Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Arbeitslosigkeit. Verfügbarkeit. Tagesmutter. Kinderbetreuung. Rücknahme. rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt. materielle Beweislastverteilung. Beweislosigkeit. Beweislastumkehr nach dem Grundsatz der Sphärenzuordnung
Orientierungssatz
1. Die Betreuung eigener und zusätzlich fremder Kinder in Tagespflege (§ 23 SGB 8) als Tagesmutter ohne Weisungsgebundenheit und Einkommens- bzw Gewinnerzielungsabsicht stellt keine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit iS von § 101 Abs 1 S 1 AFG dar und steht dem Vorliegen von Arbeitslosigkeit nicht entgegen.
2. Voraussetzung dafür, dass eine Kinderbetreuung der objektiven Verfügbarkeit des Arbeitslosen nicht entgegensteht, ist, dass bei Vorliegen eines Arbeitsangebots die Kinderbetreuung sofort abgebrochen bzw sofort anderweitig übernommen werden kann (vgl BSG vom 25.4.1991 - 11 RAr 9/90 = SozR 3-4100 § 134 Nr 7). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Übernahme der Betreuung für den Fall der Arbeitsaufnahme durch konkrete Vereinbarung verbindlich dauerhaft geregelt ist.
3. Im Fall der Rückforderung von Arbeitslosengeld richtet sich die Beweislast nach der der Rückforderung zu Grunde liegenden Norm, hier den Tatbestandsmerkmalen des § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 und 3 SGB 10, so dass die Beweislosigkeit der mangelnden Verfügbarkeit grundsätzlich der Bundesanstalt für Arbeit zur Last fällt. Allerdings ist bei dem Grundsatz der materiellen Beweislastverteilung die Zurechenbarkeit der Ungewissheit oder Unaufklärbarkeit einzelner Sachverhaltselemente zur Verantwortungssphäre der einen oder anderen beteiligten Seite zu berücksichtigen. Es entspricht daher der Sphärenzuordnung, dass sich die Beweisverteilung zu Lasten des Arbeitslosen ändern kann. Ist auch nicht nachzuweisen, dass der Arbeitslose nicht für eine sofortige und dauerhafte Betreuung der Kinder für die Zeit seiner Arbeitsaufnahme gesorgt hat, so hat der Arbeitslose seinerseits nicht die volle Beweislast zu tragen. Die Beweislastumkehr nach dem Grundsatz der Sphärenzuordnung führt lediglich dazu, dass die Arbeitslose einen schlüssig nachvollziehbaren Vortrag darzulegen hat, der erweislich ist und den Anschein zulässt, dass das nachzuweisende Ereignis tatsächlich stattgefunden hat. In diesem Fall neigt sich die Beweislast wieder der nach dem Grundsatz bestehenden Beweislastverteilung zu.
4. Deuten der Vortrag des Arbeitslosen und die Begleitumstände darauf hin, dass der Arbeitslose tatsächlich der Vermittlung nicht zur Verfügung stand und hat er weder die Umstände des Betreuungsverhältnisses bei der Arbeitslosmeldung mitgeteilt, noch Erkundigungen beim Arbeitsamt eingeholt, ob die Kinderbetreuung in ausgeübter Form dem Arbeitslosengeldanspruch entgegensteht, so fällt die Beweislosigkeit des Tatbestandsmerkmals der groben Fahrlässigkeit nach den genannten Beweislastregelungen in seine Sphäre und die Rücknahme der Arbeitslosengeldbewilligung für die Vergangenheit nach § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 und 3 SGB 10 ist gerechtfertigt.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 18. April 2000 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld ab 4. September 1997. Dabei geht es darum, ob die Klägerin der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand.
Die 1958 geborene Klägerin meldete sich am 27. August 1997 zum 4. September bei der Beklagten arbeitslos, nachdem sie im Anschluss an die Geburt ihres am 4. September 1994 geborenen Kindes Skrollan Erziehungsurlaub gehabt hatte. Zur Begründung für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 3. September 1997 gab sie an, ihre Tochter leide unter einer chronischen Bronchitis. Daher habe sie sie nicht in einen Kindergarten oder eine ähnliche Einrichtung geben können. Mit Bescheid vom 14. Oktober 1997 bewilligte die Beklagte ihr ab 4. September 1997 Arbeitslosengeld.
Die Klägerin hat selbst zwei Kinder. Sie war zusätzlich Tagesmutter für das 1991 geborene Kind Meik-André R. Sie erhielt hierfür monatlich 470,00 DM an Betreuungskosten zuzüglich 40,00 DM wöchentlich während der Schulzeit. Eine zum 1. Dezember 1997 bewilligte berufliche Bildungsmaßnahme trat sie wegen einer am 1. Dezember eingetretenen Arbeitsunfähigkeit nicht an. Am 9. Februar 1998 teilte sie der Beklagten mit, sie habe ihr Bewerbergesuch zum 1. Dezember 1997 zurückgezogen.
Mit Schreiben vom 27. März 1998 gab die Beklagte der Klägerin wegen einer beabsichtigten Rückforderung des Arbeitslosengeldes Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Klägerin führte hierzu aus, trotz der Betreuung von Meik-André habe sie der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden, denn sie habe jederzeit eine Arbeit aufnehmen können. Die Zeugin R hätte sofort eine Ersatzperson zur Betreuung gehabt. Mit Bescheid vom 17. April 1998 hob die Beklagte die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab 7. Se...