Verfahrensgang

AG Neumünster (Entscheidung vom 13.12.2001; Aktenzeichen 49 F 451/01)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Neumünster vom 13. Dezember 2001 abgeändert.

Dem Antragsteller wird für die Vaterschaftsanfechtungsklage gemäß Klageschrift vom 17. September 2001 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).

 

Gründe

Die Beschwerde hat Erfolg.

Das Jugendamt des Kreises Segeberg ist nach der Bestellung vom 31. Januar 2002 des Vormundschaftsgerichts Neumünster (Geschäftsnummer: 5 VIII N 629) als Pfleger für den Antragsteller mit dem Wirkungskreis der Erhebung der Klage auf Anfechtung der Vaterschaft bestellt worden. Dadurch ist der Problembereich, ob bereits mit dem Beschluss vom 08. Januar 2001 des Vormundschaftsgerichts Neumünster zum Aktenzeichen: 49 F 548/00 eine entsprechende Pflegschaftsbestellung erfolgt ist, gegenstandslos geworden.

Die Anfechtungsfrist gemäß § 1600 b BGB ist gewahrt. Gemäß § 166 Abs. 1 BGB kommt es auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters an, der befugt ist, das Kind im Vaterschaftsanfechtungsprozess rechtswirksam zu vertreten (Diederrichsen in Parlandt, BGB, 61. Auflage, § 1600 b Rand-Nr. 6 m.w.N.). Das Jugendamt des Kreises Segeberg ist erstmals mit der Angelegenheit infolge der Bestellung zum Ergänzungspfleger im Verfahren 49 F 548/2000 durch Beschluss vom 08. Januar 2001 mit der familiären Situation des Antragstellers beschäftigt worden. Die Anfechtungsfrist ist mithin noch nicht verstrichen, weil das Jugendamt erst in der Abfolge von den maßgeblichen Umständen, die zur Anfechtung der Vaterschaft des Antragsgegners führen, Kenntnis erlangt hat.

Der Senat geht davon aus, dass die Anfechtung der Vaterschaft gemäß § 1600 a Abs. 4 BGB auch dem Wohl des Antragstellers dient. Die Klärung der biologischen Abstammung ist Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Artikel 2 Abs. 1 i. V. mit Artikel 1 Abs. 1 GG). Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung zu, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vergleiche Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 35, 202, 220). Verständnis und Entfaltung der Individualität sind mit der Kenntnis der für sie konstitutiven Faktoren eng verbunden. Zu diesen zählen neben anderen die eigene Abstammung. Grenzen können dadurch gesetzt werden, dass Schritte zur Klärung der Abstammung dem Wohl des anfechtenden Kindes zuwiderlaufen. Im vorliegen Fall ist nicht ersichtlich, dass durch das Anfechtungsverfahren die familiäre Situation des Antragstellers beeinträchtigt wird. Die Ehe der Mutter des Antragstellers mit dem Antragsgegner ist seit Ende 1998 geschieden. Die Mutter lebt mit dem Antragsgegner nicht zusammen. Es ist keine persönliche Bindung des Antragstellers zum Antragsgegner erkennbar. Wirtschaftliche Umstände, die gegen eine Anfechtung der gesetzlich vermuteten Vaterschaft des Antragsgegners zum Antragsteller sprechen, sind nicht ersichtlich. Nach Angaben des Jugendamtes ist der leibliche Vater des Antragstellers bekannt und wird entweder die Vaterschaft zum Antragsteller anerkennen oder im Rahmen eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens den Status des leiblichen Vaters erhalten.

Unter Abwägung der sich aus den Verfahrensakten insgesamt ergebenden Umstände dient die Anfechtungsklage dem Wohl des Antragsstellers, um im anschließenden Schritt den zutreffenden Vater/Sohn-Status zum biologischen Vater herzustellen. Das Jugendamt hat für den Antragsteller damit hinreichend das Zulässigkeitsmerkmal gemäß § 1600 a Abs. 4 BGB dargelegt.

Insgesamt besteht die hinreichende Erfolgsaussicht für die angestrengte Vaterschaftsanfechtungsklage, weshalb Prozesskostenhilfe gemäß § 114 Abs. 1 ZPO nunmehr zu bewilligen war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3030539

FamRZ 2003, 51

FamRZ 2003, 51-52 (Volltext mit red. LS)

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