Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeitsbestimmung im Adoptionsverfahren bei Annahme eines ausländischen Kindes; Anwendungsbereich der Zuständigkeitskonzentration nach dem Adoptionswirkungsgesetz
Leitsatz (amtlich)
Das VormG, in dessen Bezirk ein OLG seinen Sitz hat, ist nach § 5 Abs. 1 S. 1 AdWirkG nur dann zuständig, wenn sich die Adoption insgesamt und nicht nur in Bezug auf Einzel- oder Vorfragen nach ausländischen Sachnormen richtet. Die Anwendung von ausländischem Recht im Rahmen des Zustimmungserfordernisses nach Art. 23 EGBGB genügt zur Begründung der Zuständigkeitskonzentration nicht.
Normenkette
EGBGB Art. 14 Abs. 1, Art. 22 Abs. 1, Art. 23; FGG § 43b Abs. 2; AdwirkG § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Schleswig (Aktenzeichen 4 AR 227/05) |
AG Reinbek (Aktenzeichen 2-XVI 6/05) |
Tenor
Zum zuständigen Gericht wird das AG Reinbek erklärt.
Gründe
I. (Der minderjährige Betroffene und seine Mutter, die Beteiligte zu 2), sind ukrainische Staatsbürger.) Die Ehe der Beteiligten zu 2) mit dem leiblichen Vater des Betroffenen wurde im April 1999 geschieden; die Beteiligte zu 2) erhielt die alleinige elterliche Sorge für das Kind. Im Februar 2001 schloss sie die Ehe mit dem Beteiligten zu 1) Der Betroffene lebte fortan bei den Eheleuten.
Mit notariellem Antrag vom 22.9.2005 beantragte der Beteiligte zu 1) beim AG Reinbek die Annahme des Betroffenen als Kind; dieser erteilte seine Einwilligung. Die Beteiligte zu 2) willigte als Ehefrau des Beteiligten zu 1) sowie als Mutter und gesetzliche Vertreterin des Betroffenen ebenfalls in die Adoption ein. Der Vater des Betroffenen hatte bereits mit Einverständniserklärung vom 14.2.2005 zugestimmt.
Das AG Reinbek gab die Sache nach Anhörung der Parteien unter Hinweis auf § 43b Abs. 2 S. 2 FGG i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 1 Adoptionswirkungsgesetz (AdWirkG) an das AG Schleswig ab. Es vertritt die Auffassung, dass im Hinblick auf die erforderliche Zustimmung des Betroffenen und des Kindesvaters ausländische Sachvorschriften zur Anwendung kämen, so dass nach § 5 Abs. 1 S. 1 AdWirkG das AG Schleswig als VormG, in dessen Bezirk das OLG seinen Sitz habe, zuständig sei. Das AG Schleswig lehnte die Übernahme des Verfahrens mit Beschl. v. 20.1.2006 ab und legte die Sache dem Senat zur Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit vor. Es ist der Ansicht, dass allein die Anwendung ausländischen Rechts beim Zustimmungserfordernis des Art. 23 EGBGB eine Zuständigkeit des Konzentrationsgerichts nicht begründen könne.
II. Das OLG ist als gemeinsames nächsthöheres Gericht gem. § 5 Abs. 1 S. 1 FGG zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen, weil die AG Reinbek und Schleswig zu verschiedenen Landgerichtsbezirken innerhalb des OLG-Bezirks gehören (Keidel/Sternal, FGG, 15. Aufl., § 5 Rz. 38). Die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung liegen vor; beide AG erachten sich in der Adoptionssache als unzuständig.
1. Zum zuständigen Gericht ist das AG Reinbek zu bestimmen. Die Zuständigkeit folgt aus § 43b Abs. 2 S. 1 FGG. Nach dieser Vorschrift ist in Adoptionssachen grundsätzlich das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Annehmende seinen Wohnsitz (§ 7 BGB) hat. Das ist der Bezirk des AG Reinbek; hier hat sich der räumliche Lebensmittelpunkt des Beteiligten zu 1) bei Beauftragung des Notars mit der Einreichung des Antrags (vgl. § 1752 Abs. 2 S. 2 BGB) befunden (BayObLG v. 17.12.1984 - AllgReg. 94/84, BayObLGZ 1984, 289 [290]).
2. Entgegen der Auffassung des AG Reinbek ist das AG Schleswig nicht als Konzentrationsgericht gem. § 5 Abs. 1 S. 1 AdWirkG zuständig. Nach dieser Vorschrift entscheidet über Anträge nach §§ 2 und 3 AdWirkG das VormG, in dessen Bezirk ein OLG seinen Sitz hat. Diese Zuständigkeitskonzentration ist nach Auffassung des Senats aber nur dann einschlägig, wenn sich die Adoption insgesamt und nicht nur in Bezug auf Einzel- oder Vorfragen nach ausländischen Sachnormen richtet. Sie erfasst daher nur solche Fallgestaltungen, in denen Art. 22 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und 3, Art. 5 Abs. 1 und 2 und Art. 14 Abs. 1 EGBGB auf ausländisches Recht verweist. Die Anwendung von ausländischen Sachvorschriften im Rahmen des Zustimmungserfordernisses nach Art. 23 EGBGB genügt hingegen nicht (OLG Hamm v. 21.11.2002 - 15 Sbd 13/02, OLGReport Hamm 2003, 189 = FamRZ 2003, 1042; OLG Karlsruhe v. 20.10.2003 - 11 AR 6/03, OLGReport Karlsruhe 2004, 125; LG Koblenz v. 15.1.2003 - 2 AR 10/02, FamRZ 2003, 1572; Steiger, DNotZ 2002, 184 [206]; tendenziell auch Busch, IPRax 2003, 13 [20]). Der in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Gegenansicht, nach welcher die Zuständigkeitskonzentration des § 5 Abs. 1 S. 1 AdWirkG auch dann zum Tragen kommt, wenn über Art. 23 EGBGB das Heimatrecht des anzunehmenden Kindes anzuwenden ist (OLG Stuttgart v. 2.12.2003 - 8 AR 22/03, OLGReport Stuttgart 2004, 181 = FamRZ 2004, 1124; OLG Zweibrücken FGPrax 2005, 69), vermag der Senat nicht zu folgen.
3. Für diese Auffassung könnte zwar auf den ersten Blick der Wortlaut des § 43b Abs. 2 S. 2 FGG sprechen; jedoch er...