Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Bestellung eines Betreuers bei Einräumung einer Generalvollmacht und Gestattung des Selbstkontrahierens
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bestellung eines „Ergänzungsbetreuers” i.S.d. § 1899 Abs. 4 BGB kommt nur in Betracht, sofern der bereits bestellte Betreuer im Bereich des ihm übertragenen Aufgabenkreises teilweise an der Besorgung der Angelegenheiten verhindert ist.
2. Ungeachtet der Möglichkeit der Bestellung eines Kontrollbetreuers i.S.d. § 1896 Abs. 3 BGB ist im Falle ersichtlicher Eigeninteressen eines Bevollmächtigten die Bestellung eines Betreuers jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn dem Bevollmächtigten sogar das Selbstkontrahieren gestattet worden ist.
Verfahrensgang
LG Flensburg (Beschluss vom 16.12.2002; Aktenzeichen 5 T 395/02) |
AG Niebüll (Aktenzeichen 9 XVII P 2025/00) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Unter Wiederherstellung des Beschlusses des AG Niebüll vom 5.8.2002 insoweit wird die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen. Damit bleibt der Antrag der Beteiligten zu 2) auf Bestellung eines Ergänzungsbetreuers abgelehnt.
Die Beteiligte zu 2) hat der Betroffenen die im Erstbeschwerdeverfahren entstandenen Auslagen zu erstatten.
Gründe
In notarieller Urkunde vom 30.9.1994 (Urk.-Ro. Nr. 159/1994 des Notars Dr. M. in T.) erteilte die Betroffene dem Beteiligten zu 1) die unbeschränkte Generalvollmacht, sie in sämtlichen gesetzlich zulässigen Fällen gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Darin wurde der Beteiligten zu 1) auch von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit, was dahin erläutert wurde, dass die Betroffene ihm gestatte, in ihrem Namen mit sich in eigenem Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Die Vollmacht wurde über den Tod der Betroffenen hinaus erteilt. Durch Beschluss vom 18.7.2001 bestellte das AG den Beteiligten zu 1) zum Betreuer der Betroffenen mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung einschl.. Unterbringungsmaßnahmen sowie Gesundheitsfürsorge einschl. der Veranlassung notwendiger Untersuchungen, Heilbehandlungen und ärztlicher Eingriffe. Die Betroffene ist Alleineigentümerin dreier Grundstücke, von denen eines mit einem zur Zeit nicht bewohnten Wohnhaus bebaut ist, eingetragen im Grundbuch von L. Bl. 881, und zwar zum hälftigen Anteil als Erbin ihres verstorbenen Ehemannes H.E.P. Zugunsten der Beteiligten zu 1) bis 3) ist die Nacherbfolge nach ihrem Vater H.E.. angeordnet. Ferner ist zugunsten des Beteiligten zu 1) auf jedem Grundstück ein vererbliches Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle im Grundbuch eingetragen. Das persönliche Verhältnis zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) ist zerrüttet. Unter den Geschwistern wurde erörtert, die Grundstücke möglicherweise zu veräußern.
Am 10.6.2002 hat die Beteiligte zu 2) beantragt, den Beteiligten zu 1) als Betreuer zu entlassen, hilfsweise einen Ergänzungsbetreuer zu bestellen, da mit Rücksicht auf seine Stellung als Nacherbe und Vorkaufsberechtigter eine Interessenkollision bestehe. Das AG hat durch Beschluss vom 5.8.2002 für die bestehende Betreuung eine Überprüfungsfrist von 5 Jahren festgesetzt, angeordnet, dass der Beteiligte zu 1) weiterhin in seinem Amt als Betreuer bleibe und die Anordnung einer Ergänzungsbetreuung abgelehnt. Hiergegen hat die Beteiligte zu 2) Beschwerde eingelegt, mit der sie die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers verfolgt hat. Das LG hat unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses insoweit für die Betroffene für die Veräußerung des im Grundbuch von L. Bl. 881 verzeichneten Grundbesitzes eine Ergänzungsbetreuung angeordnet. Gegen diesen Beschluss, auf den zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 102 bis 104 d.A.), richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1), der die Beteiligte zu 2) entgegengetreten ist.
Die nach §§ 69g, 27, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde ist begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 FGG, 546 ZPO).
Das LG hat ausgeführt, hinsichtlich des beabsichtigten Verkaufs bestehe eine klassische Interessenkollision i.S.d. §§ 1899 Abs. 4, 1908i Abs. 1 S. 1, 1795, 181 BGB. Die Notwendigkeit der Ergänzungsbetreuung ergebe sich insb. wegen der hier erforderlichen Erbauseinandersetzung zwischen den Beteiligten. Der Betroffene sei gem. § 181 BGB daran gehindert, die erforderlichen Erklärungen wegen der bestehenden Vor- und Nacherbschaft einerseits als Vertreter der Betroffenen und andererseits zugleich im eigenen Namen vorzunehmen. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht Stand.
Das LG hat der Sache nach keine Ergänzungsbetreuung i.S.d. § 1899 Abs. 4 BGB angeordnet, sondern die Bestellung eines weiteren Betreuers i.S.d. 1899 Abs. 1 BGB. Eine Ergänzungsbetreuung wäre gegeben, wenn ein Betreuer im Bereich des ihm übertragenen Wirkungskreises teilweise an der Besorgung der Angelegenheiten verhindert ist (OLG Zweibrücken NJWE-FER 1999, 272; Palandt/Diederichsen, BGB, 62. Aufl., § 1899 Rz. 2). So liegt es hier nicht, wei...