Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Vermögenseinsatz. Bestattungsvorsorgevertrag. Kündigungsrecht. Härtefall. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Da es sich bei einem Bestattungsvorsorgevertrag um einen dem Werkvertrag ähnlichen Vertragstyp handelt, ist eine Kündigung des Vertrages nach § 649 BGB grundsätzlich möglich. Ein Bestattungsvorsorgevertrag gehört demnach zum verwertbaren Vermögen iS des § 88 Abs 1 BSHG .
2. Eine Vorsorge des Hilfesuchenden für die Zeit nach seinem Tod kann weder unter den Begriff "angemessene Lebensführung" noch unter den Begriff Aufrechterhaltung einer "angemessenen Alterssicherung" (§ 88 Abs 3 S 2 BSHG) subsumiert werden. Eine Auslegung dahingehend, dass der Lebensabschnitt "Alter" auch den diesen Lebensabschnitt abschließenden Todesfall umfasst, überdehnt den Gesetzeswortlaut .
3. Die Annahme einer Härte iS des § 88 Abs 3 S 1 BSHG kommt nur dann in Betracht, wenn dies zu einem den Leitvorstellungen des § 88 Abs 2 BSHG entsprechenden Ergebnis führt. Ein bis zehn Tage vor dem Heimbezug vorhandenes Sparguthaben wäre (abzüglich des Schonvermögens) unzweifelhaft als Vermögen vor dem Bezug von Sozialhilfeleistungen einzusetzen gewesen. Die "Umwidmung" dieses Vermögens durch Einzahlung in einen Bestattungsvorsorgevertrag in Kenntnis dessen, das in zehn Tagen durch den Heimbezug Sozialhilfebedürftigkeit eintreten wird, kann nicht zur Annahme einer Härte führen .
4. Der Umstand, dass die Ansparung von Vermögen für eine würdige und angemessene Bestattung bei älteren Menschen regelmäßig vorkommt, der Gesetzgeber jedoch keine Veranlassung gesehen hat, diesen typischen Lebenssachverhalt in § 88 Abs 2 BSHG oder in der Folgevorschrift des § 90 Abs 2 SGB 12 zu regeln, schließt eine Härte, also einen atypischen Fall, regelmäßig aus, soweit nicht besondere Umstände des Einzelfalls hinzukommen (denkbar zB kein Vermögen und keine Verwandten; religiös bedingte besondere Art der Bestattung; langfristig getroffene Vorsorge) .
5. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht, da durch die Übernahme der Bestattungskosten nach § 15 BSHG (jetzt § 74 SGB 12) jedem mittellosen Hilfebedürftigen eine angemessene Bestattung garantiert wird .
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 12. Dezember 2005 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Sozialhilfeleistungen für die aus ihrem Einkommen nicht gedeckten Heimkosten. Dabei geht es um die Frage, ob die Klägerin zunächst ihr Vermögen, das im Rahmen eines Bestattungsvorsorgevertrags gebunden ist, zur Deckung der Heimkosten aufwenden muss.
Die 89-jährige Klägerin lebt seit dem 16. April 2004 im Alten- und Pflegeheim "Haus am K." in B.. Vor der Aufnahme in das Heim wurde sie von ihrer Tochter gepflegt.
Am 6. April 2004 hatte die Klägerin einen Bestattungsvorsorgevertrag mit dem Beerdigungsinstitut Jürgen Ka. in S. abgeschlossen und insgesamt 6.000,00 EUR für Bestattungskosten sowie Grab- und Grabpflegekosten über das Bestattungsinstitut auf ein Treuhandkonto eingezahlt. Der Vertrag setzt sich zusammen aus der Bestellung der Beerdigung in einem Kiefernsarg und weiteren Leistungen für insgesamt 2.897,10 EUR und einem Grabpflegevertrag, durch den das Beerdigungsinstitut die Gestellung eines Reihengrabes mit 30 Jahren Grabpflege für 1.740,00 EUR und eine Grabplatte aus Marmor für 1.011,90 EUR schuldet. Die Kosten für die Grabpflege und die weiteren Leistungen belaufen sich insgesamt 3.102,90 EUR.
Das Bestattungsunternehmen erklärte mit Schreiben vom 13. Mai 2004, dass es nicht bereit sei, den Vertrag aufzulösen.
Am 19. April 2004 stellte die Klägerin einen Antrag auf Sozialhilfe wegen der nicht gedeckten Heimkosten. Mit Bescheid vom 26. August 2004 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, dass grundsätzlich ein Anspruch in Höhe von 320,60 EUR im Monat bestünde. Die Klägerin habe aber zunächst ihr Vermögen in Höhe von 3.699,00 EUR (6.000,00 EUR abzüglich geschütztes Vermögen in Höhe von 2.301,00 EUR) zur Deckung der Heimkosten einzusetzen.
Hiergegen legte die Klägerin am 9. September 2004 Widerspruch ein. Es sei zu berücksichtigen, dass sie - zum damaligen Zeitpunkt - 87 Jahre alt sei und dass die Krankenkassen ab dem Jahre 2004 kein Sterbegeld mehr an die Angehörigen auszahlen würden. Sie habe ein Anrecht auf eine angemessene Alterssicherung. Die Bestattungskosten wären letztlich ohnehin durch den Beklagten zu übernehmen. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2005 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Bei dem über das Bestattungsunternehmen hinterlegten Geld handele es sich um verwertbares Vermögen. Der Einsatz dieses Geldes stelle auch keine Härte dar. Da es sich um einen werkvertragsähnlichen Vertrag mit dem Bestattungsunternehmen handele, sei dieser Vertrag nach § 649 ...