Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Vergütung. Honorarverteilung. mengensteuernde Maßnahmen. Punktzahlvolumen. sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit einer auf die Gewährung einer höheren Vergütung gerichtete Anfechtungs- und Neubescheidungsklage eines Vertragsarztes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die auf die Gewährung einer höheren Vergütung gerichtete Anfechtungs- und Neubescheidungsklage eines Vertragsarztes ist nur insoweit zulässig, als die zuständige KÄV vorher einen Verwaltungsakt iSv § 31 SGB X erlassen hat, indem sie die Einräumung einer zuvor beantragten Rechtsposition (zB die vollständige Befreiung von mengensteuernden Maßnahmen) abgelehnt hat.

2. Vor dem Hintergrund begrenzter Gesamtvergütungen kann dem Grunde nach kein vertragsärztlicher Leistungsbereich generell von mengensteuernden Maßnahmen ausgenommen werden (Anschluss an BSG, Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 6/13 R = SozR 4-2500 § 87 Nr 29).

3. Werden in einem Honorarverteilungsmaßstab die mengensteuernden Maßnahmen unabhängig von dem tatsächlichen Zeitpunkt der Aufnahme einer vertragsärztlichen Tätigkeit innerhalb des Abrechnungsquartals festgelegt, ist die KÄV an diese pauschalierende Vorgabe gebunden.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 5. Dezember 2018 geändert.

Die Beklagte wird unter Änderung der PZV-Mitteilung und des Honorarbescheids für das Quartal IV/2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Dezember 2015 verurteilt, über den Honoraranspruch der Klägerin im Quartal IV/2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Klage- und Berufungsverfahrens wird jeweils auf 26.476 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Vergütung schmerztherapeutischer Leistungen.

Die Klägerin ist eine aus sieben Fachärzten für Anästhesiologie bestehende Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), die an der vertragsärztlichen Versorgung in Kiel teilnimmt. Deren fachärztliche Mitglieder D (voller Versorgungsauftrag Anästhesiologie) und F (halber Versorgungsauftrag Anästhesiologie/halber Versorgungsauftrag für Leistungen der speziellen Schmerztherapie als Sonderbedarf) führen dabei die Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ und erbringen dementsprechend auch schmerztherapeutische Leistungen.

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) wies der Klägerin in den „Mitteilungen Ihres Punktzahlvolumens“ für das Quartal IV/2014 ein Gesamt-PZV iHv 387.940,7 Punkten zu. Dabei entfiel auf den Anästhesisten D ein Volumen von 109.943 Punkten und auf den Anästhesisten F - ausgerichtet an dem (mit dem Faktor 0,8968 anteilig berechneten) Durchschnitts-PZV seiner Facharztgruppe - ein Volumen von 94.016,3 Punkten (Schreiben vom 18. November 2014). Diese PZV berücksichtigte die Beklagte auch im Honorarbescheid der Klägerin für das Quartal IV/2014, wobei die innerhalb des Gesamt-PZV erbrachten vertragsärztlichen Leistungen mit einem Punktwert von 0,1013 EUR und die das Volumen überschreitenden vertragsärztlichen Leistungen (iHv insgesamt 53.610,8 Punkten) mit einem Restpunktwert von 0,035255 EUR vergütet wurden.

Die Klägerin legte sowohl gegen die PZV-Mitteilung als auch gegen den Honorarbescheid für das Quartal IV/2014 Widerspruch ein und führte zur Begründung ua aus, dass das fachärztliche Mitglied F zu Unrecht nur ein anteiliges PZV erhalten habe. Außerdem übersteige der Bedarf an schmerztherapeutischen Leistungen den Umfang des anteiligen PZV deutlich, sodass aus Sicherstellungsgründen eine (Härtefall-)Anpassung dieses Volumens erforderlich sei.

Daraufhin lehnte zunächst des HVM-Team der Beklagten den Härtefallantrag der Klägerin ab. Das fachärztliche Mitglied F habe seine schmerztherapeutische Tätigkeit erst am 20. Oktober 2014 mit der Folge einer quartalsbezogen anteiligen PZV-Berechnung aufgenommen. Außerdem habe er im Quartal IV/2014 PZV-relevante schmerztherapeutische Leistungen nur in einem Umfang von 60.036,4 Punkten abgerechnet und damit sein Gesamthonorarvolumen nicht ausgeschöpft. Von einem Härtefall sei daher nicht auszugehen (Bescheid vom 14. Oktober 2015). Im Anschluss wies die Beklagte außerdem den zuvor eingelegten Widerspruch der Klägerin mit Hinweis auf den Bescheid des HVM-Teams zurück (Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2015).

Die Klägerin hat am 22. Dezember 2015 vor dem Sozialgericht (SG) Kiel eine den Umfang der Honorierung im Quartal IV/2014 betreffende Klage erhoben und in diesem Zusammenhang geltend gemacht, dass es rechtswidrig sei, ein PZV nur anteilig zu gewähren. Außerdem habe das fachärztliche Mitglied F in den ersten beiden Oktoberwochen 2014 Urlaub genommen und sei in dieser Zeit von D vertreten worden. Es bestehe daher nach den Vorgaben im Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten für das Quartal IV/2014 (HVM IV/2014) Anspruch auf das volle Durchschnitts-PZV der Anästhesisten. Unabhängig davon verstoße di...

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