutig und beziehe sich nur auf Ärzte. Anderenfalls hätte die Bezeichnung Psychotherapeuten, Ärzte und Psychologen o.ä. gewählt werden müssen. Mitglied der KV seien seinerzeit nicht die Klägerin, sondern die -- delegierenden -- Ärzte gewesen. Auch das spreche dafür, daß lediglich Ärzte, nicht aber nichtärztliche Psychotherapeuten die Stützung erhalten sollten. Es habe seinerzeit keine Vergleichbarkeit der nichtärztlichen Psychotherapeuten mit ärztlichen Psychotherapeuten hinsichtlich der Vergütung gegeben. Fraglo...