Verfahrensgang
LG Lübeck (Beschluss vom 11.10.2006) |
Tenor
1. Die Sache wird dem Senat zur Entscheidung übertragen.
2. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts und die Festsetzungsverfügung vom 21. August 2006 werden geändert.
Die dem Rechtsanwalt R. in G. aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung wird anderweitig festgesetzt auf
Gründe
1. Der Einzelrichter hat die Sache gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG dem Senat zur Entscheidung übertragen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
2. Rechtsanwalt R. vertrat den Zeugen Michael B., dem er mit Verfügung vom 13. Juli 2006 als Beistand gemäß § 68 b StPO beigeordnet worden war, in einem Strafverfahren in der Hauptverhandlung vom 31. Juli 2006. Dafür hat er Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 909,90 EUR geltend gemacht. Diese setzen sich zusammen aus der Grundgebühr nach Nr. 4101 VV RVG, der Verfahrensgebühr nach Nr. 4113 VV RVG, der Terminsgebühr nach Nr. 4115 VV RVG sowie Auslagen und gesetzlicher Mehrwertsteuer. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 29. März 2006 – 1 Ws 110/06 (30/06) –, NStZ-RR 2006, 255) die Auffassung vertreten, die Beistandsleistung sei als Einzeltätigkeit gemäß Nr. 4302 Nr. 3 VV RVG nur mit einer Gebühr in Höhe von 108,– EUR nebst Auslagen zu vergüten. Entsprechend hat sie mit Verfügung vom 21. August 2006 die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 367,02 EUR festgesetzt. Die Erinnerung des Beistands hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 11. Oktober 2006 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beistands.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG zulässig, insbesondere innerhalb der Zweiwochenfrist rechtzeitig eingelegt.
In der Sache ist sie auch begründet. Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung zur Vergütung des Zeugenbeistands (NStZ RR 2006, 255) nicht mehr fest. Gemäß der Vorbemerkung 4 Abs. 1 des Teils 4 RVG sind für die Tätigkeit als Beistand u. a. auch eines Zeugen die Vorschriften entsprechend anzuwenden. Im Abs. 2 ist die Verfahrensgebühr, im Abs. 3 die Terminsgebühr und im Absatz 4 der Zuschlag für nicht auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte geregelt.
Aus der redaktionellen Anordnung im Anschluss an die Überschrift „Teil 4” und vor den Abschnitten 1, 2 und 3 ist ersichtlich, dass die Gleichstellungsregelung des Beistands für alle drei Abschnitte, insbesondere auch für den Abschnitt 1, Gebühren des Verteidigers, Bedeutung gewinnt.
Die bisherige Auffassung des Senats, die Tätigkeit des Zeugenbeistands sei stets als Einzeltätigkeit nach Abschnitt 3 zu bewerten, würde zwangsläufig zu dem Ergebnis führen, dass der Zeugenbeistand, welche Tätigkeit für den Mandanten er auch immer entfalten würde, regelmäßig nicht die in Abschnitt 1) aufgeführten Gebühren des Verteidigers verdienen könnte. Dann aber wäre die Gleichstellungsklausel in den Vorbemerkungen 4 widersinnig. Diese Überlegung wird verstärkt durch einen Vergleich der Regelungen in anderen Teilen des RVG: zwar weicht die Vorbemerkung 4 Abs. 1 des Teiles 4 von der entsprechenden Vorbemerkung 5 Abs. 1 des Teils 5 (Bußgeldsachen) insofern ab, als letztere für die Tätigkeit des Zeugenbeistands ausdrücklich die gleichen Gebühren wie für einen Verteidiger entstehen lässt. Die Gesetzesbegründung zu Teil 4 stellt jedoch klar, dass die Vorschriften dieses Teils für die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Zeugenbeistand auch im Strafverfahren die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger erhalten soll, dass damit die für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten und die für Streitigkeiten vor Gerichten der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeit in Abs. 1 der Vorbemerkung 3 (zu Teil 3) vorgesehenen Regelung auch für das Strafverfahren übernommen wird und damit erstmals auch im Strafverfahren die Gebühren des Rechtsanwalts für seine Tätigkeit als Zeugenbeistand gesetzlich geregelt wird. Die Gleichstellung mit dem Verteidiger sei sachgerecht, weil die Gebührenrahmen ausreichenden Spielraum böten, dem konkreten Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts Rechnung zu tragen (BT Drucksache 15/1971, S. 220). Auch wenn die erwähnten Gebührenrahmen nur für den Wahlanwalt gelten, ist daraus ohne Zweifel abzuleiten, dass in Fällen der Beiordnung die entsprechenden Pflichtverteidigergebühren erwachsen sein sollen.
Dass der Zeugenbeistand regelmäßig die Vergütung des Verteidigers erhalten soll, folgt auch aus der Vorbemerkung 2 Abs. 2 Satz 2 des Teils 2 RVG. Danach entstehen ihm für die Tätigkeit vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss die gleichen Gebühren wie für die entsprechende Beistandsleistung in einem Strafverfahren des ersten Rechtszuges vor dem Oberlandesgericht. Diese Verweisung gäbe keinen Sinn, folgte man der bisherigen Senatsauffassung, nach der dem Zeugenbeistand auch in einem gerichtlichen Verfahren lediglich die Gebühr der Nr. 4302 Nr. 4 VV RVG als Einzeltätigkeit zustehen sollte.
Im Ergebnis gibt der Senat daher sein...