Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. Vorliegen von erheblicher Pflegebedürftigkeit. Schwerpflegebedürftigkeit. Maßstab. Feststellung einer Änderung der Verhältnisse iS von § 48 SGB 10
Orientierungssatz
1. Erhebliche Pflegebedürftigkeit liegt nur dann vor, wenn der Pflegebedürftige mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf (vgl BSG vom 14.12.2000 - B 3 P 5/00 R).
2. Da Art 45 PflegeVG das Vorliegen der Pflegestufe II bei Schwerpflegebedürftigen nach dem SGB 5 fingiert und § 15 Abs 1 Nr 2 SGB 11 einen täglichen Pflegebedarf fordert, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch bei Schwerpflegebedürftigkeit einen täglichen Hilfebedarf vorausgesetzt hat.
3. Zur Frage der Maßstäbe für die Feststellung einer Änderung der Verhältnisse iS von § 48 SGB 10 im Bereich des Pflegeversicherungsrechts.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Itzehoe vom 22. September 1999 sowie der Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 1997 insoweit aufgehoben, als dadurch auch die Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I aufgehoben worden ist.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht eine Bewilligung von Pflegegeld wegen Schwerpflegebedürftigkeit aufgehoben hat.
Der ... 1988 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Bei ihm besteht der Verdacht auf das Vorliegen eines sogenannten familiären Mittelmeerfiebers. Dieses tritt in Schüben mehrmals im Monat auf, die bis zu drei Tagen in der Woche andauern. Dabei bestehen abdominelle Schmerzen und hohes Fieber. Der Vater des Klägers und ein Bruder leiden ebenfalls an dieser Erkrankung.
Am 10. November 1993 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit. Dazu legte er eine Bescheinigung des Dr. S (Universitäts-Krankenhaus H-E -- Kinderklinik --) vom 18. April 1994 vor, wonach er -- der Kläger -- zurzeit mehrere Tage in der Woche unter schmerzhaften Beeinträchtigungen leide, die eine häusliche Pflege notwendig machten. Es sei sinnvoll, ein Pflegegeld für zwei Monate zu gewähren. Mit Bescheid vom 17. März 1994 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung von Leistungen ab, weil bei dem Kläger voraussichtlich keine Pflegebedürftigkeit auf Dauer vorliege. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch hin zog die Beklagte Arztbriefe des Universitäts-Krankenhauses H-E -- Kinderklinik -- vom 28. Oktober 1993, 4. November 1993 und 24. März 1988 bei. In einem Attest des Universitäts-Krankenhauses H-E vom 8. Juni 1994 hieß es, der Kläger leide an einem familiären Mittelmeerfieber, die Schübe träten etwa einmal pro Woche auf, über die Dauer des Pflegebedarfs könne keine langfristige Prognose gestellt werden. Zurzeit erscheine jedoch die Zahlung von Pflegegeld gerechtfertigt. Der behandelnde Arzt Dr. K vertrat in einem Attest vom 16. Juni 1994 ebenfalls die Auffassung, dass Schwerpflegebedürftigkeit anerkannt werden müsse. Frau Dr. T vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) kam in einer Stellungnahme vom 30. Juni 1994 zu dem Ergebnis, unter Berücksichtigung der Angaben des Hausarztes und des Universitäts-Krankenhauses H-E, wonach der Kläger während der Schübe völlig hilflos und pflegebedürftig sei, müsse gegenüber gesunden Kindern ein erhöhter Pflegebedarf angenommen werden, der die Annahme von Schwerpflegebedürftigkeit rechtfertige. Frau Dr. T empfahl eine Nachuntersuchung in neun Monaten. Mit Bescheid vom 11. Juli 1994 gewährte die Beklagte dem Kläger daraufhin ein Pflegegeld von 400,00 DM. Seit dem 1. April 1995 zahlte die Beklagte dann ein Pflegegeld von 800,00 DM monatlich nach der Pflegestufe II. Ein förmlicher Bescheid hierüber ist den Akten nicht zu entnehmen. In einem Gutachten des MDK vom 6. Oktober 1995, erstattet von Dr. P und der Pflegefachkraft G, kamen diese zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger während der Fieberschübe ein täglicher Pflegebedarf von mehr als sechs Stunden, auch nachts, erforderlich sei, sodass Pflegebedürftigkeit nach der Stufe II gegeben sei. In einem Gutachten des MDK vom 16. Dezember 1996, erstattet von Frau Dr. S und der Pflegefachkraft V, kamen diese zu dem Ergebnis, dass der Kläger an zwei bis drei Tagen in der Woche Hilfe bei der Körperpflege mit einem Zeitaufwand von 60 Minuten, der Ernährung von 30 Minuten und bei der Mobilität von 40 Minuten, also insgesamt 130 Minuten, benötige. Davon sei der Hilfebedarf für ein gesundes gleichaltriges Kind in Höhe von 70 Minuten abzuziehen, sodass ein Hilfebedarf von 60 Minuten an zwei bis drei Tagen in der Woche verbleibe. Pflegebedürftigkeit nach Stufe I liege deshalb nicht vor. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 9. Januar 1997 mit, dass beabsichtigt sei, die Leistungsbewilligung aufzuheben. Dagegen wandte der Kläger ein, sein G...