Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckung einer Verurteilung zum Schneeräumen
Leitsatz (amtlich)
Die Vollstreckung einer Verurteilung zum Schneeräumen erfolgt regelmäßig nach den §§ 887, 888 ZPO und nicht nach § 890 ZPO.
Normenkette
ZPO §§ 887-888, 890
Verfahrensgang
LG Lübeck (Beschluss vom 23.05.2011; Aktenzeichen 6 O 147/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Lübeck vom 23.5.2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das LG zurückverwiesen.
Gründe
I. Die nach § 793 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat in der Sache auch Erfolg. Sie führt gem. § 572 Abs. 3 ZPO zur Zurückverweisung der Sache an das LG.
Durch rechtskräftiges Urteil sind die Schuldner (Beklagten) u.a. wie folgt verurteilt worden:
"Die Beklagten werden verurteilt, den Weg, der sich auf einem 3,0 m breiten Streifen (gerechnet von der Nordwestgrenze des klägerischen Grundstücks an) auf dem Grundstück der Klägerin befindet, zu unterhalten, insbesondere von Unrat, Laub usw. zu befreien, Anpflanzungen regelmäßig zurück zu schneiden, Schnee und Eis zu beseitigen sowie die Oberfläche in Ordnung zu halten."
Die Parteien streiten darum, ob die Schuldner ihrer Verpflichtung zur Schneereinigung nachgekommen sind oder nicht.
Die Gläubigerin hat zuletzt beantragt (Bl. 384, 262),
a) sie zu ermächtigen, zukünftig auf Kosten der Schuldner die Schnee- und Eisbeseitigung auf dem 3,0 m breiten Streifen auf ihrem, der Gläubigerin, Grundstück durchzuführen, hilfsweise, dies beschränkt auf das Winterhalbjahr 2011/2012,
b) die Schuldner zu verurteilen, Kosten i.H.v. 1.081,90 EUR für die Schnee- und Eisbeseitigung für das Winterhalbjahr 2011/2012 an sie, die Gläubigerin, vorauszuzahlen.
Das LG hat die Frage der Erfüllung der Schneeräumpflicht offen gelassen und den Antrag der Gläubigerin nach § 887 ZPO zurückgewiesen, weil die Vollstreckung der titulierten Verpflichtung entsprechend § 890 ZPO durch Androhung und Verurteilung zu einem Ordnungsgeld hätte durchgeführt werden müssen.
Die Gläubigerin hält daran fest, dass die Vollstreckung der titulierten Handlungspflicht nach § 887 ZPO zu erfolgen habe, hilfsweise hätte das LG sie darauf hinweisen müssen, dass eine Vollstreckung nach § 890 ZPO die richtige Vollstreckungsart sei. Der in der mündlichen Verhandlung gegebene Hinweis auf die Möglichkeit einer Vollstreckung nach § 890 ZPO sei insoweit nicht ausreichend. Da das LG im Anschluss daran die Zeugen zur Erfüllung der Schneeräumpflicht vernommen habe, habe sie davon ausgehen dürfen, dass das LG an der Zulässigkeit der Vollstreckung nach § 887 ZPO keine durchgreifenden Bedenken mehr gehabt habe.
II. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat Erfolg. Sie führt gem. § 572 Abs. 3 ZPO zur Zurückverweisung der Sache an das LG.
Die Abgrenzung zwischen Handlungs- und Unterlassungspflichten kann oft zweifelhaft und schwierig sein. Das ändert aber nichts daran, dass für eine Anwendung des § 890 ZPO die Unterlassungs- und Duldungspflicht im Vollstreckungstitel ausgesprochen sein muss, denn die Vollstreckung nach § 890 ZPO ist eine von den §§ 887, 880 ZPO wesensverschiedene Vollstreckungsart. Die Ordnungsmittel nach § 890 ZPO sind nicht nur Maßnahmen zur Beugung des Willens des Schuldners, sondern enthalten auch strafrechtliche Elemente. Schon daraus ergibt sich, dass sich eine Unterlassungspflicht eindeutig aus dem Titel ergibt. Das muss zwar nicht ausdrücklich geschehen. Entscheidend ist vielmehr, ob - bei verständiger Auslegung des Titels - der Sache nach ein Gebot zum Unterlassen oder ein Gebot zum Handeln ausgesprochen worden ist (vgl. OLG Köln MDR 1995, 95, Rz. 6 nach juris; OLG Saarbrücken NJW-RR 2001, 163, Rz. 9 nach juris). Für Dauerverpflichtungen zur Vornahme einer Handlung bleibt es bei der Anwendbarkeit der §§ 887, 888; § 890 ZPO ist nicht - auch nicht analog - anwendbar (OLG Köln, a.a.O., Rz. 7 nach juris; OLG Hamm, NJW 1973, 1135; Stein-Jonas/Brehm, ZPO, 22. Aufl., Rz. 11; Wieczorek/Storz, ZPO, 3. Aufl., § 887 Rz. 35 - 39; Musielak, ZPO, 8. Aufl., § 887 Rz. 6; für Wahlmöglichkeiten des Gläubigers Hüsstege in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., Rz. 1c und § 890 Rz. 4; einschränkend Münchener Kommentar Gruber, ZPO, 3. Aufl., § 887 Rz. 16, 890 Rz. 9; anderer Meinung LG Berlin, WUM 1994, 552; Rz. 3 f. nach juris). Hier liegt der Schwerpunkt der titulierten Verpflichtung eindeutig in einem Handlungsgebot der Beklagten. Sie sollen den 3,0 m breiten Streifen unterhalten, insbesondere von Unrat, Laub usw. befreien, Anpflanzungen zurückschneiden, Schnee und Eis beseitigen sowie die Oberfläche in Ordnung zu halten. Da die Schuldner auf das Pflanzenwachstum und den Schneefall keinen Einfluss haben, vielmehr von ihnen ein aktives Tun verlangt wird, handelt es sich - anders möglicherweise als bei der regelmäßigen Beheizung von Wohnraum - eindeutig um ein Handlungsgebot. Die vom LG aufgezeigten Fälligkeits...