Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmen Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament mit wechselseitiger Erbeinsetzung ausdrücklich für den Fall des Versterbens "gleichzeitig oder so nacheinander, dass weitere Verfügungen nicht möglich sind", einen Dritten als Erben, so handelt es sich regelmäßig nicht um eine (den längere Zeit überlebenden und testierfähig bleibenden Ehegatten bindende) umfassend geltende Schlusserbenbestimmung.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Auslegung einer Gleichzeitigkeits- bzw. Katastrophenklausel in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament.

2. Andeutungen in einem späteren Testament können nicht die Formwirksamkeit eines früheren Testaments im Sinne der Andeutungstheorie begründen.

 

Normenkette

BGB §§ 2247, 2267, 2270

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Geschäftswert wird festgesetzt auf 150.000,00 EUR.

 

Gründe

I. Die Erblasserin und ihr ... vorverstorbener Ehemann errichteten am 02.08.1995 zwei inhaltlich übereinstimmende eigenhändige Testamente. Beide unterschrieben auch das jeweils vom anderen Ehegatten verfasste Testament. In den Testamenten setzten sie sich gegenseitig als Erben ein. Weiter bestimmten sie unter anderem:

"Sollten wir gleichzeitig oder so nacheinander versterben, dass weitere Verfügungen nicht möglich sind, setzen wir die Eheleute H... und G... [Beschwerdeführerin] als Erben ein, ..."

Erblasserin und Beschwerdeführerin waren Lehrerinnen, die jeweiligen Ehemänner ... Journalisten.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin ist 2015 vorverstorben. Er wurde von der Beschwerdeführerin beerbt. Unter der Datumsangabe 08.10.2018 errichtete die Erblasserin eigenhändig ein weiteres - so überschriebenes - "Testament" mit dem Inhalt, dass nach ihrem Ableben der Beteiligte zu 2. ihr Vermögen bekommen solle.

Für die Erblasserin wurde vom Betreuungsgericht ... die Einrichtung einer Betreuung geprüft ... Zu einer solchen ist es nicht gekommen. Die Erblasserin erteilte wechselnd den Beteiligten Vorsorgevollmachten.

Schließlich ließ die Erblasserin am 31.12.2020 eine so bezeichnete Testamentsergänzung notariell beurkunden ..., in der sie erklärte, dass das in beglaubigter Abschrift beigefügte Testament vom 08.10.2018 von ihr bestätigt werde. Sie legte umfangreich dar, warum sie den Beteiligten zu 2 und nicht die Beschwerdeführerin als Erbe einsetze, unter anderem, weil persönliche Begegnungen mit der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann nach dem Tod des eigenen Ehemanns 2003 so gut wie nicht mehr stattgefunden hätten, die Beschwerdeführerin versucht habe, eine Betreuung für die Erblasserin gegen ihren Willen einrichten zu lassen und die Rückkehr der Erblasserin aus einer Kurzeitpflege in ihr eigenes Haus zu verhindern...

Die Beschwerdeführerin hat die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins beantragt. Sie hat gemeint, sie und ihr Ehemann, dessen Erbteil nach seinem Vorversterben ihr gemäß § 2094 Abs. 1 BGB angewachsen sei, seien als Schlusserben nicht nur für den Fall des gleichzeitigen oder kurz nacheinander erfolgenden Versterbens der Erblasserin und deren Ehemanns eingesetzt worden, sondern für jeden Fall als Schlusserben. Wegen Wechselbezüglichkeit sei die Erblasserin an die Einsetzung gebunden gewesen, habe nicht abweichend neu testieren dürfen. Die Eheleute hätten eine Rechtsnachfolge für den Fall des gleichzeitigen Ablebens festlegen wollen und andererseits auch für den Fall, dass eine gemeinschaftliche Änderung des gemeinschaftlichen Willens nicht mehr möglich sei. Der zweite Fall betreffe ausdrücklich den Fall einer eingetretenen Bindungswirkung nach dem Tod des Erstversterbenden. Das ergebe sich daraus, dass der entsprechende Satz zweimal das Personalpronomen "wir" enthalte. Es stelle sich die Frage, warum die Eheleute dem Überlebenden nicht ausdrücklich eine unbeschränkte Testierfreiheit eingeräumt hätten, wenn sie das gewollt hätten. Die Bestimmung des Ehemanns der Beschwerdeführerin als Testamentsvollstrecker nicht nur für den 1. Erbfall spreche dafür, dass die Eheleute bindend als Schlusserben eingesetzt worden seien. Es sei nicht vorstellbar, weshalb der durch abweichende Testierung nach dem Tod des Erstversterbenden wieder enterbte Ehemann der Beschwerdeführerin dennoch zum Testamentsvollstrecker über das Vermögen des Letztversterbenden ernannt worden sei. Eine Beschränkung der Schlusserbeneinsetzung auf den Fall des gleichzeitigen oder kurz nacheinander erfolgenden Versterbens werfe die Frage auf, warum die Eheleute keine Erbfolge für den Regelfall nach dem Tod des Letztversterbenden angeordnet hätten, jedoch für den Ausnahmefall. Auch die Erblasserin selbst sei von einer Schlusserbeneinsetzung ausgegangen, wie das notariell beurkundete Testament zeige, in dem sie erklärt habe, dass die Einsetzung der Beschwerdeführerin keine Geltung mehr haben solle. Hätte nach dem gemeinschaftlichen Testament die gesetzliche Erbfolge eintreten sollen, hätte es dieser Formulierung nicht bedurft. Aus...

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