Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlanges Kostenerinnerungsverfahren. Entschädigungsklage des Prozessbevollmächtigten. unangemessene Verfahrensdauer. keine Verkürzung der 12-monatigen Vorbereitungs- und Bedenkzeit des Gerichts. Wiedergutmachung auf andere Weise
Orientierungssatz
1. In Bezug auf ein Erinnerungsverfahren nach § 197 Abs 2 SGG besteht kein Anlass, die im Rahmen des § 198 GVG zu berücksichtigende Vorbereitungs- und Bedenkzeit des Gerichts von 12 Monaten zu verkürzen (so auch LSG Darmstadt vom 1.8.2018 - L 6 SF 2/18 EK SB = ASR 2019, 123; entgegen LSG Neubrandenburg vom 11.11.2015 - L 12 SF 23/14 EK AS).
2. Bei einer Entschädigungsklage des Rechtsanwalts wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens (hier: Kostenerinnerungsverfahren), welches in dessen finanziellem Interesse geführt worden ist, kann im Hinblick auf immaterielle Nachteile nach § 198 Abs 2 S 2 iVm Abs 4 S 1 GVG eine Wiedergutmachung auf andere Weise als durch Geldentschädigung ausreichend sein (vgl BSG vom 10.7.2014 - B 10 ÜG 8/13 R = SozR 4-1720 § 198 Nr 2).
3. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Rechtsanwalt ein unabhängiges Organ der Rechtspflege ist (vgl § 1 BRAO) und von Prozessen einerseits grundsätzlich profitiert und andererseits für ihn die psychische Belastung keinesfalls vergleichbar ist wie bei juristischen Laien (so auch LSG Darmstadt vom 1.8.2018 - L 6 SF 2/18 EK SB aaO; LSG Chemnitz vom 22.1.2018 - L 11 SF 45/16 EK; LSG München vom 16.12.2015 - L 8 SF 128/12 EK = JurBüro 2016, 265; LSG Berlin-Potsdam vom 24.11.2016 - L 37 SF 247/14 EK KR).
Nachgehend
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Dauer des vor dem Sozialgericht Kiel unter dem Aktenzeichen S 21 SF 274/14 E geführten Erinnerungsverfahrens unangemessen war. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat das beklagte Land zu einem Drittel, der
Kläger zu zwei Dritteln zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 1.400,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine Entschädigung in Höhe von 1.400,00 EUR wegen unangemessener Dauer eines Prozesskostenhilfevergütungsverfahrens.
Der Kläger ist Rechtsanwalt und war den Klägerinnen des Hauptsacheverfahrens S 35 AS 935/13, denen mit Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 24. Oktober 2014 Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt worden war, beigeordnet. Das zugrundeliegende Klageverfahren war auf die Verurteilung des beklagten Jobcenters Kiel gerichtet, den Klägerinnen 74,00 EUR zu zahlen. In dieser Höhe war eine Überzahlung erfolgt und das Jobcenter hatte mit Änderungsbescheid vom 9. April 2013 eine Verrechnung mit dem Leistungsanspruch für den Monat Mai 2013 vorgenommen. Hiergegen hatte der Kläger namens und im Auftrag seiner Mandantinnen mit Schreiben vom 8. Mai 2013 Widerspruch eingelegt und diesen auch begründet. Am 16. Mai 2013 hatte er Klage erhoben und zugleich den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Kiel gestellt, das Jobcenter zu verpflichten, an die Antragstellerinnen 74,00 EUR zu zahlen. Nachdem dieses mit Änderungsbescheid vom 17. Mai 2013 dem Widerspruch abgeholfen hatte und die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 24. Oktober 2014 dem Jobcenter Kiel die Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten auferlegt und den Klägerinnen zugleich Prozesskostenhilfe für das Verfahren bewilligt.
Am 31. Oktober 2014 beantragte der Kläger, eine Vergütung von 406,75 EUR festzusetzen. Er gab an, für seine außergerichtliche Vertretung eine Geschäftsgebühr gemäß Vergütungsverzeichnis (VV) 2300-2303 nicht erhalten zu haben und berechnete die Verfahrensgebühr Nr. 3102,1008 VV zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV-RVG) in Höhe von 325,00 EUR.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen mit Beschluss vom 7. November 2014 auf 286,79 EUR fest. Zur Begründung führte sie aus, die Gebührenbestimmung des Klägers sei unbillig. Zwar habe er zu Recht die Mittelgebühr in Ansatz gebracht, jedoch nicht berücksichtigt, dass er bereits im Widerspruchsverfahren für die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens tätig gewesen und deshalb die verminderte Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV-RVG festzusetzen sei Demzufolge reduziere sich auch die Umsatzsteuer entsprechend.
Der Kläger legte am 19. November 2014 Erinnerung ein und machte geltend, es sei nicht zutreffend, dass er im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens mit dem klagegegenständlichen Anspruch vorbefasst gewesen sei. Die Klägerinnen hätten mit der als Leistungsklage statthaften Klage keinen Anspruch auf Erlass eines Verwaltungsaktes verfolgt, sondern die Durchsetzung eines bereits beschiedenen Anspruches. In diesem Verwaltungsverfahren sei er nicht tätig geworden.
Am 16. Dezember 2014 beantragte der Kostenprüfungsbeamte bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht, die Erinnerung zurückzuweisen. Er fü...