Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert bei einseitiger Erledigungserklärung
Leitsatz (amtlich)
Die besseren Argumente sprechen dafür, bei nur einseitiger Erledigungserklärung einen unveränderten Streitwert zugrunde zu legen.
Verfahrensgang
LG Flensburg (Beschluss vom 16.01.2004; Aktenzeichen 3 O 10/03) |
Tenor
Die Gegenvorstellung der Beklagten vom 22.1.2003 gegen den Beschluss des Senats vom 16.1.2004, durch den der Streitwert für den 2. Rechtszug auf 49.574,86 Euro wurde, wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Gegenvorstellung ist gem. § 25 Abs. 2 S. 2 GKG zulässig, sie ist jedoch unbegründet.
Die Frage, wie sich der Streitwert bei einer einseitigen Erledigungserklärung bemisst, ist in der Rspr. umstritten (vgl. die Übersicht bei Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess, 11. Aufl., Rz. 1505, 1521). Die Auffassung des BGH (BGH JurBüro 1982, 1242), dass sich nach einseitiger Erledigungserklärung der Streitwert i.d.R. nur nach den bis dahin entstandenen Kosten des Rechtsstreits bemisst, der Streitwert nämlich auf den Kostenwert „schrumpft”, hat sich in der Lit. (vgl. Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess, 11. Aufl., Rz. 1520; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 3 Rz. 16 – Stichwort „einseitige Erledigungserklärung) und bei der Mehrheit der erst und zweitinstanzlichen Gerichte nicht durchzusetzen vermocht. Im Übrigen ist auch insoweit die BGH-Rspr. nicht einheitlich, denn nach einer Entscheidung des 6. Zivilsenats vom 8.12.1981 (BGH v. 8.12.1981 – VI ZR 161/80, MDR 1982, 571 = NJW 1982, 768) soll sich ausnahmsweise der Streitwert in einer „Ehrenschutzsache” nach dem Wert der Hauptsache richten.
Auch innerhalb des OLG Schleswig finden sich unterschiedliche Auffassungen. Der 16. Zivilsenat des OLG Schleswig hat aber in diesem Sinn bereits in seiner Entscheidung vom 12.10.1989 (OLG Schleswig v. 12.10.1989, SchlHA 1990, 9) eine Rechtsprechungsänderung angedeutet, indem er ausgeführt hat, dass „die besseren Argumente dafür sprechen, bei nur einseitiger Erledigungserklärung einen unveränderten Streitwert zugrunde zu legen”. Dies sieht auch der erkennende Senat so:
Die einseitige Erledigungserklärung der Hauptsache durch den Kläger führt nicht zu einer Beendigung des Prozessrechtsverhältnisses hinsichtlich der Hauptsache. Das Gericht kann in solchen Fällen deshalb nicht nach § 91a ZPO allein über die Kosten entscheiden, sondern muss auch über den in der Hauptsache noch rechtshängigen Anspruch befinden. Der Beklagte, der sich mit dem Klagabweisungsantrag ausdrücklich einer einseitigen Erledigungserklärung des Klägers widersetzt, bekundet damit gleichzeitig und grundsätzlich ein über die Kostenentscheidung hinausgehendes Interesse an einer Entscheidung in der Hauptsache. Anderenfalls wäre er nämlich auch bei Annahme einer von Anfang an unzulässigen oder unbegründeten Klage nicht gehindert, sich der Erledigungserklärung anzuschließen, um eine rechtsmittelfähige Kostenentscheidung nach § 91a ZPO zu erhalten. Dabei wird nicht verkannt, dass zwar ein Klagabweisungsantrag auch zur Vermeidung einer nachteiligen Kostenentscheidung z.B. in Fällen der Beweisbedürftigkeit bestimmter tatsächlicher Fragen gestellt werden und damit allein im Kosteninteresse begründet sein kann, gleichwohl ist jedoch auch in diesen Fällen die Beibehaltung des vollen Streitwerts aus Gründen der Praktikabilität gerechtfertigt.
Es gibt auch keinen zwingenden Grund, streitwertmäßig und damit kostenrechtlich die einseitige genauso wie die beiderseitige Erledigungserklärung zu behandeln, denn bei der übereinstimmenden Erledigung wird das Gericht gerade von seiner Entscheidungspflicht in der Hauptsache entbunden. Der Streitwert dient auch als Bemessungsgrundlage für die an ihn anknüpfenden Gebührenforderungen des Gerichts und der Rechtsanwälte. Richtig festgesetzt ist der Streitwert vor dem Hintergrund dieser Funktion dann, wenn die auf seiner Grundlage ermittelte Vergütung der Rechtsanwälte und des Gerichts angemessen ist (vgl. OLG Brandenburg v. 10.10.1995 – 6 W 19/95, NJW-RR 1996, 1472). Bei einer einseitigen Erledigung muss der Rechtsstreit in vollem Ausmaß also ggf. auch mit voller Beweisaufnahme weitergeführt werden, wobei Gericht und Rechtsanwälte genau die Arbeit zu leisten haben, die auch bei Durchführung des Rechtsstreits mit dem ursprünglichen Antrag angefallen wäre.
Hier haben die Beklagten außerdem deutlich gemacht, dass es ihnen nach der Räumung des Objekts am 15.3.2003 keinesfalls nur noch um die angefallenen Kosten des Rechtsstreits ging. Durch ihren Klagabweisungsantrag wollten sie nämlich inzident festgestellt wissen, dass die Räumungsklage entweder von vornherein unzulässig (fehlendes Rechtsschutzbedürfnis) oder aber jedenfalls unbegründet (wegen unzulässiger Teilkündigung vom 5.7.2001) war.
Der Senat schließt sich daher der von den meisten OLG vertretenen Auffassung an, wonach der ursprüngliche Streitwert der Klage bei einer nur einseitigen Erledigungserklärung des Klägers grundsätzlich fortbesteht.
Fundstellen