Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Vermögenseinsatz. Verwertbarkeit einer Lebensversicherung. Wirtschaftlichkeit. nur eingeschränkte Übertragbarkeit der Rechtsprechung zum SGB 2. weitergehende Verwertungsobliegenheit. Vermögensverlust von 35,51 %. Härte aufgrund der Vermögensverwertung. Rückkaufswert

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Wirtschaftlichkeit der Verwertung von Vermögen im SGB 12.

2. Auch im SGB 12 ist im Rahmen der Härtefallprüfung die Wirtschaftlichkeit der Verwertung von Vermögen zu berücksichtigen.

3. Die in der Rechtsprechung zum SGB 2 entwickelten Grundsätze zur Unwirtschaftlichkeit der Verwertung von Vermögen sind aber nicht inhaltsgleich auf das SGB 12 zu übertragen.

4. Bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist eine weitergehende Verwertungsobliegenheit geboten.

5. Ein Vermögensverlust bei Verwertung einer Lebensversicherung im Verhältnis zu den eingezahlten Beträgen in Höhe von 35,51 % ist noch nicht unwirtschaftlich.

 

Normenkette

SGB XII § 90 Abs. 1, 2 Nr. 9, Abs. 3, § 19 Abs. 2; SGB II § 12 Abs. 3 Nr. 6

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 10. August 2011 wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Zeitraum von Januar bis Mai 2008.

Der am ... 1961 geborene Kläger bezieht bei der Deutschen Rentenversicherung Bund eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Bereits am 30. August 2007 hatte er einen Bedarf der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), geltend gemacht. Offenbar war ihm mitgeteilt worden, dass wegen übersteigenden Vermögens ein Anspruch nicht bestehe. Daraufhin verfolgte er sein Begehren zunächst nicht weiter, sondern reichte erst am 14. August 2008 erneut einen entsprechenden Antrag ein. Dabei gab er an, dass er eine Lebensversicherung bei der G. Lebensversicherung AG habe, die zum März 2007 beitragsfrei gestellt worden sei. Im Ablebens- und Erlebensfall am 1. Juni 2046 war ein Beitrag von 1.886,00 EUR angegeben. Der Rückkaufswert dieser Versicherung betrug bei eingezahlten 1.366,20 EUR zum 1. Juni 2007 860,00 EUR und zum 1. Juni 2008 881,00 EUR. Außerdem machte der Kläger u. a. Kosten für eine Unfallversicherung geltend.

Mit Bescheid vom 25. August 2003 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für die Zeit von Juni 2008 bis Juni 2009. Im Dezember 2007 habe der Kläger unter Berücksichtigung eines Sparguthabens, eines Guthabens auf dem Girokonto und des Rückkaufwertes der Sterbeversicherung von 860,00 EUR über ein Guthaben von insgesamt 3.366,33 EUR verfügt, so dass das Schonvermögen von 2.600,00 EUR um 766,33 EUR überschritten sei. Auch im Mai 2008 habe er noch einzusetzendes Vermögen über der Vermögensfreigrenze besessen, so dass unter Berücksichtigung von Wohngeld kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII bestanden habe. Leistungen für eine Unfallversicherung könnten nicht anerkannt werden. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 18. am 25. September 2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2009, zugestellt am 18. März 2009, zurückgewiesen wurde.

Der Kläger hat am Montag, dem 20. April 2009, Klage erhoben und vorgetragen, bei der Lebensversicherung handele es sich um eine Sterbegeldversicherung, die nicht als Vermögen zu verwerten sei. Er sei alleinstehend, habe keinerlei Angehörige und nur eine kleine Rente, so dass die Kündigung des Lebensversicherungsvertrages nicht geboten sei. Im Übrigen sei die Verwertung unwirtschaftlich, denn statt der erwarteten 1.886,00 EUR bei Auflösung oder im Sterbefall betrage der Rückkaufswert lediglich 860,00 EUR.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Amtes Bordesholm vom 25. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 17. März 2009 (aufzuheben und den Beklagten) zu verurteilen, ihm bereits seit Januar 2008 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat ausgeführt, die Sterbeversicherung stelle kein geschütztes Vermögen dar, denn ihre besondere Zweckbestimmung für Bestattung und Grabpflege ergebe sich nicht aus dem Lebensversicherungsvertrag.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 10. August 2011 die Klage abgewiesen und ausgeführt, der angegriffene Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides sei rechtmäßig. Der Kläger habe im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII. Zwar gehöre er unstreitig zum leistungsberechtigten Personenkreis der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Der Kläger habe jedoch im streitgegenständlichen Zeitraum über seinen Bedarf hinaus über zu berücksichtigendes Vermögen verfügt. Insoweit sei auch die Kapitallebensversicherung bei der G.-Lebensversic...

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