Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges. Angewiesensein auf das Kfz. regelmäßige Benutzung. Sicherstellung der Mobilität durch andere Beförderungsmöglichkeiten. Zumutbarkeit der Inanspruchnahme von zB öffentlichen Verkehrsmitteln, Behindertenfahrdiensten, Taxis und Mietautos. Notwendigkeit der Benutzung eines eigenen Kfz. Schulbesuch, Studium, profimäßig betriebener Sport
Leitsatz (amtlich)
1. Hilfe zur Beschaffung eines Kfz nach § 8 EinglHVO (juris: BSHG§47V) wird nur dann gewährt, wenn der behinderte Mensch ständig oder regelmäßig, dh täglich oder fast täglich auf die Benutzung eines Kfz angewiesen ist.
2. Ist die erforderliche Mobilität in zumutbarer Weise durch andere Hilfsmittel, zB durch die Nutzung eines Behindertenfahrdienstes oder von öffentlichen Verkehrsmitteln oder in sonstiger Weise (Krankentransport, Taxi, Mietauto) sichergestellt, ist der behinderte Menschen nicht auf die Nutzung eines eigenen Kfz angewiesen.
3. Die Beförderung durch Taxis, Mietautos oder einen Behindertenfahrdienst ist zumutbar, auch wenn solche Beförderungsmöglichkeiten nicht sofort und ständig zur Verfügung stehen.
4. Auch einem behinderten Menschen kann zugemutet werden, gewisse Unannehmlichkeiten und Zeitverzögerungen in Kauf zu nehmen, die mit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder von Behindertenfahrdiensten verbunden sein können.
5. Allein für Freizeitaktivitäten wie Verwandten- und Bekanntenbesuche, Urlaub, Besuche von kulturellen Veranstaltungen, Einkäufe und Fahrten zu Behörden oder Ärzten ist ein eigenes Kfz nicht notwendig.
6. Für den Schulbesuch, das Studium oder vom behinderten Menschen profimäßig betriebenem Sport kann im Einzelfall die Nutzung eines eigenen Kfz erforderlich sein.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 23. März 2011 wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung eines Zuschusses zur Anschaffung eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges (Kfz).
Der Kläger ist am … 1990 geboren. Er leidet an einer Spina bifida (so genannter offener Rücken). Bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 100 festgestellt und es sind die Merkzeichen “G„, “B„, “aG___AMPX_‚_SEMIKOLONX___X„ und “H„ zuerkannt worden.
Am 27. Januar 2008 beantragte der Kläger u. a. die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines behindertengerechten Kfz. Zu diesem Zeitpunkt wohnte er bei seinen Eltern und besuchte den 12. Jahrgang eines Gymnasiums. Zur Begründung führte er an, er sei auf die vollständige Hilfe seiner Eltern angewiesen, die ihn zur Schule und zu anderen Aktivitäten befördern müssten. Außerdem spiele er Rollstuhl-Basketball und sei Mitglied der U23-Nationalmannschaft. Daher müsse er zweimal wöchentlich in H... und einmal wöchentlich in L... trainieren und an den Wochenenden zu Spielen seiner Mannschaft fahren. Zudem seien noch Fahrten zu Terminen wie Physiotherapie, Arztbesuchen, Klavierunterricht und weitere persönliche Aktivitäten und Veranstaltungen erforderlich.
Trotz Befürwortung des Sozialpädagogischen Dienstes vom 19. März 2008 lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 14. Mai 2008 ab. Hiergegen legte der Kläger am 2. Juni 2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2008 zurückgewiesen wurde. Der Kläger hat am 27. November 2008 Klage erhoben und vorgetragen, er sei wegen des Schulbesuches und seiner sportlichen Aktivitäten auf die Nutzung eines Kfz angewiesen. Die Busse der Schülerbeförderung könne er wegen der tobenden Schüler und des Gedränges nicht nutzen. Außerdem spiele er Rollstuhl-Basketball sowohl in der U23-Nationalmannschaft und für L... in der Oberliga sowie für H... in der 2. Bundesliga. Wegen des Trainings und der Spiele an den Wochenenden sei er daher auf die Benutzung eines Kfz angewiesen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 14. Mai 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag auf Gewährung eines Zuschusses zur Anschaffung eines behindertengerechten Kraftfahrzeugs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, die Schülerbeförderung sei für den Kläger zumutbar. Hinsichtlich der Teilnahme am Training in H... hat sie darauf verwiesen, dass auch Nichtbehinderte in einer auswärtigen Mannschaft nicht Sport treiben könnten, wenn ihnen hierfür die Transportmöglichkeiten fehlten.
Im Laufe des sozialgerichtlichen Verfahrens hat der Kläger mit Kaufvertrag vom 18. August 2009 ein gebrauchtes Kfz erworben, das bereits behindertengerecht umgerüstet war. Nach dem Abitur ist der Kläger zum 1. September 2009 nach Neu-A… umgezogen zwecks Studiums an der Fachhochschule Bad H...
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 16. Februar 2011 den Antrag auf Bewilligung von P...