Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Pflegebedürftigkeit. Voraussetzung. einmal täglich Hilfe. keine Durchschnittsberechnung des Hilfebedarfs bei episodisch auftretenden Beschwerden. Aufhebung. Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Änderung der tatsächlichen Verhältnisse
Orientierungssatz
1. Die Pflegekasse kann nur dann die Aufhebung den das Pflegegeld bewilligenden Bescheides auf § 48 SGB 10 stützen, wenn es sich nicht um die Korrektur eines ursprünglichen Fehlers, sondern um die Anpassung an eine veränderte Sach- oder Rechtslage handelt, die das schutzwürdige Vertrauen auf den Bestand eines fehlerhaften begünstigenden Bescheides für die Zukunft entfallen lässt.
2. Pflegebedürftigkeit iS des SGB 11 setzt voraus, daß zumindest einmal täglich Hilfe im Bereich der Grundpflege erforderlich ist. Bei episodisch auftretenden Beschwerden ist eine Durchschnittsberechnung des Hilfebedarfs nicht zulässig (vgl BSG vom 14.12.2000 - B 3 P 5/00 R).
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Itzehoe vom 10. September 1999 und der Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 1997 aufgehoben.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht die Bewilligung von Pflegegeld nach der Stufe I mit Wirkung vom 30. Juni 1997 aufgehoben hat.
Der ... 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er leidet an dem so genannten Familiären Mittelmeerfieber, das in Schüben auftritt.
Nachdem der Kläger am 28. Juli 1994 erfolglos einen Antrag auf Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit gestellt hatte, beantragte er am 28. April 1995 bei der Beklagten die Gewährung von Pflegegeld. Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), erstattet von Dr. P und der Pflegefachkraft G, vom 6. Oktober 1995 ein. Darin kamen diese zu dem Ergebnis, dass der Kläger Hilfebedarf bei der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität habe. Ein täglicher Pflegebedarf von mehr als drei Stunden bei akuter Erkrankung sei gegeben. Es liege Pflegebedürftigkeit nach der Stufe I vor. Mit Bescheid vom 15. November 1995 gewährte die Beklagte dem Kläger daraufhin Pflegegeld nach der Pflegestufe I in Höhe von 400,-- DM monatlich. Am 19. November 1996 ließ sie den Kläger durch Gutachter des MDK (Frau Dr. S, Pflegefachkraft V) nachuntersuchen. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass der Kläger im Bereich der Körperpflege (Duschen/Baden/Zahnpflege) 20 Minuten, bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung 30 Minuten sowie bei der Mobilität 40 Minuten der Hilfe bedürfe. Dieser Pflegebedarf bestehe allerdings nur am ersten Erkrankungstag, am zweiten und dritten Tag nehme er kontinuierlich ab. Die Krankheitsschübe träten drei- bis viermal pro Monat auf. Bei Zugrundelegung eines monatlichen Durchschnitts liege der tägliche pflegerische Mehraufwand unter 45 Minuten. Durch die im Vergleich zur Voruntersuchung deutlich verbesserten Wohnbedingungen (behindertengerechte Wohnung) sei eine Minderung der Hilfebedürftigkeit eingetreten. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 9. Januar 1997 mit, dass die Aufhebung der Leistungsbewilligung beabsichtigt sei. Dagegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 23. Januar 1997 und machte geltend, es liege weiterhin Pflegebedarf nach Stufe I vor. In einer Stellungnahme vom 27. Mai 1997 bestätigte Dr. S vom MDK, dass bei Berücksichtigung der symptomfreien Tage ein durchschnittlicher täglicher Hilfebedarf von 45 Minuten nicht erreicht werde.
Darauf hob die Beklagte mit Bescheid vom 10. Juni 1997 die Bewilligung von Pflegegeld mit Wirkung vom 30. Juni 1997 auf. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, der MDK habe die Aberkennung der Pflegestufe überwiegend mit der gebesserten Wohnsituation begründet. Nach Einstellung der Pflegeleistung werde er -- der Kläger -- nicht mehr in der Lage sein, sich den jetzigen Wohnraum zu leisten. Bei gezwungener Aufgabe der jetzigen Wohnung wären die Voraussetzungen für die Pflegestufe I dann wieder erfüllt. Auf Veranlassung der Beklagten nahm Dr. S nochmals Stellung und zwar dahingehend, dass Leistungen der Pflegeversicherung nicht in Betracht kämen, weil die Erkrankung nicht regelmäßig pro Woche einige Tage, sondern in größeren zeitlichen Abständen auftrete. Mit Bescheid vom 16. Dezember 1997 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus: Bei dem Kläger bestehe im Bereich der Körperpflege ein Hilfebedarf von 20 Minuten, im Bereich der Ernährung von 30 Minuten sowie im Bereich der Mobilität von 40 Minuten. Bei der hauswirtschaftlichen Versorgung bestehe kein Hilfebedarf. Im Übrigen nehme der Hilfebedarf ab dem zweiten Erkrankungstag ständig ab. Da die Erkrankung nach Angaben der Ehefrau des Klägers drei- bis viermal im Monat au...