Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrug
Verfahrensgang
LG Lübeck (Beschluss vom 30.05.2000) |
Tenor
1. Der Beschluss der VI. Großen Strafkammer des Landgerichts Lübeck vom 30. Mai 2000 wird aufgehoben, soweit die Strafkammer von der Anordnung von Beugehaft abgesehen hat.
2. Gegen die Zeugin Antje V. wird zur Erzwingung des Zeugnisses Haft bis zu drei Monaten Dauer angeordnet, jedoch nicht über die Zeit der Beendigung des Verfahrens hinaus.
3. Die Beschwerde der Zeugin wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Gründe
1.
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist gemäß § 304 Abs. 1, § 296 Abs. 1, i.V.m. § 305 StPO zulässig. Sie ist auch begründet, soweit die Strafkammer mit dem angefochtenen Beschluss die Anordnung von Beugehaft gegen die Zeugin V. abgelehnt hat.
a)
Zutreffend hat die Kammer festgestellt, dass der Zeugin V. ein Zeugnisverweigerungsrecht in direkter oder entsprechender Anwendung des § 52 StPO nicht zusteht. Dies gilt auch, obwohl sie geltend macht, mit dem Angeklagten K. seit 14 Jahren in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zu leben. Ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO liegt ersichtlich nicht vor. Dass die Zeugin mit dem Angeklagten K. verlobt wäre, macht sie nicht geltend. Dies wäre angesichts der fortbestehenden Ehe des Angeklagten auch nicht im Sinne des § 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO als rechtlich wirksam zu bewerten (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, Rz. 4 zu § 52 StPO).
Den von der Zeugin geltend gemachten Verweigerungsgrund der langjährigen Lebensgemeinschaft kennt die StPO nicht. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Konfliktlage, in der sich die Zeugin V. befindet, nämlich einerseits ihren Zeugenpflichten zu vollständiger und wahrheitsgemäßer Aussage nachzukommen und damit der Wahrheitsfindung zu dienen, andererseits den Angeklagten K. vor dem Hintergrund ihrer engen Beziehung dadurch möglicherweise zu belasten und damit auch das Verhältnis zueinander zu belasten, der Lage einer als Zeugin benannten Ehefrau oder Verlobten in ihrer psychischen Belastung in nichts nachsteht. Dennoch ist eine entsprechende Anwendung des § 52 StPO auf den vorliegenden Fall nicht möglich. Eine Analogie zugunsten der Zeugin scheitert daran, dass die abschließende Aufzählung der zeugnisverweigerungsberechtigten Personen in § 52 Abs. 1 StPO keine Lücke enthält. Vielmehr hat der Gesetzgeber im Interesse einer effektiven Strafrechtspflege und unter dem Gebot umfassender richterlicher Sachaufklärung den Kreis der zeugnisverweigerungsberechtigten Personen abschließend zusammengefasst (vgl. LR-Dahs, 25. Aufl., Rz. 17 zu § 52 StPO; KK-Senge, 4. Aufl., Rz. 11 zu § 250 StPO). Mit Ausnahme des hier nicht in Betracht kommenden Verlöbnisses ist der entscheidende Anknüpfungspunkt das gesetzliche Angehörigenverhältnis, nicht die tatsächliche Gemeinschaft. Dies spricht ebenso gegen eine Ausdehnung des Kreises der berechtigten Personen wie der Umstand, dass der dazu berufene Gesetzgeber ihn in zahlreichen Strafrechtsänderungsgesetzen nicht erweitert hat (vgl. LR-Dahs, a.a.O., vor Rz. 17 zu § 52 sowie vor Rz. 1 zur Entwicklungsgeschichte).
Auch aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten kommt hier eine Analogie des § 52 StPO nicht in Betracht. Selbst wenn in Betracht gezogen wird, dass eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, inzwischen in bestimmten Fällen als schutzwürdig angesehen wird, wenn daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art besteht, und sie über die Beziehung in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht, so scheidet dieser Gedanke hier aus, weil die bestehende Ehe des Angeklagten K. noch den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG genießt und die Gemeinschaft des Angeklagten mit der Zeugin diesem vom Gesetz bestimmten Schutzgedanken zuwider läuft (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 22.1.1999, wiedergegeben in NStZ 1999, S. 255 m.w.N., sowie die Anmerkungen Wollwebers in NStZ 1999, S. 628 f.).
b)
Da der Zeugin V. ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO nicht zustand, worauf sie hingewiesen worden war, und da sie auch sonst keinen Grund geltend gemacht hat, der sie berechtigen könnte, die Aussage ganz oder teilweise zu verweigern, hat sie ohne gesetzlichen Grund und schuldhaft gehandelt. Gemäß § 70 Abs. 1 StPO hat ihr die Kammer zwingend die durch ihre Weigerung verursachten Kosten sowie ein Ordnungsgeld von 300,– DM auferlegt. Die Höhe des Ordnungsgeldes, die dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprach, begegnet keinen Bedenken.
Fehlerhaft war allerdings, von der Anordnung von Beugehaft abzusehen. Gemäß § 70 Abs. 2 StPO kann zur Erzwingung des Zeugnisses die Haft angeordnet werden, jedoch nicht über die Zeit der Beendigung des Verfahrens in dem Rechtszug, auch nicht über die Zeit von sechs Monaten hinaus. Die Anordnung steht im Ermessen des Gerichts und ergeht unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Zu berücksichtigen ist dabei die Aufklärungspflicht des Gerichtes sowie das Gewicht des Strafverfahrens und die Bedeutung, die de...