Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestellung eines Betreuers trotz Vorsorgevollmacht
Leitsatz (amtlich)
1. Stößt eine Vorsorgevollmacht im Rechtsverkehr in Ansehung des Rechtsberatungsgesetzes auf Akzeptanzprobleme, so können damit die Angelegenheiten des Betroffenen nicht "ebenso gut wie durch einen Betreuer" (vgl. § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB) besorgt werden.
2. Die Bestellung eines Kontrollbetreuers (§ 1896 Abs. 3 BGB) kommt nur in Betracht, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls ein konkretes Bedürfnis für die Überwachung besteht. Ein solches Bedürfnis ergibt sich nicht allein daraus, dass der Betroffene nach Erteilung einer Vorsorgevollmacht nicht mehr in der Lage ist, diese zu kontrollieren (Fortführung von OLG Schleswig v. 13.11.2003 - 2 W 4/03, OLGReport Schleswig 2004, 229 = FGPrax 2004, 70; v. 27.11.2002 - 2 W 197/02, OLGReport Schleswig 2003, 159 = SchlHA 2003, 171).
3. Ob eine Zurückverweisung an das LG oder an das AG erfolgt, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Beschwerdesenats. Sind noch umfangreiche Ermittlungen erforderlich oder beruhen die Entscheidungen des LG und des AG auf der gleichen Rechtsverletzung, so ist eine Zurückverweisung an das AG zweckmäßig.
Normenkette
BGB § 104 Nr. 2, §§ 134, 1896; RBerG Art. 1 § 1; RBerG § 3 Nr. 8, § 7; FGG § 12
Verfahrensgang
Tenor
I. Der angefochtene Beschluss des LG und der Beschluss des AG vom 25.11.2004 werden aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Betroffene begehrt die Einrichtung einer Betreuung für die Aufgabenkreise Vermögenssorge und Gesundheitssorge.
Die Betroffene leidet an einer Sehbehinderung, die sich in einem Sehverlust auf dem einen Auge und einer lediglich 40%igen Sehkraft auf dem anderen Auge äußert. Sie ist an grünem Star erkrankt. Ferner leidet die Betroffene an Diabetes Typ 1 und Kreislaufbeschwerden. Darüber hinaus besteht möglicherweise eine Alkoholproblematik.
Die Betroffene ist Mitglied im "S. e.V." (im Folgenden: Sozialverein) mit Sitz in K. Erster Vorsitzender des Vereins ist Herr V. Am 31.5.2002 erteilte die Betroffene dem Sozialverein, vertreten durch Herrn V. eine Vollmacht, sie "in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten, gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten". In der Vollmachtsurkunde heißt es u.a.:
"Die Vollmacht berechtigt zu einer Vertretung in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung, soweit ich selbst nicht im Stande bin, darüber zu bestimmen ... Insbesondere wird dem Bevollmächtigten die Befugnis übertragen, anstelle des Vollmachtgebers in freiheitsbeschränkende und freiheitsentziehende Maßnahmen (...) einzuwilligen.
Diese Vollmacht soll eine Betreuung gem. Betreuungsgesetz (§§ 1896 BGB ff.) ausschließen.
In vermögensrechtlichen Angelegenheiten umfasst die Vollmacht die Verwaltung meiner Einkünfte sowie die Besorgung der laufenden Geschäfte. Hierzu gehört die Abwicklung von Bankgeschäften, Vertretung ggü. Ämtern, Behörden, Versicherungen und der Krankenkasse."
Am 22.4.2003 erteilte die Betroffene dem Sozialverein eine weitere Vollmacht zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten. In der Vollmachtsurkunde heißt es u.a.: "Die am 31.5.2002 unterzeichnete Vollmacht bleibt somit voll inhaltlich bestehen."
Die Betroffene macht geltend, ihre Angelegenheiten infolge der bestehenden Krankheitserscheinungen nicht mehr selbst regeln zu können.
Mit der dem Sozialverein erteilten Vollmacht gebe es immer wieder Probleme, weil dem Verein unterstellt werde, gewerbsmäßig tätig zu sein und die Vollmachten deswegen für unwirksam erachtet würden. Auch Ämter und Behörden akzeptierten die Vollmacht nicht.
Die Antragstellerin schlägt als Betreuer Herrn V. vor; dieser sei bereit, die Betreuung zu übernehmen.
Das AG hat die Bestellung eines Betreuers mit Beschl. v. 25.11.2004 abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das LG mit Beschl. v. 22.7.2005 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit der weiteren Beschwerde.
II. Die weitere Beschwerde ist nach §§ 27, 29, 20, 69g FGG zulässig. Sie ist auch begründet, denn die Entscheidungen des LG sowie des AG beruhen auf einer Rechtsverletzung (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).
Das LG hat im Wesentlichen festgestellt: Die Einrichtung einer Betreuung sei nicht erforderlich, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut besorgt werden könne, wie durch einen Betreuer. Das sei hier der Fall. Die Betroffene sei ersichtlich in der Lage, zur Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten einen Bevollmächtigten zu bestellen. Dass die Vollmacht im Hinblick auf das Rechtsberatungsgesetz im Rechtsverkehr nicht anerkannt werde, sei ohne Belang, weil die Betroffene ggf. auch anderen Personen Vollmacht erteilen könne und keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass sie nicht in der Lage sei, die Vollm...